Grind (Globiocephalus melas)

[696] Unter allen Gaben nun, welche das Meer darbietet, ist für die Nordländer und zumal für die Färinger, Isländer und die Bewohner der Orkneyinsel keine wichtiger als die, welche es in Gestalt eines unserer Familie angehörigen Thieres darbietet. Der Wal, welchen ich meine, ist der Grind oder Grindwal der Färinger, »Caaing«, d.h. Treibewal, der Schotten, »Nesernak« oder »Nisernak« der Grönländer, »Schwarzwal, Heul- oder Rottenwal«, auch wohl »Dummkopfwal« der Seeleute insgemein (Globiocephalus melas, Delphinus melas, globiceps, deductor, grampus und Swinewal, Phocaena melas, Globiocephalus Swinewal), Vertreter der Sippe der Rundkopfwale (Globiocephalus) und nach Gray's Ansicht auch einer besonderen Unterfamilie (Globiocephalina), deren Merkmale in dem thatsächlich fast kugelförmigen, wie geschwollen erscheinenden Kopfe, den weit unten eingelenkten sichelförmigen Brustflossen, der von der Mitte des Körpers [696] sich erhebenden Rückenflosse, den breiten, die Oberkiefer bedeckenden Zwischenkiefern und den zwölf bis vierzehn kegelförmigen Zähnen jederseits zu suchen sind. Auch abgesehen von dem kugeligen Kopfe unterscheidet sich der Grind durch die Gestalt seines Leibes sehr erheblich von den bisher genannten und noch zu erwähnenden Delfinen.


Grind (Globiocephalus melas). 1/40 natürl. Größe.
Grind (Globiocephalus melas). 1/40 natürl. Größe.

Der Leib ist nicht spindelförmig, sondern seitlich zusammengedrückt, die Linie des Rückens bis unmittelbar vor der Schwanzflosse fast gerade, von hier aus steil nach dem Schwanze abfallend, die Bauchlinie insbesondere am Vordertheile stark gewölbt, die Seitenlinie vom Kopfe an in sanftem Bogen nach dem Schwanze zu verjüngt, die ziemlich hohe Rückenflosse mit breiter Wurzel aufgesetzt, ihre Vorderseite im unteren Theile fast gerade, im oberen Theile bogig nach hinten gerichtet, ihre Rückseite tief ausgehöhlt, die im ersten Fünftel der Gesammtlänge eingelenkte Brustflosse an der Wurzel sehr verschmälert, an der äußeren und vorderen Fläche von hier an in gleichmäßigem Bogen spitz zugerundet, an der hinteren Fläche dagegen winklig vorgezogen und erst dann in sanft ausgehöhltem Bogen gegen die Spitze hin sich verschmächtigend, so daß sie etwa mit einer kurzen Sense verglichen werden kann, die ziemlich große, zweilappige Schwanzflosse an ihrer Vorderseite nach der Spitze zugerundet, an der Hinterseite in der Mitte tief eingebuchtet und von hier aus in geschwungener Linie der Spitze zugewendet. Das kleine Auge liegt oberhalb des Mundwinkels, das halbmondförmige Spritzloch ungefähr im ersten Achtel der Rückenlänge. In beiden Kiefern des schief von unten nach oben gespaltenen Maules stehen in ziemlich weiten Zwischenräumen zwölf bis vierzehn starke und ziemlich lange, im ganzen kegelförmige, mit der scharfen Spitze etwas rück- und einwärts gebogene, ineinander eingreifende Zähne, welche von vorn nach hinten an Länge und Stärke etwas zunehmen, durchgehends [697] jedoch kaum über einen Centimeter über dem Zahnfleische hervorragen, auch sehr hinfällig zu sein scheinen, indem sie sich nicht allein leicht abnutzen, sondern ebenso im Alter oft ausfallen. Die kahle, glatte und glänzende Haut ist oberseits tiefschwarz, unterseits graulichschwarz gefärbt, ziemlich regelmäßig aber auf der Unterseite des Halses mit einem breiten, weißen, herzförmigen Flecken geziert, dessen Spitze sich nach rückwärts kehrt, bei einzelnen Stücken auch wohl in einen schmalen, bis hinter die Geschlechtstheile sich ausdehnenden Streifen übergehen kann. Sehr alte Männchen erreichen eine Länge von 6 bis 7 Meter, die Mehrzahl bleibt jedoch hinter diesen Maßen um 1 bis 1,5 Meter zurück. Bei einem 6 Meter langen Grinde beträgt der Umfang des Leibes an der dicksten Stelle 3 Meter, die Länge der Brustfinne 1,6 Meter, die größte Breite derselben 50 Centim., die Höhe der Rückenfinne 1,3, die Breite der Schwanzfinne 1,8 Meter.

