Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus)

[609] Das Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus, O. fuscus, rufus, crispus und laevis, Platypus anatinus) ist der einzige bekannte Vertreter der zweiten Familie unserer Ordnung. Wir verdanken dem englischen Naturforscher Bennett die beste Schilderung dieses in der That »auffallenden« Geschöpfes, welches noch lange nach seiner Entdeckung Forscher und Laien in Erstaunen setzte. Gestalt und Lebensweise erschienen so seltsam, daß Bennett einzig und allein zu dem Zwecke nach Neuholland reiste, um dieses Thier kennen zu lernen. Bis dahin waren bloß unbestimmte Nachrichten zu uns gekommen. Man erfuhr eben nur, daß das Schnabelthier im Wasser lebe und von den Eingebornen eifrig gejagt werde, weil es einen schmackhaften Braten liefere. »Die Neuholländer«, so erzählt einer der ersten Berichterstatter, »sitzen mit kleinen Speeren bewaffnet am Ufer und lauern, bis ein solches Thier auftaucht. Ersehen sie dann eine Gelegenheit, so werfen sie den Spieß mit großer Geschicklichkeit nach ihrem Wildbret und fangen es ganz geschickt auf diese Weise. Oft sitzt ein Eingeborner eine volle Stunde auf der Lauer, ehe er den Versuch macht, ein Schnabelthier zu spießen; dann aber durchbohrt er immer mit sicherem Wurfe den Körper.«


Geripp des Schnabelthieres. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Schnabelthieres. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

[609] Nun entstanden allerlei Fabeln, welche zum Theile den Berichten der Eingebornen ihre Entstehung verdankten. Man sagte, daß das Schnabelthier Eier lege und diese nach Entenart ausbrüte, sprach von den giftigen Wirkungen des Sporns, welchen das Männchen am Hinterfuße trägt, wußte aber im übrigen so gut als nichts mitzutheilen: und so hatte jener englische Naturforscher Ursache genug, durch eigene Anschauung die Sache aufzuklären. Er reiste also zuerst im Jahre 1832 und dann noch einmal 1858 nach Australien, und theilte seine Erfahrungen zuerst in einer gelehrten englischen Zeitschrift und später (1860) in einem besondern Werke, seinen »Gatherings of a Naturalist«, sehr ausführlich mit. Seine Arbeit ist bis jetzt die einzige sichere Quelle über die Lebensweise des Schnabelthieres.

Das Schnabelthier trägt in seinem Vaterlande verschiedene Namen. Die Ansiedler nennen es Wassermaulwurf wegen seiner wenn auch nur geringen Aehnlichkeit mit dem europäischen Mull, die Ein gebornen je nach den verschiedenen Gegenden Mallangong, Tambriet, Tohumbuk und Mufflengong.

Sein Verbreitungskreis beschränkt sich, soviel man bis jetzt weiß, auf die Ostküste von Neuholland, und zwar die Flüsse und stehenden Gewässer von Neusüdwales und des innern Landes. Sehr häufig ist es bei Nepean, Newkaste, Campbell und Macquarrie, aber auch an dem Fishriver und dem Wollundilly, nicht selten in den Ebenen von Bathurst-Goulborn, am Yas, Morumbidgi usw.; im Norden, Süden und Westen Neuhollands dagegen scheint es zu fehlen.

