Seebär (Otaria ursina)

[602] Der Seebär oder Vließseehund der Robbenschläger (Otaria ursina, Phoca ursina, Arctocephalus und Callorhinus ursinus etc.) steht an Größe hinter dem Seelöwen merklich zurück, da selbst die größten Männchen von der Schnauzenspitze bis zum Ende der hinteren Flossenfüße [602] höchstens drei Meter messen und die Weibchen nur in seltenen Fällen mehr als die Hälfte des angegebenen Maßes erlangen. Der Leib ist zwar kräftig, aber doch sehr gestreckt gebaut, der Kopf länger und spitziger als bei den Robben insgemein, der Hals kurz, aber deutlich vom Rumpfe abgesetzt, der Schwanz kurz und spitzig, das Maul ziemlich klein, das Nasenloch schlitzförmig, das Auge sehr groß, dunkel und von lebhaftem Ausdrucke, die Oberlippe mit einigen zwanzig steifen, höchstens 16 Centim. langen Schnurrborsten besetzt; die Vorderfüße sind flossenartig gestaltet und mit einer weichen, äußerst biegsamen, haarlosen, schwarzen Haut bekleidet, die hinteren sehr verbreitert und verlängert, da die fünf Zehen, von denen drei oben Nägel tragen, mindestens 10 Centim. vor der äußeren Spitzenkante endigen. Das am Halse und an der Vorderseite merklich, längs der Rückenlinie einigermaßen verlängerte Fell besteht aus nicht allzusteifen Grannen und ungemein weichen und zarten, seidenartigen, etwas struppigen Wollhaaren, welche die Haut dicht bekleiden. Seine Grundfärbung ist ein dunkles Braun, welches bei einzelnen Stücken in Braunschwarz übergeht, auf dem Kopfe, Halse und dem vorderen Theile des Leibes aber durch weißspitzige Haare gesprenkelt erscheint und auf der Unter- und Innenseite der Glieder sich lichtet.


Seebär (Otaria ursina). 1/20 natürl. Größe.
Seebär (Otaria ursina). 1/20 natürl. Größe.

Die einzelnen Haare sind an der Wurzel schwarz, sodann röthlich gefärbt und zeigen vor der Spitze einen graulichen Ring; die Wollhaare sehen roth aus. Aeltere Weibchen unterscheiden sich von den Männchen ziemlich regelmäßig durch silbergraue Färbung; sehr alte aber tragen ebenfalls ein auf Rücken und Seiten dunkelbraunes, jedoch überall mit weißen Haaren gesprenkeltes, unten röthlichbraunes Kleid. Junge Thiere beiderlei Geschlechtes haben ein silberfarbenes Fell, weil ihre Haare durchschnittlich in lichte Spitzen endigen.

Wenige Robben bewohnen ein so ausgedehntes Verbreitungsgebiet wie der Seebär, welcher ebensowohl an den Küsten Patagoniens und Westafrikas, auf den Falklandsinseln, auf Neusüdschottland und Südgeorgien wie auf dem St. Paulseilande im Indischen Weltmeere und den St. Pauls- und St. Georgsinseln des Behringsmeeres gefunden wird, ebenso wie er in den Gleicherländern [603] kaum seltener auftritt als in den höchsten Breiten des Südens und Nordens. Auch seine Naturgeschichte hat in der Neuzeit wesentliche Bereicherungen erfahren, das anziehende Lebensbild, welches uns Steller vor mehr als hundert Jahren entwarf, deshalb jedoch nichts von seinem Werthe verloren. Steller beobachtete den Seebären auf demselben Eilande des Behringsmeeres, auf welchem er auch außer den bereits früher geschilderten Landthieren den Seelöwen kennen lernte; die neueren Berichterstatter, unter denen Bryant an erster Stelle genannt werden muß, jagten ihn in den verschiedensten Theilen des Stillen Weltmeeres und hatten dabei Gelegenheit, mindestens sein Landleben so genau zu erforschen, daß wir ihn gegenwärtig zu den bekanntesten Robben zählen dürfen. Es wird der nachstehenden Darstellung keinen Abbruch thun, wenn ich auch in diesem Falle Stellers erste Nachrichten den neueren Mittheilungen vorangehen lasse.

»Man fängt die Bärenrobbe, welche die Russen ›Kot‹ nennen, nur zwischen dem funfzigsten und sechsundfunfzigsten Grade auf den Inseln, nicht aber auf dem festen Lande, weil sie selten dahin kommen. Im Frühjahre erhält man nur Weibchen und deren Junge. Nun ziehen sie nach Norden, und man sieht vom Anfange des Juni bis zu Ende August keine mehr; dann kehren sie kraftlos und mager mit ihren Jungen wieder nach Süden zurück.

