Zottelaffe (Pithecia hirsuta)

[212] Ganz im Gegensatze hierzu und vollkommen im Einklange mit früheren Angaben von Spix, schildert Bates einen Verwandten, den Zottelaffen, woraus hervorgeht, daß wenigstens nicht alle Arten dem von Humboldt gezeichneten Bilde entsprechen. Der Zottelaffe oder Parauacu (Pithecia hirsuta, Simia, Yarkea hirsuta) erreicht eine Gesammtlänge von etwa 1 Meter, wovon beinah die Hälfte auf den sehr entwickelten Schwanz gerechnet werden muß, und ist mit ziemlich dicken, bis 12 Centim. langen, an der Spitze nach vorn gebogenen Haaren bekleidet, welche über die wie kurz geschoren erscheinende Stirn herabhängen, das Gesicht theilweise bedeckend, und den übrigen Leib bärenfellartig bekleiden.


Zottelaffe (Pithecia hirsuta). 1/8 natürl. Größe. (Nach Wolf.)
Zottelaffe (Pithecia hirsuta). 1/8 natürl. Größe. (Nach Wolf.)

Das schwarze, mit Grau gesprenkelte Haar geht am Kopfe in Rußbraun, auf der Brust in Röthlichschwarz, an der Innenseite der Schenkel in Röthlichweiß über; der kurze borstige Backenbart sieht schmutziggrau aus, bei [212] manchen Stücken noch lichter erscheinend. Die Hand- und Fußsohlen haben gelbbraune, das Gesicht, so weit es nackt, schwarze Färbung.

Spix entdeckte den Zottelaffen in den Waldungen Brasiliens, zwischen den Flüssen Solimonas und Negro, und berichtet, daß er morgens und abends aus den Wäldern hervorkomme, zu zahlreichen Trupps sich versammele und die Luft dann mit seinem durchdringenden Geschrei erfülle. Aeußerst vorsichtig und flink, flieht ein solcher Trupp beim geringsten Geräusch eiligst in das Innere der Waldungen, und der Jäger erlangt deshalb nur selten einen von ihnen. Einmal gezähmt, zeigt er sich sehr anhänglich gegen seinen Gebieter. Bates vervollständigt letztere Angaben. »Auch dieser Affe«, sagt er, »ist ein sehr zartes Thier, welches selten mehrere Wochen in der Gefangenschaft aushält; gelingt es aber, ihn am Leben zu erhalten, so gewinnt man in ihm ein überaus anhängliches Geschöpf. Mein Nachbar in Ega, ein französischer Schneider, besaß einen Zottelaffen, welcher bereits nach wenigen Wochen so zahm geworden war, daß er seinem Gebieter wie ein Hund nicht allein im Hause, sondern auch auf der Straße folgte. Während mein Bekannter arbeitete, nahm der Affe seinen Platz auf Jenes Schulter ein; gegen Fremde, ja sogar gegen andere Hausbewohner dagegen verhielt er sich abwehrend. Niemals sah ich einen Affen, welcher so große Anhänglichkeit an seinen Gebieter bekundet hätte als dieses anmuthige, ängstliche, schweigsame kleine Geschöpf. Der lebhafte und leidenschaftliche Kapuzineraffe scheint freilich unter allen amerikanischen Affen, was Verstand und Gelehrigkeit anlangt, obenan zu stehen, und der Klammeraffe hat vielleicht die liebenswürdigste und empfänglichste Sinnesart; der Parauacu aber, obschon er ein trübsinniges und freudloses Thier ist, übertrifft alle in der Hingebung an ein menschliches Wesen. Daß es ihm übrigens keineswegs an Verstand und Herzensgüte fehlt, davon gab unser Liebling eines Tages genügende Beweise. Mein Nachbar hatte sein Haus am Morgen verlassen, ohne, wie er sonst zu thun pflegte, den Zottelaffen mitzunehmen, dieser ihn schmerzlich vermißt und wie es scheint geschlossen, daß er seinen Gebieter wohl bei mir finden werde, da beide, der Affe und sein Herr mir täglich ihren Besuch abzustatten pflegten. Ohne den Umweg über die Straße zu nehmen, machte das kleine Geschöpf sich auf, durcheilte auf kürzestem Wege Gärten, Gebüsche und Dickichte und erschien in meiner Behausung. Niemals vorher hatte er diesen Weg, von welchem wir durch einen den Affen beobachtenden Nachbar Kunde erhielten, vorher zurückgelegt. Als er, bei mir angelangt, den Gebieter auch nicht fand, setzte er sich mit dem unverkennbarsten Ausdrucke der Enttäuschung und Entsagung auf meinem Tische nieder und wartete geduldig auf seinen Herrn. Kurze Zeit darauf trat dieser wirklich ein, und einen Augenblick später saß der aufs höchste erfreute Liebling auf seinem gewöhnlichen Platze, der Schulter.«


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCXII212-CCXIII213.
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