Das Schnabelthier ist nicht größer als der Ameisenigel, durchschnittlich 50 Centim. lang, wovon 12 Centim. auf den Schwanz kommen. Die Männchen sind regelmäßig größer als die Weibchen. Der platt gedrückte Leib ähnelt in gewisser Beziehung dem des Bibers oder des Fischotters. Die Beine sind sehr kurz, alle Füße fünfzehig und mit Schwimmhäuten versehen. An den Vorderfüßen, welche die größte Muskelkraft besitzen und ebensowohl zum Schwimmen wie zum Graben dienen, erstreckt sich die Schwimmhaut etwas über die Krallen, ist dort sehr biegsam und dehnbar und schiebt sich, wenn das Thier gräbt, zurück. Alle Zehen sind sehr stark, stumpf und ganz zum Graben geeignet. Die beiden mittleren sind die längsten. Die kurzen Hinterfüße wenden sich nach rückwärts und erinnern an die des Seehundes, wirken auch hauptsächlich rückwärts und nach außen. Ihre erste Zehe ist sehr kurz; die Nägel sind alle rückwärts gekrümmt und länger und schärfer als die der Vorderfüße; die Schwimmhaut aber geht nur bis an die Zehenwurzel. Beim Männchen sitzt hier, etwas über den Zehen und nach innen gewendet, ein spitziger und beweglicher Sporn, welcher ziemlich weit gedreht werden kann. Der Schwanz ist platt, breit und am Ende, wo lange Haare den Auslauf bilden, plötzlich abgestutzt, bei älteren Thieren unten entweder ganz nackt oder doch nur von einigen wenigen groben Haaren bedeckt, bei jungen Thieren vollständig behaart, weil diese Haare wahrscheinlich erst im Verlaufe der Zeit abgeschliffen werden. Der Kopf ist ziemlich flach, klein und durch seinen breiten Entenschnabel so ausgezeichnet, daß er unter den Säugethieren einzig in seiner Art dasteht. Beide Kinnladen strecken sich und werden in ihrer ganzen Ausdehnung von einer hornigen Haut umgeben, welche sich noch nach hinten in einem eigenthümlichen Schilde fortsetzt; beide tragen vier Hornzähne, von denen der Ober- und Vorderzahn lang, schmal und scharf ist, während der Hinterzahn breit und flach, überhaupt wie ein [610] Backenzahn erscheint. Die Nasenlöcher liegen in der Oberfläche des Schnabels, nahe an seinem Ende, die kleinen Augen hoch im Kopfe, die verschließbaren Ohröffnungen nahe am äußern Augenwinkel. Jene Falte, welche vom Schnabel aus wie ein Schild über den Vorderkopf und die Kehle fällt, ist dem Thiere von großem Nutzen, weil sie beim Futtersuchen den Schlamm vom anstoßenden Pelze abhält und beim Graben in der Erde die Augen schützt. Die Zunge ist fleischig, aber mit hornigen Zähnen besetzt und hinten durch einen eigenthümlichen Knollen erhöht, welcher den Mund vollständig schließt. So wird der Schnabel zu einem vortrefflichen Seiher, welcher das Thier befähigt, das Wasser durchzuspüren, genießbares von dem ungenießbaren abzuscheiden und ersteres vor dem gemächlichen Durchkauen in den geräumigen Backentaschen aufzuspeichern, welche sich längs der Kopfseiten erstrecken. Der Pelz des Schnabelthieres besteht aus dichten, groben Grannen von dunkelbrauner Färbung mit silberweißer Schattirung; darunter liegt ein sehr weiches, dem des Seehundes und des Seeotters ähnliches Wollhaar von graulicher Färbung. An der Kehle, der Brust und dem untern Leibe sind Pelz und Haar viel feiner und seidenartiger. Der obere Pelz ist, namentlich an den äußeren Spitzen, verhältnismäßig hart; denn die Haare sind dort breit und lanzenförmig, bilden auch einen Winkel gegen die dünneren, der Haut zunächst stehenden.


Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus). 1/4 natürl. Größe. (Nach Wolf.)
Schnabelthier (Ornithorhynchus paradoxus). 1/4 natürl. Größe. (Nach Wolf.)

Die allgemeine Färbung der Grannenhaare ist roth oder schwarzbraun, auf der untern Seite rostgelblich, und an den Leibesseiten, dem Hinterbauche und dem Vorderhalse rost- oder rosenröthlich; ebenso sind ein kleiner Flecken unterhalb [611] des innern Augenwinkels und eine schmale Einfassung um das Ohr gefärbt. Das Schwarz der obern Seite zeigt bald hellere, bald tiefere Färbung, weshalb man gemeint hat, verschiedene Arten von Schnabelthieren annehmen zu dürfen. Die Füße sind braunroth; der Schnabel ist oben und hinten schmutzig grauschwarz, aber mit unzähligen lichteren Punkten bedeckt, vorn fleischfarben oder blaßroth, unten vorn weiß oder gefleckt, hinten wie der Oberschnabel röthlich. Auch die Querfalte der Haut nimmt an dieser Färbung theil. Junge Thiere unterscheiden sich von den alten durch das schöne, feine, silberweiße Haar an der untern Fläche des Schwanzes und dicht über den Füßen.

Ein eigenthümlicher Fischgeruch, wahrscheinlich von einer öligen Absonderung herrührend, strömt von dem Pelze aus, zumal wenn er naß ist. Die Australier essen trotz dieser widerlichen Ausdünstung das Fleisch des Thieres sehr gern; doch will dies zu seiner Empfehlung als Leckerbissen eben nicht viel sagen, da gedachten Menschen alles mundet, was nur eßbar ist: Schlangen, Ratten, Frösche ebensogut wie die schmackhaften Beutelthiere.

Am liebsten bewohnt das Schnabelthier ruhige Stellen der Flüsse, sogenannte Altwässer, in denen zahlreiche Wasserpflanzen stehen, und deren Ufer laubige Bäume beschatten. Hier legt es sich am Uferrande einen mehr oder weniger künstlichen Bau an. Die erste Höhle, welche Bennett sah, lag an einem steilen Ufer zwischen Gras und Kräutern, dicht am Flusse. Ein etwa sechs Meter langer, vielfach gewundener Gang mündete in einen geräumigeren Kessel, welcher wie der Gang mit trocknen Wasserpflanzen bestreut war. Gewöhnlich hat aber jeder Bau zwei Eingänge, einen unter dem Wasserspiegel, den andern etwa dreißig Centimeter darüber. Zuweilen kommt es vor, daß der Eingang bis anderthalb Meter vom Rande des Wassers entfernt ist. Die Röhre läuft von unten schief in die Höhe, so daß der Kessel selten dem Eindringen des Hochwassers ausgesetzt ist. Auch scheint sich das Thier hiernach zu richten und, je nachdem höherer oder seichterer Wasserstand, die Röhre von sechs bis zehn, ja sogar bis funfzehn Meter Länge auszudehnen.

