Elenantilope (Buselaphus Oreas)

[244] Die Elen- oder Elandantilope, beziehentlich Kanna, Poffo und Impufo der Kaffern, Tgann der Hottentotten (Buselaphus Oreas, Antilope, Damalis und Buselaphus Oreas, [244] Alce capensis, Antilope, Oreas und Buselaphus Canna), erreicht eine Länge von fast 4 Meter, wovon 70 Centim. auf den Schwanz kommen, bei 2 Meter Höhe am Widerrist und fünfhundert, nach Harris sogar bis tausend Kilogramm an Gewicht, kommt also einem mittelgroßen Ochsen an Größe und Schwere vollkommen gleich. Die Färbung ändert sich nach dem Alter. Erwachsene Böcke sind auf der Oberseite hellbraun oder gelblichgrau, rostroth überlaufen, an den Seiten weißgelblich, unten und auf den Außenseiten der Unterschenkel gelblichweiß, am Kopf hellgelblichbraun, während die Nackenmähne und ein Haarbüschel am Unterhalse gelblichbraun oder dunkelbraunroth aussehen.


Elenantilope (Buselaphus Oreas). 1/24 natürl. Größe.
Elenantilope (Buselaphus Oreas). 1/24 natürl. Größe.

Der Rückenstreifen hat etwa dieselbe Färbung. Ein Fleck über dem Beuggelenke der Vorderbeine ist braun und ein Ring, welcher sich um die Fesseln zieht, rothbraun. Die Kuh ist weit kleiner und leichter gebaut, ihr Gehörn länger und schlanker, in der Regel auch weiter auseinander gestellt und verschieden gebogen, die Wamme klein oder fehlend, die Färbung stets dunkler als die des Bockes. Ein im Frankfurter Thiergarten geborenes Junge war 65 Centim. hoch, hatte einen äußerst feinen und schlanken Kopf mit etwa 3 Centim. hohen Hörnchen, hohe, im Gelenk ungemein stark entwickelte Läufe und im allgemeinen die schöne gelblichgraue Färbung der Mutter, zeigte jedoch auf der einen Seite zehn, auf der anderen acht weiße Querlinien von höchstens 1 Centim. Breite, welche vom Rücken aus quer über die Seiten her unter dem Bauche verliefen.

[245] Gray und später Heuglin haben andere Arten von Rindsantilopen beschrieben, wahrscheinlich aber nur Spielarten der Elenantilope vor sich gehabt. In ihrer äußeren Erscheinung ist die Elenantilope, wie Schweinfurth sehr richtig bemerkt, ebenso veränderlich wie das Hartebeest und andere weit verbreitete Antilopenarten, besonders was das Gehörn anlangt, da dieses hinsichtlich seiner Gestalt und Biegung wie beziehentlich seiner Windungen vielfach abweicht. »So viel ich ihrer gesehen«, sagt genannter Forscher, »waren die Elenantilopen stets durch eine hell-ledergelbe, an den Seiten isabellfarbene, äußerst kurze und glatte Behaarung ausgezeichnet, die aufrechtstehenden Mähnenhaare aber schwarz. In den von mir bereisten Gegenden scheint das Fell stets deutlich gestreift zu sein, und dies ist sicherlich kein Merkmal der Jugend, wie einige Reisende vermuthet, da ich sehr alte Böcke gesehen habe, welche beiderseits je funfzehn schmale, gleichlaufende Querstreifen von reiner weißer Färbung aufzuweisen hatten. Diese Streifen sind nur so breit wie ein Finger, nehmen von der Schwanzlängslinie des Rückens ihren Ursprung und verlaufen bis mitten auf den Bauch herab, welcher oft durch einen großen schwarzen Fleck gezeichnet ist.«