Ihr einziges oder ihre beiden Jungen sind mit sehr feiner und glänzender schwarzer Wolle bedeckt. Die Mütter liegen mit ihnen herdenweise am Strande und bringen die meiste Zeit schlafend zu. Die Jungen spielen und streiten zusammen wie junge Hunde. Der Vater steht dabei und sieht zu. Zanken sie sich ernstlich, so kommt er brummend herbei, jagt sie auseinander, küßt und leckt den Sieger, stößt ihn mit dem Maule auf den Boden und freut sich, wenn er sich ernstlich widersetzt. Aus Jungen, welche faul und müßig sind, macht er sich nichts; deshalb halten sich einige beständig bei der Mutter, andere fast immer beim Vater auf.

Ein Männchen hat acht bis funfzehn Weibchen und bewacht dieselben sehr sorgfältig. Obgleich viele tausende am Strande beisammen liegen, sieht man sie doch allezeit in Herden getheilt. Jede Herde ist eine besondere Familie. Das Männchen hält mit seinen Weibchen, Söhnen und Töchtern zusammen, auch mit den Jährlingen, welche noch keine Weibchen haben, und so kann die Familie bis zu hundertundzwanzig Stück anwachsen. In eben solchen Haufen schwimmen sie im Meere umher. Sehr alte Männchen sondern sich ab und kommen, gewöhnlich außerordentlich fett am Leibe, allein auf die Inseln. Sie bleiben einen ganzen Monat hier liegen, fressen nicht, schlafen beständig und sind sehr mürrisch und grausam. Was vorbeigeht, fallen sie an mit äußerster Wuth; sie sind so wild und hochmüthig, daß sie lieber sterben, als von ihrem Orte weichen. Sehen sie Menschen, so gehen sie denselben entgegen, halten sie auf, und ein jeder besetzt seinen Ort und macht sich fertig zum Schlagen. Auf einer Reise, wo wir sie nicht umgehen konnten, mußten wir uns in Streit einlassen und Steine nach ihnen werfen. Sie bissen in diese wie Hunde, erfüllten die Luft mit ihrem Gebrülle und setzten uns immer heftiger zu. Wir trachteten daher, ihnen die hervorragenden Augen auszuschlagen und die Zähne mit Steinen entzwei zu werfen. Ein auf diese Weise von uns verwundetes und geblendetes Thier wich aber dennoch nicht von seinem Platze. Es darf auch nicht zurückweichen, denn sonst wird es von den Zähnen der anderen übel zugerichtet. Manchmal kann man auf weite Strecken hin eine Menge von Zweikämpfen sehen. Während dieser Zeit kann man ungehindert an ihnen vorbeigehen. Die im Meere befindlichen sehen eine Zeitlang dem Kampfe zu, gerathen aber dann auch in Wuth, kommen heraus und mengen sich in die Schlacht.

Ich habe mit meinen Kosaken oft einen angegriffen und ihm nur die Augen ausgeworfen, sodann vier bis fünf andere mit Steinen geworfen, daß sie mich verfolgten. Ich floh nun zu dem blinden, und da dieser nicht wußte, ob seine Kameraden ebenfalls flohen, so biß er an und biß sich einige Stunden mit ihnen, während ich von einem erhöhten Orte zusah. Floh er ins Wasser, so wurde er herausgezogen und endlich todtgebissen. Oft fraß ihn schon, während er in den letzten Zügen lag, der Eisfuchs an. Zuweilen streiten ihrer zwei eine Stunde lang mit einander; dann legen sie sich hin, lechzen und erholen sich, stehen wieder auf, stellen sich wie Fechter gegen einander, neigen die[604] Köpfe und schlagen die Hauer, wie die Eber, von unten nach oben. So lange beide bei Kräften sind, hauen sie nur nach den Vorderfüßen; dann packt der stärkere den schwächeren mit dem Rachen am Leibe und wirft ihn zu Boden. Sobald dies die Zuschauer erblicken, eilen sie herbei, um dem Unterdrückten Hülfe zu leisten. Nach dem Streite gehen sie ins Wasser, um ihren Leib abzuspülen. Ende Juli ist selten einer zu sehen, der nicht mit Wunden bezeichnet wäre.

Sie liefern ihre Schlachten aus dreierlei Ursachen: die allerblutigsten der Weibchen wegen, die andere des Lagerplatzes halber und eine andere, um Frieden zu stiften. Die Weibchen tragen ihre Jungen im Maule fort, lassen sie aber dieselben beim Angriffe im Stiche, so werden sie von den Männchen in die Höhe und an den Felsen geworfen, daß sie halb todt liegen bleiben; sind sie dann wieder zu sich gekommen, so kriechen sie wie ein Wurm den Männchen demüthig zu Füßen, küssen sie und vergießen Thränen in solcher Menge, daß solche ununterbrochen auf die Brust herabtröpfeln und diese ganz naß machen. Dabei geht das Männchen unter beständigem Brummen hin und her, wendet die Augen greulich herum, und wirft den Kopf, nach Art der Landbären, von einer Seite zur anderen. Sieht das Männchen, daß man seine Jungen fortträgt, so weint es wie das Weibchen. Schwerverwundete oder beleidigte weinen ebenfalls, wenn sie sich nicht rächen können.