Man sieht die Schnabelthiere zu jeder Zeit in den Flüssen Australiens, am häufigsten jedoch während des Frühlings und der Sommermonate, und es fragt sich, ob sie nicht vielleicht einen Winterschlaf halten. Sie sind eigentlich Dämmerungsthiere, obwohl sie auch während des Tages ihre Verstecke auf kurze Zeit verlassen, um ihrer Nahrung nachzugehen. Wenn das Wasser recht klar ist, kann man den Weg, welchen das bald tauchende, bald wieder auf der Oberfläche erscheinende Thier nimmt, mit den Augen verfolgen. An so durchsichtige Stellen kommt es aber nur höchst selten, gleichsam als ob es sich seiner Unsicherheit hier bewußt wäre, verläßt sie auch sobald als möglich wieder. Wenn man sich ruhig verhält, dauert es an günstigen Orten nicht lange, bis man an der Oberfläche des Wassers den kleinen, eigenthümlich gestalteten Kopf sieht; will man aber das Thier beobachten, so muß man ganz regungslos verweilen: denn nicht die geringste Bewegung entgeht seinem scharfen Auge, nicht das leiseste Geräusch seinem feinen Ohre; und wenn es einmal verscheucht worden ist, kommt es selten wieder. Hält man sich völlig ruhig, so kann man es lange vor sich herumpaddeln sehen. Selten bleibt es länger als eine oder zwei Minuten oben; dann taucht es und erscheint in einer kleinen Entfernung wieder. Wie Bennett an Gefangenen beobachtete, hält sich das Schnabelthier gern am Ufer, dicht über dem Schlamme, und gründelt hier zwischen den Wurzeln und untersten Blättern der Wassergewächse, welche den Hauptaufenthalt von Kerbthieren bilden. Es schwimmt vortrefflich, ebensowohl stromauf- als stromabwärts. Im erstern Falle muß es sich etwas anstrengen, im letztern läßt es sich behaglich von der Strömung treiben. Die Nahrung, welche es während seiner Weidegänge aufnimmt, hauptsächlich kleine Wasserkerbthiere und Weichthiere, wird zunächst in den Backentaschen aufbewahrt und dann bei größerer Ruhe verzehrt.

»An einem schönen Sommerabende«, so erzählt Bennett, »näherte ich mich einem kleinen Flusse in Australien, und da ich die Vorliebe des Schnabelthieres für die Dämmerung kannte, suchte ich mir zu dieser Zeit seinen Anblick zu verschaffen. Die Flinte in der Hand, blieben wir geduldig [612] am Ufer stehen. Es dauerte auch nicht lange, bis wir an der Oberfläche des Wassers, und zwar ziemlich nahe, einen schwarzen Körper sahen, dessen Spitze, der Kopf, sich nur wenig über den Spiegel des Wassers erhob. Wir blieben regungslos, um das Thier nicht zu verscheuchen, beobachteten erst und suchten dann soviel als möglich seinen Bewegungen zu folgen. Denn man muß sich schußfertig machen, wenn das Schnabelthier taucht, und in demselben Augenblicke, in welchem es wieder zum Vorscheine kommt, ihm die Ladung zuschicken. Nur ein Schuß in den Kopf hat seine Wirkung, weil die lose, dichte Bedeckung des Leibes den Hagel nicht so leicht durchdringen läßt. Ich habe gesehen, daß der Schädel von der Gewalt des Schusses zerschmettert war, während die ihn bedeckende Hülle kaum verletzt erschien. Für den ersten Tag lieferte unsere Jagd kein Ergebnis, und am nächsten Morgen, als der Fluß durch Regen angeschwollen war, sahen wir während des Vormittags nur ein einziges Schnabelthier, welches jedoch viel zu wachsam war, als daß wir mit Sicherheit einen Schuß hätten abfeuern können. Auf dem Heimwege nachmittags waren wir glücklicher. Wir verwundeten eins, welches, offenbar schwer getroffen, augenblicklich sank, jedoch bald wieder aufstieg; es tauchte trotz seiner Wunden immer und immer wieder, jedoch stets auf kürzere Zeit als gewöhnlich, und bemühte sich, das entgegengesetzte Ufer zu erreichen, wahrscheinlich weil es ihm schwer wurde, sich im Wasser frei zu bewegen, und es sich in seinen Bau retten wollte. Es schwamm schwerfällig und viel mehr über dem Wasser als sonst; doch bedurfte es immer noch zweier Ladungen aus unserer Flinte, ehe es ruhig auf dem Wasser liegen blieb. Als der Hund es uns brachte, fanden wir, daß es ein schönes Männchen war. Es hatte noch nicht ganz verendet, bewegte sich mit unter, machte jedoch kein Geräusch, ausgenommen, daß es oft durch die Nasenlöcher athmete. Wenige Minuten, nachdem es aus dem Wasser geholt worden war, lebte es wieder auf und lief augenblicklich, jedoch mit unsteter Bewegung, dem Flusse zu. Etwa fünfundzwanzig Minuten nachher stürzte es sich mehrmals kopfüber und starb. Da ich viel davon gehört hatte, wie gefährlich ein Stich mit seinen Sporen sei, selbst wenn das Thier tödtlich verwundet wäre, brachte ich beim ersten Ergreifen meine Hand dicht an den ›giftigen‹ Sporn. Bei seinen heftigen Anstrengungen zur Flucht kratzte mich das Thier ein wenig mit seinen Hinterpfoten und auch mit dem Sporn; so hart ich es aber auch anfühlte, es stach mich durchaus nicht absichtlich. Man sagte ferner, daß es sich auf den Rücken lege, wenn es diese Waffe gebrauchen wollte, was allerdings nicht wahrscheinlich ist, wenn man das Thier nur irgend kennt. Ich brachte es in diese Lage, aber es strebte bloß, ohne den Sporn zu gebrauchen, wieder auf die Beine zu kommen. Kurz, ich versuchte es auf alle mögliche Weise, aber stets vergebens, und ich halte mich daher überzeugt, daß der Sporn einen andern Zweck als den einer Waffe hat, umsomehr, als spätere Versuche bei verwundeten Thieren immer dasselbe Ergebnis lieferten. Die Eingebornen nennen zwar den Sporn ›naseweis‹, worunter sie im allgemeinen schädlich oder giftig verstehen; doch brauchen sie denselben Ausdruck von dem Kratzen mit den Hinterfüßen und fürchten sich gar nicht, das männliche Schnabelthier lebend zu fassen. Wenn das absonderliche Geschöpf auf dem Boden hinläuft, erscheint es dem Auge als etwas Uebernatürliches, und seine seltsame Gestalt erschreckt den Furchtsamen leicht. Katzen flüchten augenblicklich vor ihm, und selbst die Hunde, welche nicht besonders darauf abgerichtet sind, starren es mit gespitzten Ohren an und bellen, fürchten sich aber, es zu berühren.

