Tafa (Phascologale penicillata)

[551] Mit der ersten dieser Gruppen mag uns die Tafa, wie die Eingeborenen das Thierchen nennen (Phascologale penicillata, Didelphys penicillata, Dasyurus penicillatus und Tafa), bekannt machen. In der Größe gleicht sie etwa unserem Eichhörnchen; ihre Leibeslänge beträgt 25 Centim. und die des Schwanzes 20 Centim. Der lange, weiche, wollige, nur leicht auf der Haut liegende Pelz ist auf der Oberseite grau, an den unteren Leibestheilen aber weiß oder gelblichweiß. Ein schwarzer Ring umgibt das Auge, ein heller Flecken liegt über ihm. Die Mitte der Stirn und des Scheitels dunkelt, und auch die übrigen Haare haben schwarze Spitzen; die Zehen sind weiß. Der Schwanz ist dem ersten Fünftheile seiner Länge mit glatt anliegenden, denen des Körpers ähnlichen Haaren bedeckt, während die übrigen vier Fünftheile mit langen, buschigen, dunklen Haaren bekleidet sind.

Die Tafa erscheint als ein kleines, schmuckes, harmloses Geschöpf, unfähig, irgend welchen Schaden zu bringen, und deshalb geeignet, ein Liebling des Menschen zu sein: aber kaum ein anderes Thier kann durch sein Wesen dem ersten Eindruck, welchen es macht, so widersprechen wie dieser Raubbeutler, eine der größten Plagen der Ansiedler, ein wildes, blutdürstiges und kühnes Raubthier, welches sich in dem Blute der von ihm getödteten Thiere förmlich berauscht und auf seinen Raubzügen bis in den innersten Theil der menschlichen Wohnungen einzudringen weiß. Ihre geringe Größe und der kleine Kopf befähigen sie, wie ein Wiesel durch die kleinste Oeffnung sich zu drängen, und gelangt sie wirklich in einen von Hausthieren bewohnten Raum, so wüthet sie hier in kaum zu glaubender Weise. Gegen das zudringliche Geschöpf schützt weder Wall noch Graben oder Umplankung. Es stiehlt sich durch den engsten Spalt, es klettert, springt über Mauer und Hage und findet so überall einen Zugang, sei es von unten oder von oben, von dieser oder jener Seite her. Zum Glück der Ansiedler fehlen ihr die Nagezähne unserer Ratte, und eine gute Thüre reicht aus, sie abzuhalten. Aber jedermann muß bedacht sein, Hühnerställe und Taubenschläge auf das sorgfältigste abzuschließen, wenn er sein Geflügel erhalten will. Hätte die Tafa die Größe eines Zebrawolfs, aber verhältnismäßig dieselbe Blutgier: sie würde ganze Gegenden entvölkern und unbedingt das fürchterlichste aller Raubtiere sein.

Die Ansiedler behaupten einstimmig, daß die unablässige Verfolgung, welcher die Tafa ebensowohl seitens der Weißen als der Eingeborenen ausgesetzt ist, nicht blos auf Rechnung ihrer Raubgier und ihres Blutdurstes zu setzen sei, sondern daß noch ein ganz anderer, besonderer Haß [551] gegen sie mitwirke. Eine angegriffene Tasa soll sich mit solcher Wuth vertheidigen und so schmerzhafte, ja sogar gefährliche Wunden beibringen, daß schon ihr bloßes Erscheinen die Rachsucht des Menschen heraufbeschwört. Das Thier ist berühmt wegen seiner Widerstandskraft, und nicht einmal der scharfsichtige und behende Eingeborne wagt es, in einen Kampf mit dem erbosten Geschöpfe sich einzulassen.

Die Nacht ist die gewöhnliche Zeit, in welcher die Tafa ihr Haus verläßt und nach Beute umherstreift. Dennoch sieht man sie auch oft genug im Lichte des Tages, scheinbar unbeirrt von der Helligkeit, herumlaufen. Ihre Beweglichkeit und Gewandtheit ist sehr groß und zeigt sich hauptsächlich in dem Gezweige der Bäume. Hier lebt sie mehr als auf der Erde und springt und huscht mit der Schnelligkeit und Gelenkigkeit eines Eichhörnchens von Zweig zu Zweig, von Krone zu Krone. Der lange Schwanz nützt dabei jedenfalls als treffliches Steuer oder als Vermittler des Gleichgewichtes.


Tafa (Phascologale penicillata). 1/2 natürl. Größe.
Tafa (Phascologale penicillata). 1/2 natürl. Größe.

Ihr Lager findet man gewöhnlich in hohlen Stämmen; hier ernährt sie auch ihre Jungen. Sie ist weit verbreitet über Australien und findet sich ebenso häufig in der Ebene wie in dem Gebirge, ganz im Gegensatze zu den meisten anderen australischen Thieren, welche gewöhnlich auf einen bestimmten Höhenkreis beschränkt sind.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 551-552.
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