Sie haben dreierlei Laute. Auf dem Lande plärren sie zum Zeitvertreibe wie die Kühe, wenn man ihnen die Kälber genommen hat; im Kampfe brüllen und brummen sie wie Bären; nach erhaltenem Siege bringen sie wiederholt ein lautes Geräusch hervor wie Hausgrillen. Ein verwundeter und von Feinden überwältigter seufzt und faucht laut wie eine Katze oder wie eine Meerotter. Indem sie aus dem Meere gehen, schütteln sie den Leib, streicheln die Brust mit den Hinterfinnen und legen die Haare zurecht. Das Männchen legt die Lippen an die des Weibchens, als ob es dasselbe küssen wollte. Wenn die Sonne scheint, legen sie sich in die Wärme, halten die Hinterfüße in die Höhe und wedeln damit wie schmeichelnde Hunde; bald liegen sie auf dem Rücken, bald auf dem Bauche, bald auf der Seite, bald zusammengerollt. Während des Juni, Juli und August bleiben sie auf derselben Stelle wie ein Stein liegen, sehen einander an, schlafen, gähnen, strecken sich und brüllen, ohne das geringste zu fressen. Dann werden sie so mager, daß die Haut um sie hängt, locker wie ein Sack. Die Jungen paaren sich im Juli und tummeln sich munter herum. Sie benehmen sich dabei nicht wie Thiere, sondern wie Menschen. Ich habe einmal einem eine Maulschelle gegeben, worüber er zwar zornig wurde und brummte, aber doch sein Geschäft noch eine Viertelstunde lang fortsetzte.

Gewöhnlich laufen die Alten nicht davon, wenn Menschen nahen, sondern machen sich fertig zum Streite. Nichtsdestoweniger habe ich auch gesehen, daß ganze Herden die Flucht ergriffen haben. Wenn man pfeift, fliehen die Weibchen sogleich, und wenn man sie unvermuthet mit großem Geschrei überfällt, stürzen sich ganze Massen mit einem Male ins Meer; dann schwimmen sie beständig am Strande hin und her und wundern sich über die ungewöhnlichen Gäste. Die Meerottern und gemeinen Robben fürchten sich sehr vor ihnen und werden deshalb selten in ihrer Nähe gesehen; die Seelöwen aber wohnen in großen Herden unter ihnen, nehmen die besten Stellen ein, und die Bärenrobben erregen nicht gern in ihrer Gegenwart einen Streit, um nicht allzu grausame Schiedsrichter zu bekommen.

In ihren Bewegungen sind sie schneller als andere Robben: sie durchschwimmen sicher in einer Stunde zwei deutsche Meilen. Auf dem Lande werden sie von keinem übertroffen, und man entkommt ihnen nur, wenn es bergan geht. Mich haben sie einmal länger als sechs Stunden verfolgt und endlich gezwungen, mit der größten Lebensgefahr über eine steile Anhöhe zu klettern, und mich und meine Kosaken jagten sie oft so muthig vor sich her, daß wir den Strand verlassen mußten. Ihr Leben ist so zähe, daß zwei oder drei Menschen sie kaum mit zweihundert Keulenschlägen nach dem Kopfe tödten können. Man muß oft zwei-bis dreimal ausruhen, um wieder Kräfte zu sammeln. Wenn auch alle Zähne aus dem Rachen geschlagen, die Hirnschale zerstückelt und das Gehirn fast ganz ausgespritzt ist, bleibt das Thier dennoch auf seinen Füßen stehen und [605] wehrt sich. Ich schlug einem die Hirnschale entzwei und die Augen aus, dennoch blieb es noch länger als zwei Wochen wie eine Bildsäule stehen und lebte so lange. Bei Kamtschatka gehen sie seltener ans Land und werden deshalb im Wasser harpunirt. Dann schießen sie wie ein Pfeil dahin und ziehen den Kahn noch so reißend nach sich, daß er zu folgen scheint. Wenn der Schiffer ihn nicht recht gut zu steuern weiß, kehren sie auch wohl um. So geht es fort, bis das Thier sich verblutet hat. Dann wird es herangezogen, mit Spießen durchstochen und an das Land geschafft. Man fängt aber nur erwachsene Männchen und trächtige Weibchen, weil man sich an die großen Männchen nicht wagt. Jährlich kommen so viel Bärenrobben vor Alter und infolge ihrer Wunden auf den Inseln um, daß an manchen Orten der Strand so voll Knochen liegt, als wenn eine Schlacht geliefert worden wäre.«