Am Abend desselben Tages erlegten wir auch ein Weibchen. Es war in den Schnabel getroffen worden und starb fast augenblicklich; nur schnappte es ein wenig und bewegte die Hinterfüße krampfhaft. Man hatte uns versichert, daß alle Thiere, wenn der Schuß sie nicht augenblicklich tödtet, untertauchen und nicht wieder erscheinen; meine Beobachtungen bestätigen dies aber nicht. Freilich verschwinden sie, falls man sie fehlt, und tauchen auch unter, selbst wenn sie verwundet worden sind, erscheinen dann aber bald in geringer Entfernung an der Oberfläche, um Luft zu holen. Auch verwundet entgingen sie noch häufig dem Hunde, bald durch schnelles Tauchen, bald durch Verkriechen in die Binsen und das Schilf am Ufer. Oft bedurfte es zweier oder dreier Schüsse, um eins zu tödten oder auch nur um es so schwer zu verwunden, daß es herausgeholt werden konnte.«

[613] Besondere Mühe gab sich Bennett, um die Fortpflanzung des Schnabelthieres kennen zu lernen. Er ließ viele Baue aufgraben, in der Hoffnung eines trächtigen Weibchens oder einer Mutter mit säugenden Jungen habhaft zu werden. Dabei hatte er den Vortheil, mehrere Schnabelthiere in der Gefangenschaft zu beobachten. Die Meinungen der Eingebornen über die Fortpflanzung des Thieres sind getheilt. In der einen Gegend behauptet man, daß das Schnabelthier Eier lege, in der andern bezeichnet man es als lebendig gebärend. Bennett verschaffte sich mit großer Mühe mehrere Weibchen, ehe er hierüber ins Klare kam. Die Eingebornen waren gar nicht sehr bereit, ihn dabei zu unterstützen. »Ich ließ«, sagt er, »einen Bau aufgraben, trotz allen Abredens eines trägen Eingebornen, welcher mir versicherte, daß vom Weibchen noch ›keine Jungen gepurzelt‹ wären, und welcher gar nicht begreifen konnte, wie ich bei allem Ueberflusse an Rindern und Schafen doch Schnabelthiere zu haben wünsche. Der Eingang oder die Vorhalle des Baues war groß im Verhältnisse zur Breite des fernern Ganges; denn dieser wurde um so enger, je weiter wir vorrückten, bis er zuletzt der Stärke des Thieres entsprach. Wir verfolgten ihn bis auf drei Meter Tiefe. Plötzlich tauchte der Kopf eines Schnabelthieres aus dem Grunde hervor, just, als wenn es eben im Schlafe gestört worden, und herunter gekommen wäre, um zu sehen, was wir wünschten. Doch schien es der Ueberzeugung zu leben, daß unsere lärmende Arbeit nicht zu seinem Besten gemeint sei; denn es zog sich eiligst wieder zurück. Beim Umdrehen wurde es am Hinterfuße ergriffen und herausgezogen. Es schien sich darüber sehr zu beunruhigen und zu verwundern; wenigstens war es entschieden als eine Wirkung seiner Furcht anzusehen, daß es schleunigst, nicht eben zu unserem Vergnügen, seine sehr unangenehm riechende Ausleerung von sich gab. Das Thier ließ keinen Laut hören, versuchte auch keinen Angriff auf mich, kratzte aber mit den Hinterfüßen meine Hand ein wenig, indem es entrinnen wollte. Seine kleinen, hellen Augen glänzten; die Oeffnungen der Ohren erweiterten sich bald und zogen sich bald zusammen, als ob es jeden Laut hätte auffangen wollen, während sein Herz vor Furcht heftig klopfte. Nach einiger Zeit schien es sich in seine Lage zu ergeben, obwohl es mitunter doch noch zu entkommen suchte. Am Felle durfte ich es nicht fassen; denn dieses ist so lose, daß das Thier sich anfühlt, als ob es in einem dicken Pelzsacke stecke. Wir thaten unsern Gefangenen, ein erwachsenes Weibchen, in ein Faß voll Gras, Flußschlamm, Wasser usw. Es kratzte überall, um seinem Gefängnisse zu entkommen; da es aber alle Mühe vergebens fand, wurde es ruhig, kroch zusammen und schien bald zu schlafen. In der Nacht war es sehr unruhig und kratzte wiederum mit den Vorderpfoten, als ob es sich einen Gang graben wolle. Am Morgen fand ich es fest eingeschlafen, den Schwanz nach innen gekehrt, Kopf und Schnabel unter der Brust, den Körper zusammengerollt. Als ich seinen Schlummer störte, knurrte es ungefähr wie ein junger Hund, nur etwas sanfter und vielleicht wohllautender. Den Tag über blieb es meist ruhig, während der Nacht aber suchte es aufs neue zu entkommen und knurrte anhaltend. Alle Europäer in der Nachbarschaft, welche das Thier so oft todt gesehen hatten, waren erfreut, endlich einmal ein lebendiges beobachten zu können, und ich glaube, es war dies überhaupt das erstemal, daß ein Europäer ein Schnabelthier lebendig fing und den Bau durchforschte.