Obwohl der Grind fast alljährlich an dieser oder jener nordischen Insel, durch eigenes Ungeschick oder vom Menschen getrieben, auf den Strand läuft und, wie im Eingange erwähnt, für die Inselbewohner von erheblicher Bedeutung ist, haben wir doch über sein Werden und Sein, sein Leben und Treiben im hohen Meere, sein Wesen und Gebaren bis jetzt nur sehr dürftige Nachrichten erhalten. Der erfahrene Scoresby bezeichnet ihn als den häufigsten und verbreitetsten aller Delfine; diese Angabe hat jedoch nur in einer gewissen Beschränkung Gültigkeit. Allerdings fällt der Schwarzwal wegen seiner unter Delfinen unübertroffenen Geselligkeit mehr als andere Arten der Familie auf, lebt jedoch wenigstens auf der atlantischen Seite nur innerhalb eines ziemlich beschränkten Gebietes und überschreitet dessen Grenzen auch gelegentlich der von ihm unternommenen unregelmäßigen Wanderungen nicht entfernt so weit wie andere Wale. Als seine wahre Heimat haben wir das Nördliche Eismeer und wahrscheinlich auch wohl den nördlichsten Theil des großen Stillen Meeres anzusehen; es erscheint mindestens noch fraglich, ob der von Cope unterschiedene, zu Ehren Scammons benannte Schwarzwal (Globiocephalus Scammoni) artlich vom Grind sich unterscheidet, oder ob derselbe nicht vielmehr als eine Spielart des Grindwales bezeichnet werden darf. Im nördlichen Eismeere ist dieser zwar überall bekannt, tritt aber nirgends regelmäßig auf, sondern wird nur gelegentlich gesehen: so beispielsweise, nach Brown, in den Sommermonaten längs der ganzen Küste von Dänisch-Grönland. Vom Eismeere aus durchschwärmt er ebenso unregelmäßig den nördlichen Theil des Atlantischen Meeres, unter Umständen selbst bis zur Breite der Straße von Gibraltar vordringend, folgt aber hierbei nicht mit derselben Bestimmtheit wie andere Wale gewissen Straßen. Im Großen Weltmeere scheinen die Verhältnisse etwas anderer Art zu sein: laut Scammon begegnet man ihm vorzugsweise da, wo auch der Kaschelot vorkommt, nicht allzu selten aber, zu zahlreichen Herden geschart, in der Nähe der Küste und zwar in den nördlichen Theilen des Weltmeeres eben sowohl wie unter den niederen Breitegraden. Geselliger als seine Familien- und Ordnungsverwandten, lebt er stets in Trupps und Herden, welche von zehn bis zwanzig zu tausend und mehr ansteigen können, wie es scheint, von alten erfahrenen Männchen geleitet werden und diesen mit derselben Gleichgültigkeit, richtiger Kopflosigkeit, nachfolgen wie die Schafe ihrem Leithammel, wäre es auch zu ihrem Verderben. Sie schwimmen mit bemerklicher Regelmäßigkeit und Stetigkeit durch die Wogen, laut Lösche, nach Art anderer Delfine, indem sie nach jedem Blasen »runden« und, dicht unter der Oberfläche hinziehend, zum Blasen kurz auftauchen, hierbei, durchschnittlich acht- bis zehnmal nach einander, unter scharfem Geräusche einen dünnen, etwa meterhohen Strahl aufwerfend. Wenn sie sehr schnell schwimmen, erheben sie sich oft so weit über die Oberfläche, daß der größte Theil des Kopfes und ein guter Theil des Leibes sichtbar wird. Bei gutem, vollkommen stillem Wetter sieht man, insbesondere in niederen Breiten, nicht selten eine ganze Herde in wirrem Durcheinander förmlich gelagert, d.h. ohne jegliche Bewegung auf einer und derselben Stelle liegend, ohne mit dem Kopfe unterzutauchen und demgemäß auch ohne in der üblichen Weise zu spritzen, also wohlbehaglicher Ruhe sich hingebend. Zu anderer Zeit gewahrt man einzelne, welche eine vollkommen senkrechte Stellung angenommen haben und den größten Theil des Kopfes aus dem Wasser herausstecken. An Schwimmfertigkeit [698] steht der Schwarzwal wohl kaum hinter seinen größeren Verwandten zurück, scheint sich jedoch nicht in dem Grade wie diese in Spielen und Gaukeleien zu gefallen. »Ich habe«, bemerkt Lösche, »sie nur einmal spielen und springen sehen, und zwar während eines schweren Sturmes. Wir hatten beigedreht, um diesen auszuwettern, und sahen plötzlich dicht am Schiffe eine enggeschlossene Schar von mehreren hundert Stücken in größter Eile gegen die hochgehende See anschwimmen, indem sie sich im tollsten Uebermuthe den heranrollenden Wellen entgegenwarfen, dieselben durchschnitten und sich auf der anderen Seite in höchst drolliger Weise herausschnellten. Sie schienen sich an Kühnheit der Sprünge und Seltsamkeit der Stellungen gegenseitig überbieten zu wollen, schwammen mit sich gleichbleibender Eile weiter und entschwanden endlich unseren Blicken.«