Das Verbreitungsgebiet der Elenantilope erstreckt sich über einen viel größeren Theil von Afrika, als man früher angenommen hatte. Bis zu Heuglins und Schweinfurths Forschungen nahm man an, daß das Thier nur im Süden des Erdtheils vorkomme; gegenwärtig wissen wir, daß es von hier aus in allen geeigneten Gegenden der Südhälfte und noch bis weit diesseit des Gleichers auftritt. Im vorigen Jahrhunderte lebte es noch innerhalb der Ansiedelungen des Vorgebirges der guten Hoffnung; anfangs dieses Jahrhunderts, als Lichtenstein genannte Gegenden besuchte, hielt es sich noch in ziemlich großen Herden von zwanzig bis dreißig Stück an den Grenzen der Ansiedelungen auf; gegenwärtig ist es weiter nach dem Innern zurückgedrängt und jenseit des Wendekreises des Steinbocks bereits so selten geworden, daß Fritsch glaubt, der letzte Europäer gewesen zu sein, welcher einen Trupp von funfzig Stück südlich dieses Wendekreises gesehen hat. Häufig dagegen tritt es auch jetzt noch überall in den südlich und nördlich des Gebirges gelegenen Theilen von Mittelafrika auf. Im Bongolande, am oberen Weißen Nil, ist es, nach Schweinfurth, gemein, obschon es hier nur selten in so starke Herden sich zusammenschlagen dürfte, wie dies, laut Harris, im südlichen Afrika geschieht. Seine bevorzugten Weideplätze sind die mit Mimosen spärlich bestandenen grasigen Ebenen, von denen aus es zur Zeit der Dürre nach den wasserreichen Niederungen herabkommt. Auffallenderweise findet es sich aber auch in gebirgigen Gegenden und hier auf den rauhesten Stellen, auf schwer zugänglichen Gipfelflächen z.B., wo es, in hohem Grade begünstigt durch die Oertlichkeit, vor den Nachstellungen des Jägers meist gesichert ist. Lieblingsplätze von ihm sollen niedere, sandige, einzeln mit Mimosen bestandene Hügel sein, wie sie, gleich Inseln im Meere, im südlichen Afrika so oft aus den steinigen und kiesigen, pflanzenlosen Ebenen hervortreten. Am häufigsten bemerkt man es in Trupps von acht bis zehn Stück, von denen eins, höchstens zwei männlichen Geschlechtes sind. Zu gewissen Zeiten des Jahres aber rudeln sich solche Trupps zuweilen zu Herden von bedeutender Anzahl: Harris spricht von einer solchen, welche gegen dreihundert Stücke zählen mochte. Eine derartige Herde ähnelt, von fern gesehen, der des Hausrindes in so hohem Grade, daß man sie mit solcher verwechseln kann. Einige der Thiere gehen, langsam grasend, auf und nieder, andere sonnen sich, andere ruhen wiederkäuend im dürftigen Schatten der Mimosen; kurz der Trupp gleicht friedlich weidenden Kühen auf das täuschendste. Beim Verändern des Weidegebietes trollt die Elenantilope unter Leitung eines alten Bullen in geschlossenen Massen ihres Weges fort, einem Reiterregiment vergleichbar, welches unter sicherer Führung langsam seines Weges zieht. Verfolgt fallen die Thiere in einen zwar nicht raschen, aber doch ungemein fördernden Trab, hart bedrängt in sausenden Galopp, bei welchem, wie Schweinfurth sagt, die runden, dünnen Leiber auf den schwachen und kurzen Beinen förmlich vorüberzufliegen scheinen. Junge Bullen und Kühe laufen weit schneller und ausdauernder als [246] die alten und schlagen häufig das beste Pferd, wogegen die alten Böcke in der Regel nur kurze Zeit ausdauern und jedem gut berittenen und geübten Reiter sicher zur Beute werden. Gleichwohl ersteigen sie Hügel und Berge mit Leichtigkeit, wissen auch über unzugängliche Gipfel zu kommen. Wenn sie auf der Flucht die Wahl haben, laufen sie regelmäßig gegen den Wind, so daß man annehmen muß, sie wären sich dieses Vortheils dem Reiter gegenüber wohl bewußt.