Als ich abreiste, steckte ich meinen ›Mallangong‹ in eine kleine Kiste mit Gras, und nahm ihn mit mir. Um ihn eine Erholung zu gewähren, weckte ich ihn nach einiger Zeit, band einen langen Strick an sein Hinterbein und setzte ihn an das Ufer. Er fand bald seinen Weg ins Wasser und schwamm stromaufwärts, offenbar entzückt von den Stellen, welche am dichtesten von Wasserpflanzen bedeckt waren. Nachdem sich das Thier satt getaucht hatte, kroch es auf das Ufer heraus, legte sich auf das Gras und gönnte sich die Wonne, sich zu kratzen und zu kämmen. Zu diesem Reinigungsverfahren benutzte es die Hinterpfoten wechselweise, ließ aber bald die angebundene Pfote, der Unbequemlichkeit halber, in Ruhe. Der biegsame Körper kam den Füßen auf halbem Wege entgegen. Diese Säuberung dauerte über eine Stunde; dann war das Thier aber auch glänzender und glatter als zuvor. Ich legte einmal die Hand auf einen Theil, den er gerade kratzte, und [614] fand, als nun seine Zehen über meine Hand glitten, daß es sehr sanft verfuhr. Als ich meinerseits versuchte, es zu kratzen, lief es eine kurze Strecke fort, nahm aber bald sein Reinigungsverfahren wieder auf. Endlich ließ es sich von mir sanft über den Rücken streicheln, wollte sich aber nicht gern angreifen lassen.

Einige Tage später ließ ich es wiederum ein Bad nehmen, diesmal in einem klaren Flusse, wo ich seine Bewegungen deutlich wahrnehmen konnte. Rasch tauchte es bis auf den Boden, blieb dort eine kurze Weile und stieg empor. Es schweifte am Ufer entlang, indem es sich von den Gefühlseindrücken seines Schnabels leiten ließ, welcher als ein sehr zartes Tastwerkzeug vielfach benutzt zu werden scheint. Es mußte sich ganz gut ernähren, denn so oft es den Schnabel aus dem Schlamme zurückzog, hatte es sicherlich etwas freßbares darin; weil die Freßwerkzeuge dann in der ihm beim Kauen eigenen Bewegung nach seitwärts gerichtet waren. Verschiedene Kerbthiere, welche dicht um das Thier herumflatterten, ließ es unbelästigt, entweder, weil es sie nicht sah, oder weil es die Speise vorzog, welche der Schlamm gewährte. Nach seiner Mahlzeit pflegte es manchmal auf dem rasigen Ufer, halb außer dem Wasser, sich niederzulegen oder sich rückwärts zu biegen, indem es seinen Pelz kämmte und reinigte. In sein Gefängnis kehrte es sehr ungern zurück, und diesmal wollte es sich durchaus nicht beruhigen. In der Nacht hörte ich ein Kratzen in seiner Kiste, welche in meinem Schlafzimmer stand, und siehe: am nächsten Morgen fand ich sie leer. Das Schnabelthier hatte glücklich eine Latte losgelöst und seine Flucht ausgeführt. So waren alle meine Hoffnungen fernerer Beobachtungen vereitelt.«