Bryants und Scammons Mittheilungen widersprechen Stellers Beobachtungen in keiner Weise, vervollständigen jedoch das Lebensbild der Bärenrobbe. Aus den Wahrnehmungen aller Schiffer, welche die Seebären kennen, geht hervor, daß sie einzig und allein zum Zwecke der Fortpflanzung auf die verschiedenen von ihnen regelmäßig besuchten Inseln oder Scheren kommen, während der übrigen Monate aber ausschließlich auf hoher See leben und dabei sehr weite Wanderungen unternehmen. Gleichwohl kehren sie, wie jahrelang fortgesetzte Beobachtungen erwiesen haben, zu demselben Eilande zurück, auf welchem sie das Licht der Welt erblickten. Wenn ihre Landungszeit herannaht, bemerkt man zuerst einige alte Männchen, welche Kundschafterdienste zu thun scheinen. Ihnen folgen dann allmählich die übrigen nach. Von den höchsten Stellen einzelner südlichen Inseln aus hat man, laut Scammon, beobachtet, daß sie bei ihrer Rückkehr zum Lande, in ungemein zahlreiche Gesellschaften vereinigt, gemeinschaftlich reisen und erst an der Küste in die verschiedenen Herden sich theilen. Bei der Wahl der von ihnen besuchten Stellen verfahren sie mit großer Umsicht, vielleicht erst, seitdem sie durch Erfahrung die Nothwendigkeit erkannt haben, vor ihrem schlimmsten Feinde, dem Menschen, so viel als möglich sich zu schützen. Im allgemeinen suchen sie sich Eilande oder auf größeren Inseln solche Küstenstrecken auf, an denen die See mit besonderer Heftigkeit brandet, und erwählen sich dann die unmittelbar über der höchsten Flutmarke gelegenen, möglichst wenig zugänglichen Felsen zu ihren zeitweiligen Wohnsitzen. Jedes alte Männchen kehrt so lange zu einer genau bestimmten Stelle zurück, als es dieselbe zu behaupten vermag: Bryant wurde von den Eingeborenen der Pribyloffinseln versichert, daß man auf dem St. Paulseilande im Behringsmeere einen an dem Fehlen einer Vorderflosse leicht kenntlichen Bullen siebzehn Jahre nach einander auf demselben Blocke beobachtet habe. Nach eigenen Beobachtungen unseres Gewährsmannes dürfen sich junge, d.h. weniger als sechs Jahre alte Männchen wenigstens bei Tage nicht auf das Land wagen und schwimmen deshalb während der Landungszeit über Tages beständig längs der Küste hin und her, höchstens des Nachts verstohlen landend, um ein wenig zu schlafen. Eine einzige Ausnahme von dieser Regel findet an solchen Stellen statt, wo eine längere Küstenstrecke zum Landaufenthalte gewählt wurde, weil hier zwischen den einzelnen zusammengehörigen Familien Plätze frei bleiben, auf welche die jüngeren Bärenrobben, unbelästigt von den alten, kommen und gehen dürfen, wie sie wollen.

Nach Bryant verläuft das Leben der Thiere während ihrer Landungszeit etwa folgendermaßen. Ungefähr um die Mitte des April, nachdem der Schnee geschmolzen und das Eistreiben von Norden her vorübergegangen ist, erscheinen einige alte männliche Bärenrobben in der Nähe der Inseln, halten sich hier etwa zwei oder drei Tage auf, wagen sich auch wohl auf das Land und untersuchen, vorsichtig schnüffelnd, die gewohnten Plätze. Fällt diese Untersuchung befriedigend aus, so erklettern sie einen oder zwei Tage später höhere Stellen und legen sich hier, lauschend und spähend, mit erhobenem Haupte nieder. Die Eingeborenen der St. Paulsinsel, welche die Sitten und Gewohnheiten der Thiere genau kennen, hüten sich sorgfältigst, während dieser Zeit sich zu zeigen, vermeiden auch, wenn der Wind von ihren Dörfern her nach der Seeküste weht, jeden unnützen Lärm und löschen selbst die Feuer aus, um den Kundschaftern keinen Anlaß zum [606] Argwohn zu geben. Letztere verschwinden nach einiger Zeit; wenige Tage später erscheinen jedoch männliche Bärenrobben in kleiner Anzahl, und zwar alte wie junge. Erstere nehmen sofort ihre Plätze auf den Landungsstellen ein, hindern die Jungen an der Landung und zwingen sie, entweder im Wasser selbst oder an von ihnen nicht eingenommenen Stellen der Insel Unterkunft zu suchen. Jedes alte Männchen beansprucht übrigens wenig mehr als eine englische Geviertruthe oder etwa fünfundzwanzig Geviertmeter Raum, eben genug zum Schlaf- und Ruheplatze für sich und zehn, höchstens funfzehn Weibchen. Noch immer treffen tagtäglich andere Männchen ein, zwei-, drei-, vier- und fünfjährige annähernd in derselben, jüngere in geringerer, ältere in größerer Anzahl. Letztere bahnen sich zu einem ins Auge gefaßten Lagerplatze mit um so größerer Schwierigkeit einen Weg, je mehr von den passenden Stellen bereits von anderen in Besitz genommen worden sind; denn jeder einzelne dieser Weibergebieter hält an seinem Stande fest und weicht nur der Gewalt. Irgend welches Anrecht wird von keinem anerkannt; der zuletzt erscheinende hat sich demnach zu begnügen oder um einen besseren Platz zu kämpfen.

