Argulus foliaceus

[57] Unter den Schmarotzerkrebsen unserer Süßwasserfische zeichnen sich durch größere Behendigkeit und durch häufigen Wohnungswechsel die Karpfenläuse aus. Der gemeine Argulus foliaceus hat einen scheibenförmigen Vorderkörper mit verkümmertem, zweilappigem Hinterleibe. Zwei große, zusammengesetzte Augen liegen in den Seiten des Kopfes. Hinter den Mundtheilen und Kieferfüßen folgen vier Paare lang gestreckter, gespaltener Schwimmfüße. Wie der Name besagt, hält sich Argulus foliaceus vorzugsweise auf unseren Karpfenarten auf, sehr häufig aber auch, wie Claus bemerkt, am Stichlinge, seltener am Hechte, Barsche und an der Lachsforelle. Ja, er wird auch an Kröten- und Froschlarven gefunden, und besonders sah ihn der genannte Beobachter den Axolotl gern heimsuchen. »Die Arguliden leben«, theilt Claus mit, »vornehmlich vom Plasma des Blutes, also der eigentlichen Blutflüssigkeit, zu dem sie sich sowohl mittels Stachels als vornehmlich durch die spitzen Mandibeln und Maxillen Zugang verschaffen. Schon die vortreffliche Entwickelung der Sinnesorgane und Schwimmfüße weist darauf hin, daß wir es nur mit stationären Parasiten1 zu thun haben, die gelegentlich der Begattung und Eierablage ihren Aufenthaltsort verlassen und frei umherirren. Auch die Einrichtung des Darmkanales mit seinen zahlreichen verästelten Blindschläuchen macht es wahrscheinlich, daß auf eine tüchtige Mahlzeit [57] eine längere Fastenzeit unbeschadet der Lebensenergie der Thiere folgen könne. In der That habe ich beobachtet, daß der wohlgenährte Argulus viele Tage, ja wochenlang von seinem Wirte getrennt ohne Nahrung zubringen kann und während dieser Zeit Häutungen besteht, dann aber wieder, an den Fischkörper angeheftet, die zahlreichen Anhänge seines Darmes mit Nahrungssaft füllt.« Da wir über die Fortpflanzungszeit der niederen Thiere meist noch sehr unvollständig unterrichtet sind, so nehmen wir gern auch die weiteren Beobachtungen von Claus über diesen Punkt der Caligiden entgegen. »Ueber die Zeit der Begattung und Fortpflanzung kann ich mittheilen, daß diese keineswegs auf das Frühjahr beschränkt ist, sondern daß noch mehrmalige Bruten im Sommer und Herbste aufeinander folgen. Ende April, Anfang Mai beobachtete ich die erste Laichablage, ohne jedoch damit beweisen zu wollen, daß nicht auch gelegentlich schon eine um eine oder mehrere Wochen frühere Eierablage vorkommt. Die Brut schlüpft etwa vier bis fünf Wochen nach Absatz des Laiches aus und mag etwa sechs bis sieben Wochen bis zur ersten Eierablage nöthig haben.


Fischläuse: a Caligus. b Lernanthropus. c Karpfenlaus (Argulus foliaceus). Alle 10mal vergrößert.
Fischläuse: a Caligus. b Lernanthropus. c Karpfenlaus (Argulus foliaceus). Alle 10mal vergrößert.

Also etwa gegen Mitte oder Ende Juli würde die junge Generation im Sommer Eier produciren, deren Abkömmlinge gegen Ende September Eier absetzen. Nun wird freilich diese periodenweise Abgrenzung der Bruten im Jahre dadurch gestört, daß das Argulus-Weibchen selbst keineswegs mit der einmaligen Eierablage erschöpft ist, sondern nach unbestimmten, von der Ernährung abhängigen Intervallen zum zweitenmal Eierreihen absetzt, ja wahrscheinlich zu einer mehrmaligen Brutproduktion befähigt ist. Sehr oft sah ich Argulus-Weibchen alsbald nach der Eierablage von neuem am Integument des Nährfisches sich anheften (die Eier werden an Steinen und anderen festen Gegenständen angeklebt) und im Verlaufe einiger Zeit den erschöpften Ei-Inhalt wieder ersetzen, das heißt eine Menge kleiner Eikeime zur Reife bringen. So kommt es denn, daß man vom Juli an bis Ende Oktober die Eierablage beobachtete. Auch die Männchen haben eine entsprechende Lebensenergie und vermögen während ihres auf Monate ausgedehnten Lebens eine Reihe von Weibchen zu befruchten, wie auch wohl die relativ viel beschränktere Zahl von Männchen mit dieser Fähigkeit im Zusammenhange steht.«

Fußnoten

1 Diejenigen Leser, welche sich mit dem Parasitenthume im gesammten Thierreiche und den verschiedenen Abstufungen des Schmarotzerwesens bekannt machen wollen, können wir auf das anziehend geschriebene Werk von P.J. van Beneden, »Die Schmarotzer des Thierreichs«, Leipzig 1876 (Internationale wissenschaftliche Bibliothek, XVIII. Band), verweisen. Der Verfasser widmet sein erstes Buch den Mitessern oder Tischgenossen, das heißt den Thieren, welche zu ihres Nächsten Tische Zutritt haben, um mit ihnen den Fang zu theilen. »Ein Mitesser lebt nicht auf Kosten seines Wirtes; alles, was er verlangt, ist eine Herberge oder der Ueberfluß jenes.«

Anders die Mutualisten, das heißt die Thiere, welche auf einander leben, ohne Schmarotzer oder Mitesser zu sein: mehrere von ihnen schleppen sich, andere leisten sich gegenseitig Dienste, andere beuten sich aus, andere wiederum verleihen sich Schutz, und endlich gibt es solche, welche durch Bande der Sympathie an einander gefesselt werden.

Die echten Schmarotzer endlich bezeichnet van Beneden als die Thiere, welche berufsmäßig auf Kosten ihrer Nachbarn leben, und deren ganzes Streben darin besteht, dieselben haushälterisch auszubeuten, ohne ihr Leben in Gefahr zu bringen.

Das »Thierleben« bringt für diese Abtheilungen und ihre verschiedenen Abstufungen zahlreiche Belege.


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 57-58.
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