Weißkopfaffe (Pithecia leucocephala)

[210] Eine zweite Art der Sippe, der Weißkopfaffe (Pithecia leucocephala, Simia pithecia, Pithecia nocturna, adusta, rufiventer usw.), ändert nach Alter und Geschlecht vielfach ab und hat deshalb viele Benennungen erhalten. Alte Männchen sind am ganzen Körper schwarz, [210] nur an den Vorderarmen etwas lichter gefärbt; den Vorderkopf bis zu den Augenbrauen bekleiden kurze, helle Haare, welche in der Mitte der Stirn die schwarze Haut frei lassen und an den Wangen sich bartartig verlängern. Zuweilen sehen sie auch ockerfarben und da, wo sie das Gesicht einfassen, rostroth aus. Das schwarze Gesicht ist mit weißen oder rostfarbigen Haaren besetzt. Ohren, Sohlen, Finger und Nägel sind schwarz. Bei den Weibchen sind die Haare an der Ober- und Außenseite braunschwarz mit gelber Spitze, an der Unterseite licht roströthlich, die des Backenbartes am Grunde schwarz. Die Jungen ähneln den Weibchen. Im allgemeinen ist der Pelz lang, straff und grob und nur an der Unterseite und den Händen dünn und spärlich. Ein lichter Haarkranz faßt das Gesicht ein und bildet einen Backenbart.


Weißkopfaffe (Pithecia leucocephala). 1/6 natürl. Größe.
Weißkopfaffe (Pithecia leucocephala). 1/6 natürl. Größe.

Der weißköpfige Schweifaffe oder Saki lebt in den Ländern des Amazonenstromes und in Guiana, mehr in Büschen als auf hohen Waldbäumen, hält sich in Gesellschaften von sechs bis zehn Stücken zusammen und scheint ein ziemlich träges Geschöpf zu sein. Seine Nahrung soll, wie Laborde berichtet, aus Beeren, Früchten und Honigwaben bestehen. Die Weibchen bringen ein Junges zur Welt und tragen dieses lange Zeit auf dem Rücken. Genaueres ist mir nicht bekannt.

Der Satansaffe lebt in einem sehr untergeordneten Verhältnisse zu den Rollaffen, welche ihn nicht selten zwingen, von den Bäumen herabzusteigen und in das Gebüsch sich zurückziehen, wo sie ihn seiner erbeuteten Nahrung berauben, ja sogar ihn mißhandeln. Seines langen Bartes wegen soll er das Wasser, welches er zu sich nimmt, mit der hohlen Hand zum Munde bringen und nur wenn er sich beobachtet sieht, auf gewöhnliche Weise trinken.

Tschudi bemerkte dies nicht, versichert vielmehr, daß er das Wasser wie andere Affen auch zu sich nimmt, indem er auf die Füße sich niederläßt und das Maul ins Wasser steckt. Unser Forscher gab seinen Gefangenen oft einen Krug mit engem Halse, so daß sie den Kopf nicht hineinstecken konnten; aber auch dann bedienten sie sich nicht der hohlen Hand, sondern machten es geradeso wie ihre Verwandten, indem sie den halben Arm in das Gefäß steckten und das Wasser von der Hand und von dem Arme ableckten. Nach Humboldts Beobachtungen ist der Satansaffe [211] wild und in hohem Grade reizbar. Deshalb läßt er schwer sich zähmen und bleibt in der Gefangenschaft immer böse. Seinen Unwillen zeigt er bei der geringsten Veranlassung durch Zähnefletschen, Gesichtverzerrungen und das lebhafte Funkeln seiner Augen. Wenn er wirklich gereizt wird, stellt er sich aufrecht, reibt das Ende seines Bartes und springt wild um den Gegenstand seines Zornes herum. Bisweilen wird er so wüthend, daß er sich z.B. in einem ihm vorgehaltenen Stocke verbeißt und sich denselben kaum entreißen läßt.

Von diesen Affen gelangt nur ausnahmsweise eine oder die andere Art lebend nach Europa, am ehesten noch nach London, dessen überaus reicher Thiergarten von den über alle Welt zerstreueten Engländern besser versorgt wird als jeder andere. Ende der sechsziger Jahre lebten in Regents-Park mehrere Satansaffen und ein Weißkopfaffe – wie lange, vermag ich nicht zu sagen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCX210-CCXII212.
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