Die Aesung der Elenantilope besteht, nach Lichtenstein, in denselben Kräutern, welche in den bewohnteren Gegenden das treffliche Futter für die Schafe und Rinder abgeben, und deren würzige Eigenschaften allem Vieh so besonders wohlthätig zu sein scheinen. »Beim Ausweiden des Thieres erfüllt der Geruch der in dem Magen und den Eingeweiden enthaltenen Kräuter die Luft rings umher, obgleich eben diese Kräuter, wenn man sie trocken abpflückt, wenig duften, und man erst durch den Geschmack von ihrer Kraft überzeugt wird.« Wie manche Rinder- und viele Antilopenarten verbreiten die alten Bullen einen so starken Moschusgeruch, daß man an diesem nicht allein das Thier auf weithin wahrnehmen, sondern auch die Plätze, auf denen es der Ruhe pflegte, noch geraume Zeit, nachdem es sie verlassen, deutlich zu erkennen vermag.

Mit Ausnahme der dürren Monate, welche Mangel und damit eine gewisse Entmuthigung über die Herden der Elenantilopen bringen, liegen die alten Böcke oft mit einander im Streite, und ihre Kämpfe werden zuweilen so heftig, daß sie sich gegenseitig tiefe Wunden zufügen oder ihre Hörner abstoßen. Einzelne bösartige Bullen vertreiben in der Regel alle übrigen Männchen von der Herde und zwingen sie, sich ihrerseits zusammen zu rudeln, während sie einzig und allein die Kühe unter ihre Obhut nehmen. Eine bestimmte Brunstzeit scheint nicht stattzufinden; Harris versichert wenigstens, daß man zu allen Jahreszeiten trächtige Kühe und neugeborene Kälber finde. Die Dauer der Trächtigkeit beträgt, wie man an Gefangenen beobachtet hat, 282 Tage.

Jung eingefangene Elenantilopen lassen sich ebenso leicht, vielleicht leichter noch zähmen als gutmüthige Wildrinder, begeben sich ohne Bedenken unter die Pflegerschaft einer kalbfreundlichen Kuh, mischen sich später unter die Herden des Weidehornviehes und erweisen sich selbst noch in höherem Alter als verhältnismäßig sanftmüthig und lenksam.

In der Neuzeit sind sie in den Thiergärten Europas eine gewöhnliche Erscheinung geworden. Alle hier vertretenen Stücke stammen, wie Weinland berichtet, von zwei Paaren ab, welche in den Jahren 1840 und 1851 der Earl von Derby in England eingeführt hat. Ein Nachkomme des ersten Paares, welcher im Jahre 1846 geboren wurde, lebt heute noch. Von London aus kamen die Thiere zunächst in die Gärten und Parks Großbritanniens, und von dort aus wieder nach den Thiergärten des übrigen Europa. Sie zeigen die Gutmüthigkeit und Dummheit des Rindes und pflanzen sich ohne Schwierigkeiten fort. Man hat sie deshalb als sehr geeignet zur Einbürgerung in Europa erkannt und bereits mehrfach günstige Versuche angestellt. Die Engländer nahmen sich der Sache mit besonderem Ernste an. In dem Regentspark sind schon alle zu erwartenden Jungen im voraus von reichen Gutsbesitzern bestellt, und einzelne geben sich der kühnen Hoffnung hin, nach geraumer Zeit diese Antilope auf allen größeren Gütern unter den Rindern weiden zu sehen.

Vor einigen Jahren wurde ein junger Bulle geschlachtet und sein Fleisch sowohl auf der königlichen Tafel zu Windsor, wie an einer Tafel in den Tuilerien zu Paris und auch an einer Tafel von Lords und Gemeinen gekostet und daran die richtige Mischung von Feistlagen zwischen den Muskelfasern als besonders vorzüglich gerühmt. Die Engländer, welche man hierin als gute Richter anerkennen muß, behaupten, daß es gar kein besseres Fleisch gäbe. Sie bestätigen hierdurch die Berichte früherer Reisenden in Südafrika, welche einstimmig sind im Lobe des Wildprets der Elenantilope. Kein Wunder daher, daß man das großen Gewinn bringende Thier überall, wo es vorkommt, eifrig jagt. Am Vorgebirge der Guten Hoffnung soll man es früher in Fallgruben und Schnellgalgen, welche in der Umzäunung der Felder und Gärten angebracht wurden, gefangen haben; gegenwärtig jagt man es so gut wie ausschließlich zu Pferde, hetzt es, bis es ermattet, [247] und schießt ihm dann eine Kugel durch den Leib. Fritsch schildert eine derartige Jagd mit gewohnter Meisterschaft. Man erblickte einen Trupp dieses Wildes, ohne es zu erkennen, stritt sich jedoch nicht lange darüber, ob es Springböcke, Elands oder Quaggas wären, sondern sprengte in scharfem Galopp näher und näher.