Die Nahrung besteht vorzugsweise in verschiedenen Tintenfischen; doch fand man in dem Magen getödteter auch Dorsche, Häringe und andere kleine Fische, Weichthiere und dergleichen.

Ueber die Zeit der Fortpflanzung ist man noch nicht im klaren, und fast will es scheinen, als ob die Paarung an keinen bestimmten Monat gebunden sei, vielmehr während des ganzen Jahres stattfinden könne. In den nördlichen Meeren dürften die meisten Jungen zu Ende des Sommers geboren werden, da man in den Spätherbstmonaten und im Januar die meisten säugenden Weibchen nebst ihren Jungen beobachtet. Für das Stille Meer gilt diese Angabe jedoch nicht; laut Scammon fand man in einem an der Küste von Guatemala erlegten Weibchen im Februar einen fast ausgetragenen Keimling von beinahe Meterlänge, während man im südlichen Eismeere um diese Zeit höchstens halberwachsene Junge anzutreffen pflegt. Die Mutter liebt ihren Sprößling ebenso warm und innig wie andere weibliche Wale ihre Nachkommen und säugt ihn auch dann noch, wenn sie, auf den Strand geworfen, ihrem Tode entgegensieht.

Kein einziges anderes Walthier strandet so häufig und in solcher Menge wie der Grind, dessen Geselligkeit ihm bei Gefahr regelmäßig verderblich wird. Nicht allein, daß die gesammte Herde ihrem Leiter blindlings folgt, läßt sie sich auch durch die Klagelaute eines von Todesnoth bedrängten Genossen herbeilocken und erleidet dann regelmäßig mit ihm dasselbe Schicksal. Vielleicht ist es nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß dieser Wal seinen Tod nicht im Meere, sondern am Lande findet. Kaum ein Jahr vergeht, in welchem nicht hier oder da eine größere oder geringere Anzahl auf den Strand läuft. Im Jahre 1779 verunglückte eine Herde von zweihundert, 1805 eine von dreihundert Stück auf den Shetlandsinseln, ein Jahr später eine solche von zweiundneunzig an der kleinen, zu den Orkaden gehörigen Insel Pamona; in den Jahren 1809 und 1810 wurden elfhundert Stück in einer nach den Grinden Walfjord genannten Bucht auf Island ans Ufer geworfen; am 7. Januar 1812 strandete ein Trupp von siebzig Stück an der Nordküste der Bretagne, anderer Fälle nicht zu gedenken. Ueber die letzte Strandung erhielt Cuvier Bericht.

Zwölf Fischer, welche in sechs Booten ihrem Gewerbe oblagen, bemerkten eine Stunde vom Lande eine große Anzahl Wale. Sie holten Hülfe und Waffen, hetzten die Thiere und trieben endlich ein Junges auf den Strand, dessen Geschrei oder Geplärr die anderen eiligst herbeizog, so daß zuletzt die ganze Herde am Strande liegen blieb. Die Gelegenheit, so große und seltene Thiere zu sehen, zog eine Menge Menschen herbei, darunter auch Cuviers Berichterstatter, welcher nun das Betragen der jetzt so hülflosen Geschöpfe genau beobachten konnte. Die Herde bestand aus sieben Männchen und zwölf Jungen; alle übrigen waren alte Weibchen, von denen mehrere Junge haben mußten, weil ihre Euter so reich an Milch waren, daß diese in Zwischenräumen und selbst noch im Tode daraus hervorspritzte. Bei denen, welche nicht mehr säugten, lagen die Zitzen in einer Grube des Euters verborgen. Die gestrandeten Thiere blieben einige Zeit am Leben, wurden aber schwächer und schwächer, stießen klägliche Töne aus, versuchten vergeblich, sich wieder zu befreien und erwarteten endlich den Tod, wie es schien, mit vollkommener Ergebung. Ein altes Männchen hielt fünf Tage aus, ehe es endlich dem Verderben erlag.