Auf einer neuen Reise gelang es Bennett, sich wieder ein Weibchen zu verschaffen, welches er noch genauer untersuchen konnte. Er fand, daß die Brustdrüsen kaum zu bemerken waren, obgleich das Thier in der linken Gebärmutter deutlich entwickelte Eier hatte, konnte aber wiederum nichts genaues entdecken. Einige Zeit später erhielt er nach langer Mühe ein anderes Weibchen, fand aber bei der Untersuchung, daß es eben geworfen hatte. Hier waren die Brustdrüsen sehr groß; doch ließ sich aus ihnen keine Milch mehr ausdrücken. Eine hervorragende Saugwarze war noch nicht zu bemerken, und selbst das Pelzwerk an der Stelle, wo die Drüsen sind, nicht mehr abgerieben als sonst wo anders. Endlich gelang es dem unermüdlichen Forscher, einen Bau mit drei Jungen zu entdecken, welche etwa 5 Centim. lang waren. Nirgends fand man etwas auf, was auf die Vermuthung hätte führen können, daß die Jungen aus Eiern gekommen, und die Eier von den Alten weggetragen worden wären. Man konnte nicht mehr im Zweifel sein, daß das Schnabelthier lebendige Jungen gebiert. Bennett glaubt nicht, daß die Eingebornen die Mutter jemals säugend gesehen, und entschuldigt sie deshalb wegen ihrer lügenhaften Erzählung hinsichtlich des Eierlegens. Sobald man im Baue zu graben anfängt, wird das Thier natürlich gestört und verläßt dann sein Nest, um nach dem Feinde zu sehen. »Als wir das Nest mit Jungen fanden«, sagt Bennett, »und sie auf den Boden setzten, liefen sie zwar umher, machten aber nicht so wilde Fluchtversuche wie die Alten. Die Eingebornen, denen der Mund nach diesen fetten jungen Thieren wässerte, sagten, daß dieselben bereits acht Monate alt wären, und fügten hinzu, daß die jungen Schnabelthiere von der Alten bloß im Anfange mit Milch, später mit Kerbthieren, kleinen Muscheln und Schlamm gefüttert würden.

In ihrem Gefängnisse nahmen die kleinen Thiere höchst verschiedene Stellungen beim Schlafen an. Das eine rollte sich zusammen wie ein Hund und deckte seinen Schnabel warm mit dem Schwanze zu, das andere lag auf dem Rücken mit ausgestreckten Pfoten, ein drittes auf der Seite, ein viertes im Knäuel wie ein Igel. Waren sie eine Lage überdrüssig, so legten sie sich anders zurecht; am liebsten aber rollten sie sich wie eine Kugel zusammen, indem sie die Vorderpfoten unter den Schnabel legten, den Kopf gegen den Schwanz hinabbeugten, die Hinterpfoten über die Freßwerkzeuge kreuzten und den Schwanz aufrichteten. Obschon mit einem dicken Pelze versehen, wollten sie doch warm gehalten sein. Ihr Fell ließen sie mich berühren, nicht aber den Schnabel, ein neuer Beweis, wie empfindlich er ist.

[615] Die Jungen konnte ich ruhig in der Stube umherlaufen lassen, ein Altes aber grub so unverdrossen an der Mauer, daß ich es einsperren mußte. Dann lag es den ganzen Tag über ruhig, erneuerte aber des Nachts stets seine Versuche, herauszukommen. Störte ich die Thiere im Schlafe, so erfolgte stets ein allgemeines Murren.

Meine kleine Schnabelthierfamilie lebte noch einige Zeit, und ich konnte so ihre Gewohnheiten beobachten. Oft schienen die Thierchen vom Schwimmen zu träumen; denn ihre Vorderpfoten waren häufig in der entsprechenden Bewegung. Setzte ich sie am Tage auf den Boden, so suchten sie ein dunkles Ruheplätzchen, und in diesem oder in ihrem Gefängnisse schliefen sie bald zusammengerollt ein, zogen jedoch ihren gewöhnlichen Ruheplatz jeder andern Stelle vor. Anderseits geschah es wieder, daß sie ein Bett, nachdem sie es tagelang inne gehabt, aus einem launischen Einfalle verließen, und hinter einer Kiste oder sonst an einer dunklen Stelle blieben. Schliefen sie recht fest, so konnte man sie betasten, ohne daß sie sich stören ließen.