Gegen den funfzehnten Juni hin sind alle Männchen versammelt und alle passenden Plätze vergeben. Die alten Herren erwarten jetzt offenbar die Ankunft der Weibchen. Letztere erscheinen zuerst ebenfalls in kleiner Anzahl, im Verlaufe der Zeit jedoch in immer zunehmenden Scharen, bis um die Mitte des Juli alle Landungsplätze gefüllt oder überfüllt sind. Viele von den Weibchen scheinen bei ihrer Ankunft den Wunsch zu hegen, mit einem bestimmten Männchen sich zu vereinigen; denn sie klettern oft auf die äußeren Felsen, um von ihnen aus die Landungsplätze zu überschauen, lassen auch wohl ihren Lockruf vernehmen und lauschen, ob ihnen eine bekannte Stimme Antwort gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, wechseln sie den Platz, verfahren ebenso wie früher und treiben dies so lange fort, bis eins der im Wasser schwimmenden jungen Männchen, eine Junggesellenrobbe, wie die Eingeborenen diese nennen, ihnen sich nähert und sie, oft gegen ihren Willen, an das Land jagt. Letzteres gehört offenbar zu den Pflichten besagter Junggesellenrobben. Sie schwimmen während des Tages längs der Küste auf und nieder, beobachten die ankommenden Weibchen und zwingen sie schließlich, an der felsigen Küste zu landen. Sobald sie diese betreten, nähert sich das nächstliegende Männchen, läßt einen Laut vernehmen, welcher an das Glucksen einer Henne erinnert, und sucht, der neuangekommenen Genossin freundlich zunickend und sie auch wohl liebkosend, allmählich zwischen sie und das Wasser zu gelangen, so daß sie nicht mehr zu entfliehen im Stande ist. Sobald ihm dies gelungen, ändert er sein Betragen vollständig; denn anstatt der Liebkosungen erfährt das Weibchen beherrschenden Zwang: drohendes Gebrumm fordert es auf, einen der noch freien Plätze im Harêm des gestrengen Männchens einzunehmen. In dieser Weise verfährt jeder männliche Seebär, bis der letzte Platz des von ihm behaupteten Lagergebietes besetzt ist. Damit endet jedoch seine anstrengende Arbeit nicht, weil die über ihm liegenden Bullen seine Rechte fortwährend schmälern, indem sie jeden günstigen Augenblick benutzen, um ihm Weiber zu stehlen. Dies geschieht einfach so, daß sie eins der Weibchen mit den Zähnen packen, es über die übrigen wegheben und, wie eine Katze die Maus, nach dem eigenen Weiberzwinger schleppen. Die über ihnen liegenden Männchen verfahren genau in derselben Weise, und so währt das Einfangen und Stehlen der Weibchen fort, bis endlich alle Plätze besetzt sind. Nicht selten gerathen zwei Männchen eines Weibchens halber in den heftigsten Streit; zuweilen auch geschieht es, daß beide gleichzeitig über den Gegenstand ihrer Eifersucht herfallen und denselben, wenn nicht in Stücke zerreißen, so doch gefährlich verwunden. Nachdem jedwedes Harêm gefüllt ist, wandern die Männchen selbstgefällig auf und nieder, um ihre Familie zu überblicken, schelten die Weibchen, welche sich drängen oder die übrigen stören, und treiben wüthend alle Eindringlinge davon. Diese Ueberwachung beschäftigt sie während der ganzen Zeit, welche sie auf dem Lande zubringen.