Grinde, nicht aber Schwertfische, waren es wohl, welche am 24. November 1861 in die Kieler Bucht sich verirrt und anfänglich die Fischer in nicht geringen Schrecken versetzt hatten. »Als [699] es hell geworden war«, sagt Möbius, welcher hierüber berichtet, »sah man den ganzen inneren Theil der Bucht von ihnen belebt. Zu vier bis sechs neben einander gereiht, zogen sie herein, dem Hafen zu. Ein Segelboot mit einigen Bootsleuten, welche am frühen Morgen, Möven zu schießen, ausgesegelt waren, folgte ihnen. Ihre schwarzen, säbelförmigen Rückenfinnen traten hoch aus dem Wasser, wenn sich der gewaltige Rücken und dann der Kopf heraushob, um das Nasenloch in die Luft zu tauchen. Alsdann verschwanden sie wieder. So wogte ihr schwarzer Körper auf und nieder und setzte das Wasser, in welchem sie sich kraftvoll tummelten, in Bewegung. Wenn sie über der Oberfläche athmeten, hörte man ein starkes Pusten, und stießen sie im Niedertauchen die Luft aus den Lungen, so stieg ein Strahl von einem bis anderthalb Meter Höhe empor. Je näher diese Riesen der Stadt Kiel kamen, um so mehr Boote sammelten sich hinter ihnen; denn von beiden Ufern eilten Schiffer, Fischer und Neugierige herbei. Sie sollten in den schmalsten, seichtesten Theil der Bucht und zum Stranden getrieben werden: das war der Plan, welchen die Fischer ausführen wollten. Wirklich gelang es ihnen auch, gegen dreißig Thiere von der wohl mehr als fünffach starken Schar, welche sich in der Bucht vertheilt hatte, abzuschneiden und vor sich her in den Hafen zu treiben. Schon waren sie hinter den Schiffen, als unvermuthet zwei Boote vom Lande stießen und gerade auf die Herde zufuhren. Da stob sie auseinander, warf eines jener Boote in die Höhe, so daß es fast umfiel, und floh zwischen und unter den Fischerbooten ins Weite. Man hieb und schoß nach den Fliehenden, von denen einer auf acht bis zehn Meter weit über das Wasser hin sprang, und brachte endlich drei in seichtes Fahrwasser. Allein von diesen entkamen doch noch zwei, so daß nur einer im flachen Schlamme in der Spitze der Bucht strandete. Zahlreiche Stiche und einige Beilhiebe auf den Kopf tödteten den Gefangenen, und er verschied unter lautem Röcheln, welches dem Brüllen eines Bären glich, während dampfend warmes Blut aus dem Rachen und den Wunden floß.«

Hätten die Fischer Kiels die Uebung ihrer hochnordischen Genossen gehabt, so würden sie unzweifelhaft reichere Beute gewonnen haben. Auf allen nördlichen Inseln versucht man schon seit den ältesten Zeiten, die in der Nähe des Landes sich zeigenden Grinde zum Stranden zu bringen. Schon im alten Königsspiegel ist eine freilich etwas dunkle Beschreibung des Fanges enthalten. »Der Sild Reiki oder Fisk Reiki«, so heißt es dort, »treibt die Häringe und alle anderen Arten von Fischen in Menge aus dem hohen Meere nach dem Lande und leistet dem Menschen, anstatt ihm zu schaden, großen Nutzen, als wäre er dazu von Gott eigens bestimmt. Er bringt sie mit, so lange die Fischer das himmlische Geschenk, welches das Meer ihnen bietet, in erlaubter Weise und dankbar annehmen; wenn aber Zank oder gar Schlägerei vorkommt und Blut ins Meer gegossen wird, treibt er, gleichsam, als ob er es vorher wisse, die ganze Schar der Fische, welche er eben erst herbeigeführt, ins hohe Meer zurück und beraubt auf diese Weise die Inselbewohner des ihnen so nothwendigen Gewinnes.« Erst durch viel spätere Mittheilungen ist klar geworden, was das alte Buch mit dem Blutvergießen im Meere meint. Graba schildert den Fang des Grindwales auf den Färöerinseln in ebenso eingehender wie anziehender Weise.

