Einzige Sippe: Rollaffen (Cebus)

[198] Während die drei ersten Gruppen der neuweltlichen Affen bis heutigen Tages noch zu den Seltenheiten in Thiergärten gehören, sieht man diesen oder jenen Vertreter der einzigen Sippe dieser Unterfamilie, einen Rollaffen (Cebus), fast in jeder Thierschaubude. Genannte Affen unterscheiden sich von den bisher genannten zunächst durch ihren einhelligeren Leibesbau. Der Scheitel ist rundlich; die Arme sind nur mittellang, die Hände überall fünffingerig. Ein mehr oder minder entwickelter Bart ziert das Gesicht; im übrigen ist der Pelz dicht und kurz.

Man kann die Rollaffen als die Meerkatzen Amerika's bezeichnen. Mit jener lustigen Gesellschaft haben sie große Aehnlichkeit, wenn auch mehr in ihrem Betragen als in ihrer Gestalt. Sie sind echte Affen, d.h. lebhafte, gelehrige, muthwillige, neugierige und launenhafte Thiere. Gerade deshalb werden sie von den Menschen viel häufiger gezähmt als alle übrigen, kommen demnach auch häufig zu uns herüber. Ihrer weinerlichen, sanften Stimme verdanken sie den Namen Winselaffen, welchen sie ebenfalls führen. Diese Stimme hört man aber nur, so lange sie bei guter Laune sind. Bei der geringsten Erregung schreien und kreischen sie abscheulich. Sie leben ausschließlich auf Bäumen und sind hier ebenso daheim wie ihre überseeischen Vettern auf den Mimosen und Tamarinden. Schon in der Vorwelt in Brasilien heimisch, bewohnen sie noch gegenwärtig und zwar in bedeutender Anzahl alle größeren Waldungen des eigentlichen Südens. Man findet sie in ziemlich zahlreichen Gesellschaften und häufig untermischt mit anderen ihnen verwandten Arten. Ihre Geselligkeit ist so groß, daß sie sich gern mit allen ihnen nahestehenden Affen, denen sie zufällig begegnen, verbinden, um dann gemeinschaftlich umherzuschweifen. [198] Manche Naturforscher glauben deshalb die verschiedenen Abänderungen mehr oder weniger als Blendlinge ansehen zu dürfen. »Keine Affensippe«, sagt Schomburgk,»zeigt in Bezug auf Größe, Farbe und Haarwuchs mehr Abänderung als die Rollaffen, und eben deshalb sind eine Menge von Arten aufgestellt worden, welche weiter nichts als Abänderungen sind, die aus einer Vermischung des Kapuziners und des Apella entstanden. Ich bin fast nie einer Herde der ersteren begegnet, unter welcher sich nicht einige Apellas befunden hätten. Aus diesem fortwährenden Zusammenleben beider Arten scheint auch die Vermischung derselben herzurühren, und aus dieser Vermischung entstand eine solche Menge von Verschiedenheiten in Bezug auf Behaarung und Färbung, daß die Thierkundigen in Verlegenheit gesetzt wurden.« Diese Ansicht Schomburgks entbehrt höchst wahrscheinlich der Begründung. Seitdem wir regelmäßig und in erheblicher Anzahl lebende Rollaffen erhalten und beobachten können, wissen wir, daß die sogenannten Spielarten ständige Formen sind, welche wir selbst nach dem heutzutage üblichen Begriff als Arten auffassen dürfen.

In der Gefangenschaft zeigen die Rollaffen fast alle Eigenschaften der Meerkatzen und manche andere noch dazu. Ungeachtet ihrer selbst unter Affen ungewöhnlichen Unreinlichkeit sind sie Lieblinge der Indianer, weshalb man sie auch am häufigsten gezähmt bei ihnen findet. So lassen sie sich z.B. den Harn in die Hände laufen und waschen diese sich an dem Leibe ab. Wie die Paviane lieben sie betäubende oder berauschende Genüsse. »Wird ein gezähmter Rollaffe«, sagt Schomburgk, »mit Tabaksrauch angeblasen oder ihm etwas Schnupftabak vorgehalten, so reibt er sich den ganzen Körper unter wahrhaft wollüstigen Verzuckungen und schließt die Augen. Der Speichel läuft ihm dabei aus dem Munde; er fängt ihn aber mit den Händen auf und reibt ihn dann über den ganzen Leib. Manchmal ist der Speichelfluß so stark, daß der Affe zuletzt wie gebadet aussieht; dann zeigt er sich ziemlich erschöpft. Dasselbe Entzücken ruft auch eine angerauchte Cigarre hervor, welche man ihm gibt, und es scheint mir also, daß der Tabaksrauch in ihm ein ziemlich wollüstiges Gefühl erregt. Thee, Kaffee, Branntwein und andere erregende Getränke bringen fast dieselben Erscheinungen hervor.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CXCVIII198-CXCIX199.
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