Erste Familie: Delfine (Delphinida)

[683] Die Wale zerfallen naturgemäß in zwei Hauptgruppen, welche man mit Fug und Recht als Unterordnungen bezeichnen darf: in die Zahn- und Bartenwale. Bei ersteren (Denticete) finden sich in beiden oder mindestens in einem Kiefer Zähne, welche nicht gewechselt werden, bei einzelnen jedoch zum Theil oder gänzlich ausfallen können. Dieses Merkmal genügt, um sie in allen Fällen von den Bartenwalen zu unterscheiden.

Die erste Familie umfaßt die Delfine (Delphinida) mittelgroße oder kleine Wale, bei denen beide Kiefern in ihrer ganzen Länge oder in einem Theile derselben mit fast gleichartig gebildeten, mehr oder weniger kegelförmigen Zähnen besetzt sind, und deren Nasenlöcher in der Regel nur in einem einzigen querliegenden, halbmondförmigen mit den Spitzen nach vorn gerichteten Spritzloche münden. Der Leib ist regelmäßig gestreckt, der Kopf verhältnismäßig klein, der Schnauzentheil desselben oft vorgezogen und zugespitzt, eine Rückenflosse gewöhnlich vorhanden. Am Geripp sind bemerkenswerth die Ungleichmäßigkeit des im ganzen pyramidenförmigen Schädels, dessen rechte Seite an der hinteren Schädelwand und dessen linke Seite im Schnauzentheile mehr als die [683] entgegengesetzte entwickelt ist, die unter dem Oberkieferbeine verborgenen Stirnbeine, die oft verwachsenden Hals- und die große Anzahl der übrigen Wirbel, der regelrechte Bau der Vorderglieder, welche aus je fünf Handwurzel- und Mittelhandknochen, auch ebensovielen drei- bis elfgliederigen Fingern bestehen, unter den Weichtheilen die außerordentlich weite Speiseröhre, der dreifach getheilte Magen, der zwölfmal körperlange Darm etc.


Geripp des Delfins. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Delfins. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Die Delfine beleben alle Meere der Erde und sind die einzigen Wale, welche weit in den Flüssen emporsteigen, ja selbst ihre ganze Lebenszeit in ihnen und in den Seen, welche mit jenen zusammenhängen, verbringen. Sie wandern wie die Wale von Norden nach Süden oder von Westen nach Osten und umgekehrt. Alle sind im hohen Grade gesellig; manche schlagen sich in sehr starke Scharen, welche dann tage- und wochenlang mit einander im Meere hin- und herstreifen. Kleinere Arten vereinigen sich hierbei wohl auch mit Verwandten zu Trupps, welche vielleicht wochenlang gemeinschaftlich jagen und dabei, dem Anscheine nach, von einem Mitgliede der Gesellschaft geleitet werden. Die Lebhaftigkeit aller Delfine, ihre geringe Scheu vor dem Menschen und ihre Spiele haben sie schon seit uralter Zeit Schiffern und Dichtern befreundet.

Fast alle Delfine schwimmen mit außerordentlicher Gewandtheit und Schnelligkeit und sind deshalb zum Fischfange im hohen Grade befähigt. Gerade sie gehören zu den furchtbarsten Räubern des Meeres; sie wagen sich selbst an den ungeheueren Walfisch und wissen diesen, Dank ihrer Ausdauer, wirklich zu bewältigen. Ihre Hauptnahrung bilden Kopffüßler, Weich-, Krusten- und Strahlenthiere; einzelne sollen aber auch Seetange und Baumfrüchte zu sich nehmen und diese sogar von den Bäumen, welche sich über das Wasser neigen, abpflücken. Gefräßig, raubgierig und grausam sind sie alle. Was genießbar ist, erscheint ihnen als gute Beute; sie verschmähen nicht einmal die Jungen ihrer eigenen Art oder ihrer nächsten Verwandten. Unter sich bethätigen sie innige Anhänglichkeit; sobald aber einer von ihnen getödtet worden ist, fallen sie wie die Wölfe über den Leichnam her, zerreißen ihn in Stücke und fressen ihn auf. Zur Paarungszeit streiten die Männchen um den Besitz des Weibchens, und ein etwa im Kampfe getödteter Nebenbuhler wird wahrscheinlich ebenfalls verzehrt. Die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von etwa zehn Monaten ein oder zwei Junge, säugen diese lange, behandeln sie mit der größten Sorgfalt und beschützen und vertheidigen sie bei Gefahr. Man nimmt an, daß die Jungen nur langsam wachsen, aber ein hohes Alter erreichen.

Alle Delfine werden von dem Menschen ungleich weniger verfolgt als die übrigen Wale. Ihre schlimmsten Feinde sind ihre eigenen Familienglieder; aber mehr noch, als irgend welches Raubthier wird ihnen ihr Ungestüm verderblich. Sie verfolgen mit solcher Gier ihre Beute, daß sie oft durch diese auf den verrätherischen Strand gezogen werden, gänzlich außer Fahrwasser gerathen und scharenweise auf dem Trockenen verkommen müssen. Zuweilen finden die Fischer Dutzende von ihnen am Strande liegen. Im Todeskampfe lassen sie ihre Stimme vernehmen: ein schauerliches Stöhnen und Aechzen, welches bei einigen von reichlichen Thränengüssen begleitet wird.

Der Mensch gewinnt von vielen Arten einen erheblichen Nutzen; denn fast alle Theile des Leibes finden Verwendung. Man ißt das Fleisch, das Fett und die edleren Eingeweide, benutzt Haut und Gedärme und schmilzt aus ihrem Specke einen sehr gesuchten, seinen Thran.

[684] Wir können uns auf die Schilderung der bekanntesten und wichtigsten Arten dieser reichhaltigsten Familie der ganzen Ordnung beschränken, weil alle Delfine in ihrem Wesen und Gebaren, ihren Sitten und Gewohnheiten große Uebereinstimmung zeigen.

In der Unterfamilie der Butsköpfe (Phocaeina) vereinigt Gray die Arten mit vorn abgerundetem Kopfe, an welchem der Schnauzentheil des Schädels kaum so lang wie der Gehirntheil ist, und seitlich und ziemlich hoch angesetzten Brustflossen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 683-685.
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