»Am 2. Juli«, so erzählt er, »erscholl mit einemmale von allen Seiten her der laute Ruf ›Grindabud‹. Dieser Ruf zeigt an, daß ein Haufen Grindwale durch ein Boot entdeckt worden sei. In einem Augenblicke war ganz Thorshaven in Bewegung; aus allen Kehlen erscholl es ›Grindabud‹, und allgemeiner Jubel verkündete die Hoffnung, sich bald an einem Stücke Walfleisch zu erlaben. Die Leute rannten durch die Gassen, als ob die Türken landen wollten. Hier liefen welche zu den Booten, dort andere mit Walfischmessern; dort wieder trabte eine Frau ihrem Manne nach mit einem Stücke trockenen Fleisches, damit er nicht verhungere; Kinder wurden über den Haufen gerannt; und vor lauter Eifer fiel einer aus dem Boote in die See. In Zeit von zehn Minuten stießen elf Achtmannsfahrer vom Lande: die Jacken wurden ausgezogen, und die Ruder mit einem Eifer gebraucht, daß die Fahrzeuge wie ein Pfeil dahinschossen. Wir verfügten uns zum Amtmanne, dessen Boote und Leute in Bereitschaft waren, und gingen mit ihm erst auf die Schanze, um von [700] hier zu sehen, wo die Wale seien. Durch unser Fernrohr entdeckten wir zwei Boote, welche Grindabud anzeigten. Jetzt stieg eine hohe Rauchsäule beim nächsten Dorfe auf, gleich darauf eine auf einem benachbarten Berge; überall flammten Zeichen; Boten wurden zu allen benachbarten Ortschaften gesandt; der Fjord wimmelte von Fahrzeugen. Wir bestiegen die Jacht des Amtmannes und hatten bald alle übrigen eingeholt. Jetzt erblickten wir die Wale, um welche von allen Booten ein weiter Halbkreis geschlossen wurde. Zwischen zwanzig bis dreißig Boote, denen wir uns angeschlossen hatten, umringten, jedes etwa hundert Schritte von einander entfernt, den Haufen und trieben ihn langsam vor sich her, der Bucht von Thorshaven zu. Der vierte Theil aller Wale war ungefähr sichtbar; bald tauchte ein Kopf hervor und spie seinen Wasserstrahl aus, bald zeigte sich die hohe Rückenfinne, bald der ganze Oberkörper. Wollten sie den Versuch machen, unter den Fahrzeugen durchzuschwimmen, so wurden Steine und Stücken Blei, an Schnüren befestigt, in das Wasser geworfen; schossen sie rasch vorwärts, so wurde gerudert, daß die Ruder abbrachen. Wo Unordnung vorfiel, wo einige Boote sich zu weit vordrängten oder Fehler begingen, dahin ließ der Amtmann sich rudern, was so schnell geschah, daß schwerlich ein Pferd im gestreckten Galoppe es mit der Jacht aufgenommen hätte. Als die Wale dem Eingange des Hafens nahe waren und nicht leicht mehr entrinnen konnten, eilten wir der Stadt zu. Der Strand wimmelte von Menschen, welche dem ergötzlichen Geschäfte des Mordens zusehen wollten. Wir wählten uns einen guten Standpunkt aus, von wo wir alles ganz in der Nähe betrachten konnten.

Je näher die Wale dem Hafen und dem Lande kamen, desto unruhiger wurden sie, drängten sich auf einen Haufen dicht zusammen und achteten wenig mehr des Steinewerfens und Schlagens mit den Rudern. Immer dichter zog sich der Kreis der Boote um die unglücklichen Schlachtopfer, immer langsamer zogen sie in den Hafen hinein, die Gefahr ahnend; jetzt, als sie in den Westervaag gekommen waren, welcher ungefähr nur zweihundertundfunfzig Schritte breit und doppelt so lang ist, wollten sie sich nicht länger wie die Herde Schafe treiben lassen und machten Miene, umzukehren. Nun nahte der entscheidende Augenblick. Unruhe, Besorgnis, Hoffnung, Mordlust zeigte sich in den Gesichtern aller Färinger. Sie erhoben ein wildes Geschrei; alle Boote stürzten auf den Haufen zu und stachen mit ihren breiten Harpunen diejenigen Wale, welche dem Boote nicht so nahe waren, daß der Schlag ihres Schwanzes dieses hätte zerschmettern können. Die verwundeten Thiere stürzten mit fürchterlicher Schnelligkeit vorwärts, der ganze Haufe folgte und rannte auf den Strand.

