2. Sippe: Calymene

[51] Unsere Abbildungen zeigen in Paradoxides eine der nicht zum Zusammenkugeln fähigen Formen, von der einige Arten die Länge von etwa funfzehn Centimeter erreichten. Calymene, mit einem hartschaligen Körper, rollte sich ein. Eine der vollständigsten Sammlungen der Trilobiten besitzt der ausgezeichnete Kenner derselben, Barrande in Prag.

Wir haben hier zum erstenmal einen Blick auf die Urwelt geworfen, auf die Ueberreste vergangenen Lebens. Nur dem Kurzsichtigen könnte es scheinen, als ob die Betrachtung des Todten der Schilderung des heutigen Lebens fremd bleiben müsse. Da aber alles, was heute sich als verwandt mit einander herausstellt, oder deshalb in diesem Verhältnisse steht, weil es gemeinsamen Ursprunges ist, so bleibt die Ordnung der gegenwärtigen Schöpfung, überhaupt das System ohne die Kenntnis der untergegangenen Vorfahren der heutigen Geschlechter unverständlich.


Calymene. Natürliche Größe.
Calymene. Natürliche Größe.

Mit Gestalt und Bau übertragen sich aber auch die Gewohnheiten, soweit die gesammte Organisation und die Lebensweise nicht durch veränderte äußere Verhältnisse neue Bahnen einzuschlagen, sich umzuändern und anzupassen veranlaßt wurde. Die geographische Verbreitung, die doch sicherlich der Schilderung des Lebens angehört, findet ihre Erklärung ausschließlich in den Zuständen der Urwelt, der Verschiebungen der Meere, Inseln und Festländer, an welchen die Thiere freiwillig oder unfreiwillig theilnahmen. Wir werden also künftig wiederholt den lohnenden Weg einschlagen, über Verwandtschaft und Eigenthümlichkeiten [51] der Mitglieder der gegenwärtigen Lebewelt die Aufschlüsse in ihren untergegangenen Vorfahren und deren Beziehungen zu ihren einstigen Umgebungen zu suchen. Nur so verstehen wir die Lebewelt als eine Einheit, nicht als eine bloße Zusammenraffung unverbundener Kuriositäten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 51-52.
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