Bunder (Macacus Rhesus)

[133] Der Bunder (Macacus Rhesus) erreicht eine Länge von 50 bis 65 Centim.; sein Schwanz mißt etwa 20 Centim. Er ist von kräftigem untersetztem Bau, am Oberleibe reichhaltig, am Unterleibe spärlich behaart. Seine sehr schlaffe Haut bildet an dem Halse, der Brust und dem Bauche wammenartige Falten. Die Färbung des Pelzes ist oben grünlich oder fahlgrau, an den Schenkeln und dem Gesäße mit hellgelblichem oder röthlichem Anfluge, an der Unterseite weiß, die des Schwanzes oben grünlich, unten graulich. Gesicht, Ohren und Hände sind licht kupferfarben, die Gesäßschwielen lebhaft roth gefärbt. Das Weibchen trägt seinen Schwanz gewöhnlich hängend, das Männchen bogig ab- und einwärts gekrümmt. – Ausdrücklich bemerken will ich, daß mit dem Bunder regelmäßig ein naher Verwandter, der Rothsteißaffe (Macacus erythraeus, Simia erythraea), verwechselt wird, obgleich dieser durch viel bedeutendere Größe, schlankeren Bau und fast doppelt so lange Arme und Beine auf den ersten Blick von jenem sich unterscheidet. Da der Rothsteißaffe ebenfalls aus Indien stammt und wie in der Färbung so auch in Sitten und Gewohnheiten dem Bunder ähnelt, läßt sich zur Zeit nicht entscheiden, auf welche Art von beiden sich die Lebensschilderungen beziehen und welcher der Heiligenschein gebührt.

Unser Affe verbreitet sich über einen großen Theil des festländischen Indiens. In namhafter Anzahl bevölkert er die Waldungen am Ufer des Ganges, kommt jedoch auch im Himalaya vor, wenigstens in den tiefen warmen Thälern dieses Gebirges. R. von Schlagintweit bemerkte in einem seiner Vorträge, daß gewisse Affenarten gegen den Winter hin von der Höhe des Gebirges nach der Tiefe herabwandern, war aber auf Befragen nicht im Stande, mir die betreffende Art anzugeben. Möglich, daß er den Bunder im Sinne gehabt hat. »Ich sah diese Affen«, berichtet Hutton, »wiederholt im Februar, obgleich der Schnee nahe bei Simla zehn bis fünfzehn Centimeter[133] hoch lag, zur Nachtzeit auf den Bäumen schlafen, augenscheinlich ohne alle Rücksicht auf die Kälte. Der Winter scheint sie wenig zu behelligen; ja es kam mir sogar vor, als ob sie im Winter häufiger in der Gegend Simla's vorkämen als bei heißem Wetter. Zuweilen bemerkte ich sie springend und spielend unter den Nadelbäumen, deren Aeste mit Schneelasten bedeckt waren; ich sah sie noch bis zu 3000 Meter über dem Meere, selbst im Herbste, als in jeder Nacht harte Fröste fielen. Doch wird aus verschiedenen Oertlichkeiten, in welchen der Bunder vorkommt, gemeldet, daß er sich beim Herannahen des Winters in die Ebene zurückziehe. In Bengalen bewohnt er dichte Bambusgebüsche, mit besonderer Vorliebe diejenigen, welche die Ränder schmaler Wässerchen umsäumen. Denn auch er liebt das Wasser im hohen Grade, schwimmt vorzüglich und besinnt sich, verfolgt, keinen Augenblick, sich ins Wasser zu stürzen, tauchend eine Strecke unter demselben wegzuschwimmen, und dann an irgend einer anderen Stelle zu landen.«