Nun begann ein fürchterliches Schauspiel. Alle Boote eilten den Walen nach, fuhren blindlings unter sie und stachen tapfer darauf los. Die Leute, welche am Lande standen, gingen bis unter die Arme in das Wasser zu den verwundeten Thieren, schlugen ihnen eiserne Haken, an welche ein Strick gebunden war, in den Leib oder in die Blaselöcher, und nun zogen drei bis vier Mann den Wal vollends auf das Land und schnitten ihm die Gurgel bis auf den Rückenwirbel durch. Im Todeskampfe peitschte das sterbende Thier die See mit seinem Schwanze, daß das Wasser weit umherstob; die kristallhelle Flut des Hafens war blutroth gefärbt, und Blutstrahlen wurden aus den Blaseröhren in die Luft gespritzt. Sowie der Soldat in der Schlacht alles menschliche Gefühl verliert und zum reißenden Thiere wird, so entflammte die Blutarbeit der Färinger bis zur Wuth und Tollkühnheit. An dreißig Boote, dreihundert Menschen, achtzig getödtete und noch lebende Wale befanden sich auf einem Raume von wenigen Geviertruthen. Geschrei und Toben überall. Kleider, Gesichter und Hände vom Blute gefärbt, glichen die sonst so gutmüthigen Färinger den Kannibalen der Südsee; kein Zug des Mitleidens äußerte sich bei dem gräßlichen Gemetzel. Als aber ein Mann durch den Schlag des Schwanzes eines sterbenden Wales niedergestreckt und ein Boot in Stücke zerschlagen war, wurde der letzte Theil dieses Trauerspiels mit mehr Vorsicht zu Ende gespielt. Achtzig getödtete Wale bedeckten den Strand; nicht ein einziger war entkommen. Sobald das Wasser erst mit Blut gefärbt und durch das Schlagen mit dem Schwanze der sterbenden getrübt ist, erblinden die noch lebenden und taumeln im Kreise umher. Entrinnt auch einer zufällig in das klare Wasser, so kehrt er doch sogleich in das blutige zu seinen Gefährten zurück.

[701] Zum großen Erstaunen der Färinger ging der Fang leicht und glücklich von statten, obgleich der Pastor Gad und mehrere schwangere Frauen zusahen. Man glaubt hier nämlich fest daran, daß die Wale sogleich umkehren, wenn sie einen Prediger vor sich haben; ist ein solcher in der Nähe, so bitten sie ihn, daß er hinter den Booten bleibe. Schwangere Frauen soll der Grind nun gar nicht leiden können; deshalb kamen mehrere Färinger zum Amtmann und baten ihn, diesen zu befehlen, sich zu entfernen, was aber nicht geschah. Trotz Prediger und Frauen wurden alle Grinde in der Hitze erlegt. Sonst läßt man gerne einen entwischen, damit dieser mehrere herbeihole.

Oft trifft es sich, daß der Grind sich nicht gut treiben lassen will, besonders wenn es große Haufen von mehreren hunderten sind. Dann kehrt er sich nicht an das Steinewerfen, geht unter den Booten durch und verursacht den Leuten tagelange, oft ganz vergebliche Arbeit. Oftmals entwischt er, wenn er schon in eine der wenig geeigneten Buchten getrieben ist, durch die Hitze und Unvorsichtigkeit der Leute. Wenn diese nämlich zu frühe stechen, so daß der Grind nicht mit einer Fahrt auf den Strand läuft, so kehrt er wieder um und läßt sich nicht zum zweitenmale treiben; oder wenn sie zuerst solche Grinde treffen, welche nicht mit dem Kopfe gegen den Strand gerichtet sind, so schießen diese Verwundeten in die See hinaus, und der ganze Haufe folgt. Tritt die Nacht ein, bevor man zum Schlachten kommt, so schließen die Boote einen engen Halbkreis vor der Bucht und die Leute zünden Feuer an; dann meint der Grind, es sei der Mond, zieht sich gegen denselben hin und hält sich ruhig bis zum Morgen, an dem dann die Blutarbeit beginnt. Oftmals sind sie entkommen, weil die Geräthe nicht gehörig im Stande gewesen sind; deshalb wird jetzt im Juni von dem Amtmanne und den Sysselmännern eine allgemeine Untersuchung vorgenommen und derjenige bestraft, dessen Boot nicht zum Fange gut ausgerüstet befunden wird.