Zwei oder drei Tage nach der Landung gebiert jedes Weibchen ein einziges, in höchst seltenen Fällen vielleicht auch zwei Junge. Der kleine Seebär kommt, wie alle Robben, in sehr entwickeltem Zustande und mit offenen Augen zur Welt, mißt bei der Geburt etwa ein Drittel der Länge seiner [607] Mutter, hat ein Gewicht von drei bis vier Kilogramm und trägt ein von dem der alten verschiedenes, aus ungemein weichen, krausen Wollhaaren und ähnlichen Grannen bestehendes Kleid von schwarzer Färbung, welches er erst gegen Ende der Landungszeit mit dem der Alten vertauscht. Unmittelbar nach seiner Geburt beginnt er zu saugen, wie er sich überhaupt vom ersten Augenblicke seines Lebens an ebenso kräftig als selbständig geberdet. Die Mutter bekundet die wärmste Zuneigung gegen das kleine unartige Geschöpf, hält bei ihm treue Wacht, sucht es gegen ihm drohende Gefahren zu beschützen und unterrichtet es allmählich in allen ihm nöthigen Bewegungen. »Auf einer der kleinen San Benitosinseln an der Küste Unterkaliforniens«, erzählt Scammon, »beobachteten wir mit lebhafter Theilnahme einen weiblichen Seebären nebst seinem wenige Wochen alten Jungen. Mit dem ihr folgenden Kleinen näherte sich die Mutter vorsichtig der Küste, blickte beim Landen fortwährend mißtrauisch in die Runde, versäumte jedoch nicht, das Junge währenddem mit fast menschlicher Zärtlichkeit zu liebkosen. Da alles sicher schien, lullte sie es bald in Schlaf, und beide lagen darauf, der Wärme der Mittagssonne behaglich sich hingebend, neben einander auf einem vorspringenden Felsen. Jede höhere Welle erregte die Aufmerksamkeit der Alten, jeder Schall bewog sie, das Haupt zu erheben, sich umzublicken und zu überzeugen, ob nach wie vor alles sicher sei. Hatte sie hiervon sich vergewissert, so sank sie wieder in ihre frühere Lage zurück, während das Junge unbekümmert in derselben geblieben war. Um zu erfahren, welchen Eindruck das leiseste Geräusch auf die Mutter hervorbringen würde, zerbrachen wir einen dünnen Ast. Augenblicklich wurde sie unruhig, das Junge schrie auf, die Alte belferte vertheidigungslustig, beruhigte sich jedoch wieder und legte sich nieder wie zuvor. In diesem Augenblicke kam uns zufällig ein altes Männchen zu Gesicht, auf welches wir die Büchse richteten und einen Schuß abgaben. Mit einem oder zwei Sätzen sprang die durch den Knall erschreckte Alte ins Wasser, kehrte jedoch sogleich zu ihrem Jungen zurück, trieb dasselbe, so gut sie konnte, dem sicheren Meere zu, und einen Augenblick später waren beide unseren Blicken entschwunden.« In den ersten fünf Wochen nach der Geburt verlassen die Weibchen ihre Jungen höchstens auf Augenblicke; dann aber gehen sie längere Zeit in das Meer, um Nahrung zu suchen. Bis dahin begleiten die Jungen ihre Mütter bei jeder Bewegung, welche diese auf dem Lande ausführen, lernen aber nur an solchen Stellen, welche regelmäßig von der Flut überspült werden, früher als vor Ablauf der angegebenen Zeit schwimmen und lassen sich meist nur durch Anwendung von Gewalt bewegen, in das Wasser zu gehen. Haben sie ihren Widerwillen jedoch einmal überwunden, so gelangen sie sehr bald dahin, ihr heimisches Element hinlänglich zu beherrschen.

Wenige Tage nach der Geburt der Jungen zeigt sich das Weibchen zur Paarung geneigt, bekundet Theilnahme für die Aufmerksamkeit des Männchens und gibt sich ihm zuweilen auch auf dem Lande hin. Da jedoch die Lage der Geschlechtstheile eine Begattung auf festem Boden erschwert, findet solche höchstens in drei von zehn Fällen daselbst statt und geschieht regelmäßig im Wasser. Hier nun kommen die vier oder fünf Jahre alten, von den felsenbeherrschenden Gewalthabern ferngehaltenen und verbannten Männchen zum Ziele ihrer Wünsche. Während der eifersüchtige Alte mit Bekämpfung eines Nebenbuhlers sich beschäftigt, verläßt eins der Weibchen nach dem anderen das Land, gleitet in das Wasser und findet hier in jedem aufmerksamen Junggesellen einen Liebhaber. Dieser folgt der Erwählten bis zu einer gewissen Entfernung von der Küste, verständigt sich mit ihr, und nunmehr schwimmen beide in fünf bis acht Minuten währender inniger Umarmung dahin, drehen sich behufs der Athmung so, daß bald eins, bald das andere nach oben zu liegen kommt, und paaren sich in dieser Weise. Wenn das Weibchen hierauf zur Küste zurückkehrt, wird es von allen männlichen Gliedern der Versammlung gleichgültig behandelt.

Die alten Männchen verweilen mindestens vier Monate auf ihren Lagerplätzen, ohne inzwischen irgend welche Nahrung zu sich zu nehmen. Nach Ablauf dieser Zeit treten sie ihren Platz an die jüngeren ihres Geschlechtes ab und ziehen zur Jagd aus. Bryant versichert, durch die sorgfältigsten Untersuchungen von der eben erwähnten, allen Eingeborenen wohlbekannten Thatsache [608] sich überzeugt zu haben. Er beobachtete einzelne Lagerplätze, welche von der Hochflut so rein gewaschen waren, daß jede Kothentleerung entdeckt werden mußte, fand jedoch immer nur kurz nach der Ankunft neuer Seebären, nicht aber später, Anzeichen, daß die Thiere sich entleert oder Futter genommen hatten. Eine Untersuchung der Magen getödteter junger Seebären führte zu demselben Ergebnisse, da deren Eingeweide ebenfalls vollständig leer waren. Dasselbe endlich war der Fall mit den wenigen säugenden Weibchen, welche behufs der Untersuchung getödtet wurden.

Etwa um den zwanzigsten Juli erscheinen auf den Pribyloffinseln größere Haufen von jährigen Seebären, nehmen in Gemeinschaft mit den jüngeren Männchen die ihnen eingeräumten Theile der Küste ein und verweilen, unter ihnen in buntem Gemisch gelagert, hier bis zum Ablaufe der Landungszeit. Die zweijährigen Weibchen, welche sich mit den jungen Männchen im Wasser gepaart haben, gesellen sich nun ebenfalls zu den älteren ihres Geschlechtes.