Eines Abends kamen meine beiden kleinen Lieblinge gegen die Dämmerstunde hervor und fraßen wie gewöhnlich ihr Futter; dann aber begannen sie zu spielen, wie ein Paar junge Hunde, indem sie einander mit ihrem Schnabel angriffen, ihre Vorderpfoten erhoben, über einander wegkletterten usw. Fiel bei diesem Kampfe einer nieder, und man erwartete mit Bestimmtheit, daß er sich schleunigst erheben und den Kampf erneuern würde, so kam ihm wohl der Gedanke, ganz ruhig liegen zu bleiben und sich zu kratzen, und sein Mitkämpe sah dann ruhig zu und wartete, bis das Spiel wieder anfing. Beim Herumlaufen waren sie außerordentlich lebendig; ihre Aeuglein strahlten, und die Oeffnungen ihrer Ohren öffneten und schlossen sich ungemein schnell. Sie können, da ihre Augen sehr hoch im Kopfe stehen, nicht gut in gerader Linie vor sich sehen, stoßen daher an alles an und werfen häufig leichte Gegenstände um. Oft sah ich sie den Kopf erheben, als ob sie die Dinge um sich her betrachten wollten; mitunter ließen sie sich sogar mit mir ein: ich streichelte oder kratzte sie, und sie ihrerseits ließen sich diese Liebkosungen gern gefallen oder bissen spielend nach meinem Finger und benahmen sich überhaupt auch hierin ganz wie Hündchen. Wenn ihr Fell naß war, kämmten sie nicht nur, sondern putzten es ganz so, wie eine Ente ihre Federn. Es wurde dann auch immer viel schöner und glänzender. That ich sie in ein tiefes Gefäß voll Wasser, so suchten sie sehr bald wieder herauszukommen; war dagegen das Wasser seicht und ein Rasenstück in einer Ecke, so gefiel es ihnen ausnehmend. Sie wiederholten im Wasser ganz dieselben Spiele wie auf dem Fußboden, und wenn sie müde waren, legten sie sich auf den Rasen und kämmten sich. Nach der Reinigung pflegten sie im Zimmer ein Weilchen auf und ab zu gehen und sich dann zur Ruhe zu begeben. Selten blieben sie länger als zehn bis funfzehn Minuten im Wasser. Auch in der Nacht hörte ich sie manchmal knurren, und es schien, als wenn sie spielten oder sich balgten, aber am Morgen fand ich sie dann immer ruhig schlafend in ihrem Neste.

Anfangs war ich geneigt, sie als Nachtthiere zu betrachten; ich fand jedoch bald, daß ihr Leben sehr unregelmäßig ist, indem sie sowohl bei Tage als bei Nacht ihre Ruhestätte zu ganz verschiedenen Zeiten verließen; mit dem Dunkelwerden schienen sie jedoch lebendiger und lauflustiger zu werden. Nur zu dem sichern Schlusse konnte ich kommen, daß sie ebensogut Tag- wie Nachtthiere sind, obwohl sie den kühlen, düsteren Abend der Hitze und dem grellen Lichte des Mittags vorziehen. Es war nicht bloß mit den Jungen so, auch die Alten zeigten sich gleich unzuverlässig. Manchmal schliefen sie den ganzen Tag und wurden in der Nacht lebendig, manchmal war es umgekehrt. Oft schlief das eine, während das andere umherlief. Manchmal verließ das Männchen zuerst das Nest, und das Weibchen schlief fort; war jenes des Laufens und des Fressens satt, so rollte es sich wieder zum Schlafen zusammen, und dann kam die Reihe an das Weibchen; ein andermal jedoch kamen sie plötzlich zusammen hervor. Eines Abends, als beide umherliefen, stieß das Weibchen ein Quieken aus, als wenn es seinen Gefährten riefe, der irgendwo im Zimmer hinter einem Hausgeräth versteckt war. Er antwortete augenblicklich in ähnlichem Tone, und das Weibchen lief nach der Stelle, von welcher die Antwort kam.

[616] Höchst possirlich war es, die seltsamen Thiere gähnen und sich recken zu sehen. Sie streckten dabei die Vorderpfoten von sich und dehnten die Schwimmhäute soweit wie möglich aus. Obschon dies ganz natürlich war, sah es doch äußerst lächerlich aus, weil man nicht gewöhnt ist, eine Ente gähnen zu sehen. Oft wunderte ich mich, wie sie es nur anfangen möchten, auf einen Bücherschrank oder dergleichen hinauf zu kommen. Endlich sah ich, daß sie sich mit dem Rücken an die Mauer lehnten und die Füße gegen den Schrank stemmten, und so, dank ihren starken Rückenmuskeln und scharfen Nägel, äußerst schnell emporkletterten. Das Futter, welches ich ihnen gab, war Brod in Wasser geweicht, hart gekochtes Ei und sehr fein zerstückeltes Fleisch. Milch schienen sie dem Wasser nicht vorzuziehen.

Bald nach meiner Ankunft in Sidney wurden zu meinem großen Bedauern die Thierchen magerer, und ihr Fell verlor das schöne glänzende Aussehen. Sie fraßen wenig, liefen jedoch noch munter in der Stube umher; allein wenn sie naß wurden, verfitzte sich der Pelz und sie wurden nicht mehr so schnell trocken wie früher. Man sah ihnen das Unwohlsein überall an, und ihr Anblick konnte nur noch Mitleid erregen. Am 29. Januar starb das Weibchen, am 2. Februar das Männchen. Ich hatte sie nur ungefähr fünf Wochen am Leben erhalten.«

Aus den ferneren Beobachtungen, welche Bennett machte, erfahren wir, daß das Schnabelthier im Wasser nicht lange leben kann. Wenn man eins auch nur auf funfzehn Minuten in tiefes Wasser brachte, ohne daß es eine seichte Stelle finden konnte, war es beim Herausnehmen ganz erschöpft oder dem Tode nahe. Leute, welche ein lebendes Schnabelthier in ein halbvolles Faß Wasser gethan hatten, waren erstaunt, ihren Gefangenen nachher todt zu finden, und wenn das Faß bis zum Rande voll war, wunderten sie sich ebenso sehr, wenn sie sahen, daß es entkommen war, gerade als habe es ihnen beweisen wollen, daß die Ansicht falsch sei, welche sie zu Wasserbewohnern stempelt.