Nach einer Stunde Ruhe wurden die Körper neben einander gelegt, geschätzt und ihre Größe mit römischen Zahlen in die Haut eingeschnitten. Die Vertheilung geschieht nach der Größe des Landbesitzes, noch ebenso, wie sie seit undenklichen Zeiten vorgenommen wurde. Nachdem nämlich der Beauftragte jeden Fisch gemessen und geschätzt hat, wird von dem Haufen abgezogen der Zehnte, der Findlingswal, der Madwal, der Schadenwal, der Wachtsold, die Vertheilungsgebühren und der Antheil der Armen. Der Zehnte zerfällt in drei Theile, von denen die Kirche einen, der Prediger einen und der König oder dessen Vertreter, der Sysselmann, einen empfängt. Der Findlingswal gebührt demjenigen Boote, welches den Grind entdeckt hat und kann nach Belieben gewählt werden; der Bootsmann, welcher den Grind zuerst gesehen hat, bekommt den Kopf. Der Mad- oder Speisewal ist ein kleiner Grind, welcher von den Anwesenden sofort verzehrt wird. Aus dem Gewinne, welchen der Schadenwal abwirft, werden die beschädigten Boote, Ruder und Geräthe vergütet. Der Wachtsold bezahlt die Leute, welche des Nachts oder so lange die Fische nicht vertheilt worden sind, bei diesen wachen müssen, damit sie nicht wegtreiben. Was nun noch bleibt, wird in zwei gleiche Hälften getheilt, von denen die Leute des Kirchspiels, in welchem der Fang geschehen ist, die eine und das Land die andere bekommt. Jedes Dorf hat eine bestimmte Anzahl Boote, und zu jedem Boote gehören bestimmte Leute. Die Wale werden deshalb bootweise vertheilt. Sobald ›Grindabud‹ erschallt, werden Boten an alle Dörfer versandt, welche bei der Vertheilung in Frage kommen, und diese müssen dann sogleich ihre Boote abschicken, um ihren Antheil zu holen. Kommen sie nicht innerhalb vierundzwanzig oder höchstens achtundvierzig Stunden nach der allgemeinen Vertheilung zu dem Walplatze, so wird ihr Antheil den Meistbietenden verkauft, und das daraus gelöste Geld fällt der Armenkasse zu. Der Grund ist der, daß nach zwei Tagen die Wale verderben, ranzig und ungenießbar werden. Der Färinger sagt: die Leber brenne nach außen.

Nachdem jedem Boote sein Antheil zugewiesen war, wurden die Fische zerlegt. Dies geschieht in folgender Weise. Sobald sie auf das Land gezogen sind, werden zuerst die Finnen ab- und dann der Körper in der Mitte durchgeschnitten. Nun wird der Speck in breiten Streifen, darauf das Fleisch in Stücken abgelöst, Leber, Herz und Niere, die schmackhaftesten Bissen für die Färinger, herausgenommen und darauf der Rumpf umgekehrt und mit der anderen Seite ebenso verfahren.

[702] Der Nutzen dieser Thiere für das Land ist sehr groß. Man rechnet im Durchschnitt auf jeden Wal eine Tonne Thran, welche im Handel mit elf Thaler bezahlt wird. Fleisch und Speck werden frisch gegessen und eingesalzen getrocknet. Je frischer das Fleisch zerschnitten wird, desto besser der Geschmack. Ich habe das frische Walfleisch gekocht recht gern gegessen: es hat Aehnlichkeit mit grobem eingepökelten Rindfleische. Der Speck hat fast gar keinen Geschmack, war mir aber widerlich. Wenn die Färinger vierzehn Tage lang frisches Walfleisch gehabt haben, glänzen ihre Gesichter und Hände, sogar die Haare von Fett. Nach achtundvierzig Stunden ist das Fleisch nicht mehr zu genießen und wirkt als Brechmittel. Die Haut an den Finnen wird zu Riemen an den Rudern gebraucht, und von den Gerippen werden Einfriedigungen um das Land gemacht; der Magen wird aufgeblasen und zur Aufbewahrung von Thran angewandt, so daß nur die Eingeweide unbenutzt bleiben, welche durch Boote in die See hinausgeschleppt werden, damit sie nicht am Lande faulen.«