Gegen Ende Oktober verlassen die Bärenrobben in kleinen Gesellschaften die Inseln: die Weibchen zuerst, die alten Männchen später, die jungen Männchen zuletzt, um fortan mindestens acht Monate auf hoher See zu verweilen.

Seines ausgezeichneten Felles halber ist der Seebär ein noch werthvolleres Jagdthier als die übrigen Mitglieder seiner Familie. Die Eingeborenen der von ihm besuchten Inseln erlegen ihn allerdings auch seines Fleisches wegen, welches für sie einen wichtigen Theil ihres Unterhaltes bildet und selbst unter den Europäern als schmackhaft gilt. Auf den Pribyloffinseln leben die Leute fast ausschließlich von Robbenfleisch und sind deshalb genöthigt, während des Landaufenthaltes der Seebären und Seelöwen für das ganze Jahr sich zu versorgen. So lange gedachte Ohrenrobben auf dem Lande hausen, wird das Fleisch frisch erlegter Stücke verwendet, gleichzeitig aber auch der nöthige Vorrath für den Winter eingeheimst. Dies geschieht einfach so, daß man kurz vor dem Wegzuge der Ohrenrobben noch eine größere Menge erlegt und deren Fleisch entweder in der bei Beschreibung des Seelöwen geschilderten Weise trocknet oder aber den ganzen Körper gefrieren läßt und so während des Winters aufbewahrt. Aus dem Fette wird zwar ebenfalls, jedoch in so geringer Menge Thran gewonnen, daß letzteres nur als Nebennutzung betrachtet werden kann. Den Hauptgewinn lieferte von jeher das Fell der jüngeren Thiere; man verfuhr jedoch bei der Erbeutung der Seebären ebenso kurzsichtig und sinnlos wie bei der Jagd anderer Seethiere überhaupt und rottete binnen wenigen Jahrzehnten so außerordentliche Mengen von jenen aus, daß einzelne früher von ihnen bevölkerte Inseln allmählich gänzlich verödeten. Auch auf den Pribyloffinseln betrieb man die Jagd so rücksichtslos, daß schon im Anfange unseres Jahrhunderts von Seiten der Russen besondere Gesetze erlassen werden mußten, um dem nicht zu entschuldigenden Unfuge zu steuern. Im Jahre 1803 häufte man auf Unalaschka nicht weniger als achtmalhunderttausend Felle auf, von denen sieben Achtel verbrannt oder ins Wasser geworfen wurden, weil man sie nicht zubereiten konnte und den Preis nicht herabdrücken wollte. Infolge dieses unverantwortlichen Verfahrens nehmen die Seebären im ganzen Behringsmeere in besorgniserregender Weise ab. Auf den Pribyloffinseln erbeutete man im Jahre 1811 nur noch den zehnten Theil der eben genannten Anzahl, im Jahre 1816 sogar nur dreitausend Stück. Gegenwärtig haben sich die Seelöwen wieder merklich vermehrt, und da man sie wenigstens einigermaßen schont, darf man jährlich etwa hundertundfunfzigtausend Stück tödten, ohne ihren Bestand zu vermindern. Von dieser Anzahl kommen etwa hunderttausend auf die St. Georgs- und St. Paulsinseln, fünfundzwanzigtausend auf Copper- und Behringseiland, der Rest auf die Küsten Kaliforniens, des Washingtongeländes, der Robininseln im Ochotskischen Meere, Südshetlands, Feuerlands und anderer von ihnen besuchten Plätze. Nach Bryants Schätzungen besuchen die St. Paulsinseln jährlich mehr als eine Million Seebären, da mindestens zwölf englische Meilen der Küste in einer durchschnittlichen Breite von funfzehn Ruthen als Versammlungsplätze dienen und man etwa zwanzig Seehunde auf die Geviertruthe rechnen darf. Von den auf den Klippen ruhenden Thieren besteht etwa der zehnte Theil aus mehr als sechs Jahre alten Männchen, so daß also noch immer[609] eine Million fortpflanzungsfähiger Weibchen vorhanden sein dürfte. Nimmt man die Hälfte der im Jahre geborenen Jungen als Weibchen an, so vermehrt sich die Anzahl der letzteren, welche geschont werden, alljährlich noch bedeutend, und es läßt sich daher auch für die Zukunft eine gewinnbringende Jagd erhalten.

