Axis (Cervus Axis)

[149] Der Axis (Cervus Axis, Axis maculata) ist, soweit die Färbung in Betracht kommt, einer der schönsten, wo nicht der schönste aller Hirsche. Der Leib ist gestreckt, aber niedrig gestellt und deshalb gedrungen erscheinend, der Hals verhältnismäßig dick, der Kopf kurz, regelmäßig gebaut, nach der schmalen und kurzen Schnauze hin gleichmäßig sich verschmächtigend, das Gehör mittellang, lanzettförmig, schmal, innen kaum, außen leicht behaart, der Wedel ziemlich lang, gerundet, kaum breiter als dick. Das schön leierförmige Geweih biegt sich von der Wurzel ab nach hinten, außen und oben. Der Augensproß entspringt unmittelbar an der Rose und wendet sich von hier aus nach vorn, außen und oben, der Gabelsproß zweigt sich etwa in der Mitte der Stange ab und wendet sich nach oben und ein wenig nach hinten. Ein angenehmes Grauröthlichbraun ist die Grundfärbung; der Rückenstreifen erscheint sehr dunkel, auf dem Widerriste fast schwarz; Kehle, Gurgel, Bauch und Innenseite der Läufe sind gelblichweiß, die Außenseiten der Läufe gelblichbraun. Sieben Reihen weißer, ziemlich unregelmäßig gestellter Flecken auf jeder Seite, bilden die Zeichnung. In der untersten Reihe stehen die Flecken so dicht zusammen, daß sie sich längs der Weichen und auf den Hinterschenkeln zu einem fast ununterbrochenen Bande vereinigen. Der Kopf und die Seiten des Unterhalses sind ungefleckt. Ueber den Stirntheil der Schnauze von einem Auge zum andern verläuft, hufförmig nach vorn sich biegend, eine dunkle Binde; auch die Mitte des sonst lichten Scheitels pflegt dunkler zu sein. Die braune Binde hinter der Muffel ist schmal und wird von dieser durch einen dreieckigen Flecken von gelblicher Farbe getrennt. Das Gehör ist außen graubraun, an der Wurzel unbedeutend lichter als in der Mitte. Der Wedel ist auf der Außenseite lichtbraun, auf der untern weiß, welche Färbung zum Vorscheine kommt, sobald er erhoben wird. Die Innenseite der Keule ist ziemlich reinweiß.

Auf allen Ebenen Ostindiens und den benachbarten Inseln lebt der Axis in großer Anzahl, bei Tage wohl versteckt in den Rohrwaldungen und im Grase der steppenartigen Gegenden, nachts in starken Rudeln umherschweifend und sich äsend. Er bildet einen Gegenstand der eifrigsten Jagd der Eingebornen, und seinetwegen hauptsächlich werden von den indischen Fürsten oft tausende aufgeboten. Außerdem erlegt man ihn bei den Tigerjagden in namhafter Menge. Diese vielfachen Nachstellungen mögen die Ursache sein, daß das Thier da, wo es sich verfolgt weiß, mindestens ebenso scheu ist als unser Hochwild. Demungeachtet wird der gefangene Axis bald und vollständig zahm. Man hat ihn schon vor Jahren nach England eingeführt und in Erfahrung gebracht, daß er sich in dem milden Klima vortrefflich hält; von England aus ist er später weiter [149] versandt worden und unter anderem auch nach Deutschland gekommen. In einem Parke bei Ludwigsburg soll er bereits vor funfzig Jahren eingeführt worden sein. Nach den bisherigen Erfahrungen steht seiner Weiterverbreitung ein Hindernis im Wege: die Unregelmäßigkeit der Zeit seiner Fortpflanzung. Die meisten Hirsche dieser Art haben sich, wenn man so sagen darf, allerdings an unser Klima gewöhnt; sie werfen ihr Geweih rechtzeitig ab und treten zur günstigsten Jahreszeit auf die Brunst, die hochbeschlagenen Thiere setzen auch im Frühjahre, und ihre Kälber gedeihen dann vortrefflich: aber einzelne Axishirsche bringen noch immer ihr Kalb mitten im Winter und machen ein erwünschtes Gedeihen des eingebürgerten Stammes sehr fraglich, wo nicht unmöglich; denn selbstverständlich gehen die meisten von den im Winter geborenen Kälbern, infolge der Witterungseinflüsse sowohl als auch wegen Mangel an geeigneter Nahrung für die Mutter, erbärmlich zu Grunde.


Axishirsch (Cervus Axis). 1/15 nätur. Größe.
Axishirsch (Cervus Axis). 1/15 nätur. Größe.

Wäre dies nicht der Fall, so würden wir wahrscheinlich jetzt schon alle größeren Parks mit diesem schmucken Wilde bevölkert sehen, da es im übrigen nur wenige Hirsche gibt, welche so geeignet sind wie der Axis, ein umschlossenes Gehege zu beleben. Die Bewegungen des Thieres sind allerdings weder so zierlich noch so schnell und ausdauernd wie die anderer Hirsche von der gleichen Größe, aber immerhin anmuthig genug, um ein Jägerauge zu erfreuen. Ueber das Betragen des Axis wüßte ich nichts zu sagen, was als ihm eigenthümlich bezeichnet werden könnte; nach meinem Dafürhalten kommt er hierin am meisten mit dem Damwilde überein.

[150] Die meisten übrigen Hirsche Indiens werden gegenwärtig ebenfalls einer besonderen Untersippe zugezählt, welcher man den malaiischen Namen Russa gegeben hat, einfach deshalb, weil dieses Wort Hirsch bedeutet.


Sambur oder Saumer (Cervus Aristotelis). 1/18 natürl. Größe.
Sambur oder Saumer (Cervus Aristotelis). 1/18 natürl. Größe.

Man kann nicht verkennen, daß alle indischen Hirsche ein gewisses, ihnen eigenthümliches Gepräge bekunden, welches sie sehr von ihren in Europa oder in Amerika lebenden Verwandten unterscheidet, sich jedoch besser herausfühlen als beschreiben läßt.

Im allgemeinen mag gesagt werden, daß die betreffenden Thiere mehr oder weniger untersetzt gebaut, starkgliederig, kurzhälsig und kurzköpfig, aber verhältnismäßig langschwänzig und mit groben, brüchigen, dünnstehenden Haaren bekleidet sind, und daß die Geweihe, welche nur die männlichen Hirsche zieren, niemals mehr als sechs Enden zeigen. Die Geweihstangen biegen sich wenig nach außen und hinten und senden außer dem Augensproß nur noch ein Gabelende ab. Der Kopf ist gewöhnlich hinten viel breiter als vorn, gleichwohl am Geäse abgestutzt und immer noch breit; die Lichter sind groß, die Thränengruben oft außerordentlich entwickelt; das Gehör ist verhältnismäßig klein. Bei manchen Arten kommen Mähnen am Halse vor, welche jedoch mit den Haarwucherungen unserer Hirsche an der gedachten Leibesstelle nicht verglichen werden können. Bezeichnend ist der lange und stets reichlich mit grobem Haare bekleidete Schwanz oder Wedel.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 149-151.
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