Unter den Makaken ist der Bunder dasselbe, was der Hussarenaffe unter den Meerkatzen: ein im höchsten Grade erregter, wüthender, jähzorniger und mürrischer Gesell, ein Affe, welcher sich selten und eigentlich nur in der Jugend an seinen Wärter anschließt und mit seinen Mitaffen in ebenso entschiedener Feindschaft lebt als mit den Menschen. Möglicherweise, daß sich gerade in diesen unangenehmen Eigenschaften die Verehrung begründet, welche er in seiner Heimat genießt. In Wuth gebracht, zerbricht und zerreißt er alles, was man in die Nähe seines Käfigs bringt, geht auch furchtlos auf den Menschen los und bedient sich seiner mächtigen Zähne mit großer Fertigkeit und dem entschiedensten Nachdrucke. Immer schlecht gelaunt, wie er zu sein scheint, ärgert er sich über alles, was um ihn her vorgeht, und schon ein scheler Blick bringt ihn außer sich. Dann verzerrt sich sein sonst nicht gerade häßliches Gesicht zur abscheulichsten Fratze, die Augen funkeln, und er nimmt eine lauernde Stellung an wie ein Raubthier, welches im Begriffe steht, sich auf seine Beute zu stürzen. Einzelne Stücke geberden sich ganz nach Art der Paviane, indem sie das Maul weit aufreißen, die Lippen umstülpen, das Gebiß zusammenklappen, die Zähne an einander wetzen, sodann die Backen voll Luft blasen und anderweitige Fratzen schneiden, von denen jede einzelne verständlich genug ist. Andere Affen, welche mit ihm in einem und demselben Käfige leben, tyrannisirt er in der abscheulichsten Weise; denn er ist ebenso neidisch und selbstsüchtig als heftig und wird zornig, wenn er einen anderen Affen fressen sieht. In seiner gemüthlichsten Stimmung nimmt er die unter Affen übliche Huldigung mit einer gewissen Würde entgegen, gestattet, daß ihm der Pelz durchsucht und gereinigt wird, läßt sich vielleicht selbst herab, einem anderen gleiche Liebesdienste zu erweisen; doch hält eine so sanfte Stimmung selten längere Zeit an, schlägt vielmehr meist urplötzlich in das Gegentheil um, und der eben noch geduldete oder sogar bediente Mitaffe hat dann die volle Leidenschaftlichkeit des Heiligen zu erfahren. Demungeachtet läßt sich auch der Bunder zähmen und zu den verschiedensten Kunstfertigkeiten abrichten. Bei Affenführern und im Affentheater ist er sehr beliebt, weil sein mäßig langer, biegsamer Schwanz in der Kleidung mühelos sich unterbringen läßt, er auch leicht lernt und »gern arbeitet«. Ich habe gerade unter diesen Affen »große Künstler« kennen gelernt.

Bei geeigneter Pflege pflanzt sich der Bunder in der Gefangenschaft fort, und zwar geschieht dies ziemlich regelmäßig. Ueber das Betragen einer Mutter und ihres im Käfige geborenen Kindes liegen treffliche Beobachtungen Cuviers vor, denen ich Folgendes entnehmen will:

»Unmittelbar nach der Geburt klammerte der junge Bunder sich an dem Bauche seiner Mutter fest, indem er sich mit den vier Händen an ihrem Pelze festhielt und mit dem Munde die Saugwarze erfaßte. Vierzehn Tage lang ließ er die Brüste seiner Mutter nicht frei. Er blieb während der ganzen Zeit in unveränderter Stellung, immer zum Saugen bereit und schlafend, wenn die Alte sich niedersetzte, aber auch im Schlafe sich festhaltend. Die eine Saugwarze verließ er nur, wenn er die andere ergreifen wollte, und so gingen ihm die ersten Tage seines Lebens vorüber, ohne daß er irgend eine andere Bewegung gemacht hatte als die der Lippen, um zu saugen, und die der Augen, um zu sehen. Er wurde, wie alle Affen, mit offenen Augen geboren, und es schien, [134] daß er vom ersten Augenblicke an seine Umgebung zu unterscheiden vermöge; denn er folgte allen um ihn vorgehenden Bewegungen mit seinen Augen.