Um sich der Seebären zu bemächtigen, verfährt man in ähnlicher Weise, wie bei Schilderung des Seelöwen beschrieben wurde; jedoch gilt die Jagd nicht den ältesten, sondern den jüngeren Männchen, weil das Fell der ersteren gewöhnlich unbrauchbar ist. Eine mehr oder minder ansehnliche Menge von geübten Leuten schleicht sich des Nachts bei günstigem Winde an jene Stellen der Küste, welche den jungen Männchen als Schlafplätze dienen, und versucht auf das durch einen Schuß gegebene Zeichen, die ganze vom Wasser abgeschnittene Gesellschaft landeinwärts zu treiben. Wenn dies gelingt und man eine genügende Entfernung von dem Landungsplatze der Thiere erlangt hat, wird Heerschau gehalten, um die jungen zwei- oder dreijährigen Männchen von den älteren zu sondern. Letzteres geschieht, indem man die Thiere in einem großen Bogen langsam vorwärts treibt und die alten, faulen nach und nach zwischen den Treibern durchschlüpfen läßt, die erwählten jedoch an der Flucht verhindert. Jene wenden sich augenblicklich wieder dem Meere zu, diese werden langsam weiter getrieben, bis man in der Nähe des Schlachtplatzes angekommen ist. Der von ihm ausgehende Geruch macht die Ohrenrobben so ängstlich, daß sie in vielen Fällen zurückschrecken. Es ist daher nothwendig, diesen Platz ziemlich weit in das Innere zu verlegen, erscheint jedoch auch vortheilhaft, die Robben zu zwingen, ihre Felle auf eigenen Füßen bis in die Nähe der an gewissen Stellen der Insel angelegten Salzhäuser zu tragen. Demgemäß hat man in der Regel sechs bis sieben Meilen zurückzulegen und muß beim Triebe mit größter Vorsicht zu Werke gehen: treibt man zu heftig, so verderben sich die Thiere durch ihre hastige Bewegung das Fell, stürzen auch wohl über einander weg und verwirren und erschrecken sich gegenseitig; treibt man an heißen Tagen, so kommt man mit den unbehülflichen Geschöpfen nicht von der Stelle. Aus diesen Gründen wählt man stets kühle und regnerische Tage zum Triebe und legt im Laufe einer Stunde höchstens anderthalb englische Meilen zurück. Auf dem Schlachtplatze angelangt, übergibt man die Herde dort versammelten Knaben, welche das Entfliehen einzelner zu verhindern suchen und allen überhaupt Zeit geben, sich zu beruhigen. Erst wenn letzteres geschehen, trennt man ihrer etwa siebzig bis hundert von der Herde, treibt sie so weit aus einander, daß sie sich mit ihren Flossenfüßen gegenseitig nicht berühren, wählt unter ihnen die geeigneten aus und tödtet sie mittels eines Schlages auf die Nase, worauf man den nicht brauchbaren gestattet, nach dem Wasser zurückzukehren. In dieser Weise verfährt man, bis man die ganze Herde abgethan hat, und beginnt dann sofort mit der Abhäutung der erlegten. Alle Treiber, welche verwendet werden, stehen unter dem Befehle eines erfahrenen Robbenschlägers, welcher nicht allein die Zeit, sondern auch die Richtung des Triebes sowie den Schlachtplatz bestimmt und unterwegs alle nöthigen Anordnungen leitet. Im Mai treibt man bloß kleine Trupps, soviel als die Eingeborenen zur Nahrung benöthigen; im Juni beginnt man der Felle halber zu treiben, obwohl letztere um diese Zeit noch so schlecht sind, daß man oft nicht zwanzig von hundert gebrauchen kann; um die Mitte des Juli gehen die Weibchen bereits wieder ins Wasser, und es tritt nun eine Zeit der allgemeinen Ruhe unter den Robben ein, während welcher die Eingeborenen mindestens zehn, meist funfzehn Tage lang gänzlich vom Treiben abstehen. Mit dem Ende der angegebenen Zeit erscheinen die großen Massen der jährigen Seebären, vermischt mit den jüngeren Männchen, verbreiten sich in deren Gemeinschaft über das Land und erhöhen dadurch die Schwierigkeit der Auswahl. Bis zu dieser Zeit brauchte man nicht in Sorge zu sein, mit den Männchen auch Weibchen landeinwärts zu treiben, nunmehr aber besteht fast die Hälfte der zu treibenden Thiere aus solchen, und eine genaue Untersuchung jedes einzelnen wird erforderlich, um die Geschlechter zu scheiden oder zu verhindern, daß auch Weibchen getödtet werden. Gleichwohl gelten die späteren Monate, insbesondere September und Oktober, als die günstigste Zeit dieser Jagd.

[610] Die Felle werden unmittelbar nach dem Abstreifen in die Salzhäuser gebracht und hier in viereckigen Kästen eingesalzen, so daß die fleischige Seite nach oben zu liegen kommt. Nach dreißig bis vierzig Tagen nimmt man sie aus dem Salze, entfernt das letztere, faltet sie so zusammen, daß die Fleischseite nach innen kommt, bestreut sie mit frischem Salze und verschifft sie.

So lange die Pribyloffinseln unter russischer Herrschaft waren, erhielten die Eingeborenen außer dem nöthigen Salze zehn Cents Arbeitslohn für das Fell, während man gegenwärtig fast das dreifache zahlt. Da man nun in London, dem einzigen Markte für Bärenrobbenfelle, das Stück etwa mit fünf Dollars verwerthet, bleibt trotz der Nebenausgaben für Ankauf von Salz, Erhaltung der Gebäude, Besoldung der europäischen Beamten, Schiffs- und sonstiger Löhne ein erklecklicher Gewinn übrig.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 602-611.
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Reigen

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Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

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