»Nie werde ich«, so schildert unser, als Jäger wie als Forscher gleich tüchtiger Reisender, »die nächsten Augenblicke vergessen, wenn sie sich auch in sinnverwirrender Schnelligkeit folgten: sie gehören zu den denkwürdigsten meines Lebens; nie werde ich mir aber ganz klar darüber werden, wie wir uns plötzlich sozusagen zwischen den Thieren befanden, über deren Natur wir eben noch der großen Entfernung wegen gestritten hatten.

Eine fieberhafte Aufregung schien nicht nur die Reiter, sondern auch die Pferde erfaßt zu haben, welche uns in rasendem Laufe durch das gerade offene Terrain dahintrugen. Durch den dröhnenden Hufschlag der Pferde und das wilde Stampfen der aufgescheuchten Thiere tönte M'Cabe's Stimme zu mir herüber, der entzückt ausrief: ›By Jove, they are Elands!‹ (Beim Jupiter, es sind Elands!). Im nächsten Augenblicke rollte er im schweren Sturze mit seinem Pferde zusammen; aber, wer dreht sich mitten im Gefecht nach einem fallenden Gefährten um, wer hält, das flüchtige Wild im Auge, um einem Gestürzten aufzuhelfen?

Beim Jupiter, es waren Elands! Wenigstens funfzig an der Zahl zogen die mächtigen Thiere in stolzem Trabe vor uns dahin, zeitweise die Köpfe nach uns zurückwendend, und bald theilten sie sich, von den Verfolgern gedrängt, in mehrere Abtheilungen, in denen sich jeder sein Opfer zu wählen hatte. Auf die alten, feisten Bullen war es zunächst abgesehen, da diese würdigen Herren wegen ihres gerundeten Bäuchleins nicht mehr so gut laufen können und zugleich die reichste Beute abgeben; in der Abtheilung vor mir befand sich indessen kein solcher, wohl aber ein prächtiger, junger Bulle, dem ich meine besondere Aufmerksamkeit zuwandte.

Dahin ging die wilde Jagd durch das Gestrüpp, die Dornen zerissen im Vorbeistreifen die Kleider, man achtete es nicht; Zweige schlugen gegen den Kopf des Reiters, wenn er sich nicht tief genug bückte, er fühlte es nicht; man sah nur das Wild vor sich, hörte nur ein eigenthümliches Sausen in den Ohren, hervorgerufen mehr durch das Toben des Blutes in den Adern, denn durch das Vorbeistreifen der Luft.

Näher und näher drängte mein Pferd gegen die Thiere heran, bis sie endlich den Trab, ihre natürlichste Gangart, in welcher sie unermüdlich sind, aufgaben und in den verhängnisvollen Galopp fielen, den sie nur kurze Zeit auszuhalten vermögen. Der Bulle trennte sich jetzt von den flüchtigen Kühen und Kälbern, deren schlankere Figuren schnell zwischen den Bäumen verschwanden, während mein Opfer die schweren Glieder nur noch mühsam im Galopp bewegen konnte.