»Es läßt sich kaum beschreiben, wie groß die Sorgfalt der Mutter war für alles, was das Saugen und die Sicherheit ihres Neugeborenen betraf. Sie zeigte sich stets verständig und so umsichtig, daß man sie bewundern lernte. Das geringste Geräusch, die leiseste Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit und zugleich auch eine ängstliche Sorgfalt für ihr Junges, nicht für sich selbst; denn sie war an die Menschen gewöhnt und ganz zahm geworden. Alle ihre Bewegungen geschahen mit größter Gewandtheit, doch niemals so, daß der Säugling dabei hätte Schaden leiden können. Das Gewicht ihres Jungen schien keine ihrer Bewegungen zu hindern, und es war auch kein Unterschied in der Gewandtheit oder in dem Ungestüme derselben zu bemerken. Wohl aber sah man deutlich, daß die Alte sich doppelt in Acht nahm, um nicht irgendwo mit ihrem Kinde anzustoßen. Etwa nach vierzehn Tagen begann dieses sich von seiner Mutter loszumachen und zeigte gleich in seinen ersten Schritten eine Gewandtheit und eine Stärke, welche Alle in Erstaunen setzen mußte, weil beidem doch weder Uebung noch Erfahrung zu Grunde liegen konnte. Der junge Bunder klammerte sich gleich anfangs an die senkrechten Eisenstangen seines Käfigs und kletterte an ihnen nach Laune auf und nieder, machte wohl auch einige Schritte auf dem Stroh, sprang freiwillig von der Höhe seines Käfigs auf seine vier Hände herab und dann wieder gegen die Gitter, an denen er sich mit einer Behendigkeit und Sicherheit anklammerte, welche dem erfahrendsten Affen Ehre gemacht hätte. Die Mutter verfolgte jede Bewegung ihres Kindes mit der größten Aufmerksamkeit und schien immer bereit, einen etwaigen Schaden ihres Lieblings zu verhindern. Später versuchte sie, sich von Zeit zu Zeit der Bürde zu entledigen, blieb aber stets gleich besorgt um ihr Kind, und wenn sie nur die mindeste Gefahr zu befürchten glaubte, nahm sie es sogleich wieder zu sich. Auch die leichteste Berührung desselben mit ihrer Hand war dem folgsamen Zöglinge ein Befehl zur Rückkehr, und er nahm dann augenblicklich die gewohnte Lage an der Brust der Mutter wieder ein. Die Sprünge und Spiele des kleinen Thieres wurden im gleichen Verhältnisse ausführlicher, als die Kräfte desselben zunahmen. Ich habe seine lustigen Uebungen oft lange mit dem größten Vergnügen beobachtet und kann bezeugen, daß ich es nie eine falsche Bewegung thun, irriges Maß nehmen oder nicht vollkommen genau den Punkt, welchen es beabsichtigt hatte, erreichen sah. Der kleine Affe gab mir den unzweideutigen Beweis, daß er schon von allem Anfange an Entfernungen beurtheilen und den für jeden seiner Sprünge erforderlichen Grad von Kraft zu bestimmen vermochte. Er kannte seine natürlichen Bewegungen vom ersten Augenblicke an und wußte durch sie das zu erreichen, was ein anderes Thier, selbst wenn es den Verstand eines Menschen besessen haben würde, erst nach zahlreichen Versuchen und mannigfachen Uebungen hätte erlangen können. Hier konnte man wohl sagen: Was wissen wir, wenn wir eine Erklärung der Handlungen der Thiere geben sollen?

Nach sechs Wochen ungefähr ward dem Affen eine kräftigere Nahrung als die Muttermilch, und damit zeigte sich eine neue Erscheinung. Beide Thiere gewährten anderweitige Aufschlüsse über ihr geistiges Wesen. Dieselbe Mutter, welche wir früher mit der zärtlichsten Sorgfalt für ihr Junges beschäftigt sahen, welche dasselbe ohne Unterbrechung an ihrem Körper und ihren Brüsten hängend trug, und von welcher man glauben sollte, sie würde, von Mutterliebe getrieben, ihm den Bissen aus dem eigenen Munde zu reichen bereit sein: dieselbe Mutter gestattete ihm, als es zu essen anfing, nicht, auch nur das Geringste von der ihm dargereichten Speise zu berühren. Sobald der Wärter Obst und Brod gereicht hatte, bemächtigte sie sich solcher, stieß das Junge, wenn es sich nähern wollte, von sich und füllte eilends Backentaschen und Hände, damit ihr nichts entgehe. Man würde sich sehr irren, wenn man glauben wollte, daß ein edlerer Trieb als die Freßgier sie zu diesem Betragen bewogen habe. Zum Saugen konnte sie das Junge nicht nöthigen wollen: denn sie hatte keine Milch mehr; und ebenso wenig konnte sie Besorgnis hegen, daß die Speisen ihrem Jungen schädlich sein könnten: denn dieses fraß dieselben begierig und fand sich dabei recht wohl. [135] Der Hunger machte es nun bald sehr kühn, unternehmend und behend. Es ließ sich nicht mehr von den Schlägen der Mutter zurückschrecken; und was sie auch thun mochte, um ihr Kind zu entfernen und alles für sich allein zu behalten: das Junge war pfiffig und gewandt genug, doch immer sich des einen oder des anderen Bissens zu bemächtigen und ihn hinter dem Rücken der Mutter, so fern als möglich von ihr, rasch zu verzehren. Diese Vorsicht war keineswegs unnöthig; denn die Alte lief mehrmals in die entfernteste Ecke des Raumes, um ihrem Kinde die Nahrung wieder abzunehmen. Um nun die Nachtheile zu verhüten, welche die unmütterlichen Gefühle hätten mit sich bringen können, ließen wir mehr Vorräthe reichen, als die Alte verzehren oder auch nur in ihrem Munde verbergen konnte, und damit war dem Jungen geholfen.


Schweinsaffe (Macacus nemestrinus). 1/9 natürl. Größe.
Schweinsaffe (Macacus nemestrinus). 1/9 natürl. Größe.

Dieses lebte fortan in guter Gesundheit und wurde von der Mutter gepflegt, so lange es sich nicht um das Essen handelte. Es unterschied die Leute recht gut, welche ihm Nahrung reichten oder es liebkosten, war sehr gutartig und hatte von dem Affencharakter einstweilen nur die Munterkeit und Behendigkeit«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CXXXIII133-CXXXVI136.
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