Auf hohem Meere jagt man nur ausnahmsweise auf Schwarzwale. Waljäger, welche noch bessere Jagd erhoffen, lassen seinethalben kein Boot herab, und nur ein oder das andere Schiff beschäftigt sich gelegentlich auch mit seinem Fange. Die Jagd beginnt in ähnlicher Weise wie auf andere Wale, nur mit dem Unterschiede, daß jedes Boot sich seine besondere Beute erwählt und alle höchstens insofern zusammenwirken, als sie sich bemühen, die Herde zu sprengen. In der Regel bekundet der Schwarzwal bei Ankunft seiner Gegner die größte Angst und dieselbe Kopflosigkeit wie in der Nähe der Küsten, schwimmt langsam nach allen Richtungen davon und gibt somit den verfolgenden Booten gute Gelegenheit, ihm die Wurflanze in den Leib zu schleudern. Sehr oft erliegt er dem ersten Wurfe, wenn nicht, einigen nachfolgenden Lanzenstichen. In seltenen Fällen ereignet es sich, daß einer oder der andere das Boot annimmt; doch geschieht auch dann nur ausnahmsweise ein Unfall. Sofort nach dem Tode sinkt der Grind zu Boden und bleibt hier, wenn das Schiff nicht in unmittelbarer Nähe ist, bis nach beendigter Jagd liegen. Man vermerkt ihn durch eine Boje und jagt weiter, in der Regel mit so viel Glück, daß man eine ziemliche Anzahl der Herde er beutet.

Kein anderer Wal, kein anderes Seethier überhaupt, hat die Dichter und Naturforscher der Alten in gleicher Weise beschäftigt, zu den glühendsten Schilderungen und zu der wunderlichsten Fabelei begeistert wie der Delfin. Er ist es, welcher Arion nach Tänarium zurückbringt, bezaubert von dem herrlichen Spiele und Gesange des Dichters, den räuberische Schiffer gezwungen hatten, ins Meer zu springen; er ist es, von dem Plinius die hübsche Geschichte des Knaben erzählt, welcher durch wiederholtes Füttern mit Brod in solchem Grade die Liebe eines Delfins sich erwarb, daß dieser ihn mehrere Jahre lang täglich über den Lucrinischen See nach Puteoli in die Schule trug und auf dieselbe Weise wieder nach Hause brachte. »Als der Knabe starb, erschien der Delfin noch immer am gewohnten Orte und grämte sich bald darauf über den Verlust seines Lieblings zu Tode.« Weiter wird gefabelt, daß im Alterthume die Delfine beim Fange der Meerbarben behülflich waren, indem sie dieselben scharenweise in die Netze trieben und für diesen Dienst mit einem Theile der Beute und mit Brod belohnt wurden, welches in Wein getränkt war. Als ein König von Carien einen gefangenen Delfin im Hafen festketten ließ, erschien eine große Anzahl der noch freien und gab durch deutliche Zeichen die Bitte kund, ihren Gefährten freizulassen, so daß der König nicht widerstehen konnte. Plinius erzählt ganz ernsthaft, daß jüngere Delfine stets von einem älteren begleitet würden, welcher als Leiter oder Hofmeister anzusehen wäre. Auch soll man Delfine gesehen haben, welche einen Todten wegtrugen, damit er nicht von anderen Fischen zerrissen würde etc. Der alte Geßner nimmt nicht allein die vorstehenden Angaben als unzweifelhafte Thatsachen gläubig hin, sondern weiß sie, dank seiner Belesenheit, noch durch viele andere zu vervollständigen, vergißt auch nicht zu erzählen »von würdigkeit der Delphinen und wie hoch sie geachtet«.

[703] »Der Delphin wirt billich genennt und geachtet der König und Regent deß Meers und Wassers, von wegen seiner anmutung, geschwindigkeit, stercke, listigkeit und schnelle, auß welcher ursach die König von Frankreich auch etliche andere Fürsten und Regenten die Delphin zu einem wappen führen, und sein gestallt auff mancherley gülden silberin müntz geschlagen, erzeigen, in dem gemähl, fanen und paneren führen. Es bekompt auch zu aller zeit der erstgeborne son deß königs von Frankreich den Namen Delphin, führt auch solchen zu einem wappen. Auff mancherley müntz der Keyser werden sie geschlagen, als Augusti, Tyberij, Ruffi, Domitiani, Vitellij, Item der Griechen, der mehrerteihl Königen, welche sie in jrem schimpffwerk treiben, so sie spielen, springen oder geilen, welcher Müntz eine oben gesetzt ist, welche beyder seiten gestalt erzeigt.«

»Item in des Keysers Titi Vespasiani müntz wirt gesehen ein Ancker mit eim umbgeschlagenen Delphin, welches geschwindigkeit und staunnung, thun und lassen, nach gestalt der sach bedeuten wil, dann sonst bedeutet er auch der mehrertheil, das Meer, herrschung der Wasser, anmutung gegen den jungen Kinden, einbrünstigkeit, art der liebe und der gleichen.«


Delfin (Delphinus Delphis). 1/18 natürl. Größe.
Delfin (Delphinus Delphis). 1/18 natürl. Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 696-704.
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