Der mißlungene Versuch Bennetts, das Schnabelthier lebendig nach Europa zu bringen, schreckte diesen ausgezeichneten Forscher nicht ab. Er ließ sich einen besondern Käfig bauen und reiste der Schnabelthiere wegen zum zweitenmale nach Australien. Aber auch diesmal sollten seine Bemühungen nicht mit dem erwünschten Erfolge gekrönt werden. Dagegen vervollständigte er seine Beobachtungen. So erfuhr er, daß die Hoden der Männchen vor der Paarungszeit wie bei den Vögeln anschwollen und so groß wie Taubeneier wurden, während sie früherhin nur wie kleine Erbsen gewesen waren. Bennett erhielt wieder mehrere lebendige Schnabelthiere. »Zwei Gefangene, welche mir am 28. December 1858 gebracht wurden«, sagt er, »waren so furchtsam, daß sie, um ein wenig Luft zu schnappen, nur die Schnabelspitze aus dem Wasser heraussteckten; dann tauchten beide schleunigst wieder unter und schienen ganz wohl zu wissen, daß sie beobachtet würden. Die längste Zeit, welche sie unter dem Wasser zubringen konnten, ohne aufzutauchen, war sieben Minuten funfzehn Sekunden. Als wir sie von weitem beobachteten, kroch das eine aus dem Wasserfasse und versuchte zu entkommen. Dies beweist, daß die Schnabelthiere entweder durchs Gesicht ober durchs Gehör bemerkt haben mußten, wo man sie beobachtete; denn so lange wir dabei standen, versuchten sie nie zu entkommen und erschienen überhaupt selten an der Oberfläche. Nach und nach wurden sie, wie die meisten australischen Thiere, zahmer, zeigten sich auf dem Wasser und ließen sich sogar berühren. Das Weibchen pflegte seine Nahrung zu verzehren, indem es auf dem Wasser schwamm. Es war viel zahmer als das Männchen, welches lieber auf dem Grunde blieb.

Vom 29. bis 31. December waren meine Schnabelthiere sehr wohl und munter. Morgens und abends setzte ich sie eine oder zwei Stunden ins Wasser, in welches ich etwas fein zerstückeltes Fleisch warf, um sie wo möglich an ein Futter zu gewöhnen, mit dessen Hülfe man sie lebendig nach Europa hätte schicken können. Ihr Benehmen stimmte mit allen früheren Beobachtungen überein. Kam ihren empfindlichen Nasenlöchern etwa Staub zu nahe, so war ein Sprudeln zu bemerken, als ob sie ihn wegtreiben wollten. Gelang ihnen dies nicht, so wuschen sie den Schnabel ab. [617] Wenn ich das Männchen bei Nacht störte, pflegte es wie gewöhnlich zu knurren, und nachher ein eigenthümliches schrillendes Pfeifen auszustoßen, wohl einen Ruf für seinen Gefährten. Bereits am 2. Januar starb das Weibchen, während das Männchen noch bis zum 4. lebte. Ich hatte einen Käfig mit einem geeigneten Wassergefäße hergestellt, in dem es den Thieren ganz wohl zu behagen schien. Aber am Morgen des 5. Januars fand ich das Männchen todt auf dem Grunde des Wassers, von wo aus es, wahrscheinlich Schwäche halber, sein Nest nicht wieder hatte erreichen können. Der Mann, welcher mir die Thiere gebracht hatte, versicherte, er hätte zwei von ihnen vierzehn Tage lang mit Flußschalthieren gefüttert, die er zerbrochen in das Wasser geworfen hatte, und der Tod der beiden Thiere sei durch einen Zufall herbeigeführt worden. Ich selbst habe ein sehr junges Thier gesehen, welches, mit Würmern gefüttert, drei Wochen lang erhalten worden war.

Kurz vor ihrem Tode vernachlässigten meine beiden Gefangenen die sonst gewöhnliche Sorgfalt im Reinigen und Abtrocknen, und das unbehagliche Kältegefühl, welches so entstanden war, mag wohl ihren Tod beschleunigt haben; wenigstens war der Körper, besonders der des Männchens, nicht so abgemagert, daß man ihr Absterben der Schwäche hätte zuschreiben können. In den Eingeweiden und Backentaschen fand ich weder Sand noch Futter, nur schmutziges Wasser.«

In den mitgetheilten Beobachtungen Bennetts ist alles gesagt worden, was wir gegenwärtig über das Schnabelthier wissen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 1.
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Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

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