Zu wiederholten Malen versuchte das Eland in den bequemeren Trab zurückzufallen; aber mein Pferd hielt sich prächtig bei dieser Jagd, so daß ich durch gelindes Antreiben stets das Wild aufs neue zum Galoppe brachte, bis es endlich vollständig erschöpft im Schritte vor dem dicht aufjagenden Pferde einherzog. Eine Kugel, die ich ihm von hinten in das Kreuz schoß, fing sich in den Knochen, eine zweite, welche das Eland im Vorbeisprengen in die Schulter erhielt, erfüllte ebenfalls ihren Zweck nicht, so daß ich absprang, um den einen Lauf wieder zu laden. Bevor die Antilope, welche sich nur noch mühsam bewegen konnte, zwischen den Büschen verschwand, war ich wieder im Sattel; wenige Galoppsprünge brachten mich aufs neue an ihre Seite, und ich versuchte nun, dieselbe in der Richtung des Wagens zurückzutreiben. Dreimal brachte ich das Thier zum Umdrehen; doch stets drang es nach wenigen Schritten mit den gewaltigen Hörnern gegen mich an, so daß ich ihm Raum geben mußte, und die Unausführbarkeit meines Vorhabens einsehend, streckte ich es endlich durch einen Schuß hinter das Blatt nieder.

Vor und hinter mir drangen jetzt aus der Ferne auch die Schüsse der Jagdgefährten zu mir herüber, und der alte Führer, welcher meine Spur aufgenommen hatte, kam fröhlich über die glückliche Jagd auf seinem mageren Gaule angesprengt. Wie eine Henne ihre Küchlein herbeilockt, so [248] rief seine gellende Stimme die Jäger zusammen, welche sich auch in kurzer Zeit ziemlich vollständig zusammenfanden. Zu meiner Freude erschien auch M'Cabe wohl und munter auf seinem Rößlein, und sein zufriedenes Gesicht verrieth deutlich, daß er die Elands nicht ganz ungerupft hatte entrinnen lassen. Das scharfe Auge der Afrikaner hatte schnell in dem Trupp zwei besonders alte Bullen erkannt, deren schwerfällige Gangart ihnen eine leichte Jagd versprach, und obgleich aufgehalten durch seinen Sturz, hatte M'Cabe doch seine Leute nicht aus dem Auge verloren; schnell war er wieder im Sattel und warf nach kurzer Jagd das Eland durch eine Kugel nieder. Der zweite Bulle wurde durch den Achterrijder verfolgt, welcher das Thier, trotzdem es das älteste aus dem ganzen Trupp war, erst nach langer Jagd einholte und mit vier Kugeln endlich auf den Grund brachte. So waren uns binnen einer halben Stunde die drei schwersten Stücke des Trupps als Beute verfallen, und wir brauchten uns nicht zu schämen, nach dem Dorfe zurückzukehren.

Es galt nun noch das Bergen der Beute, zu welchem Zwecke wir, nachdem Wachen beim Walde zurückgelassen waren, alsbald zu den Wagen eilten, um dieselben zum Abholen des Fleisches zu beordern. Die vorgerückte Zeit nöthigte uns, diese Arbeit bis zum nächsten Tage zu verschieben, der sich ebenfalls bereits zum Ende neigte, als der Wagen mit den zerlegten Elands zurückkehrte. Am Lagerplatze waren unterdessen Trockengestelle errichtet worden, und sobald die Beute ankam, stürzte sich alles darüber her, um das Fleisch zuzubereiten.

Auf ebenso unbegreifliche Weise, wie sich die Aasvögel Kunde von dem Vorhandensein der Beute verschaffen, wird es den Buschleuten bekannt, daß irgendwo etwas für sie zu erhaschen ist: nach wenigen Stunden war eine ganze Anzahl derselben vorhanden, und unserer Einladung folgend, betheiligten sie sich eifrig an dem Zerlegen des Fleisches, indem sie anstatt der Messer sich der langen Klingen ihrer Assegaien beim Schneiden bedienten. Allmählich rundeten sich die Bäuchlein der ausgehungerten Wilden mehr und mehr; jede Pause in der Arbeit wurde schleunigst dazu benutzt, Fleischstücke in die Asche zu legen, bevor sie noch ordentlich warm waren, dieselben herauszuzerren und zu verzehren.

Die Thaten, welche ich hier von menschlichen Kinnbacken verrichten sah, waren geradezu erstaunlich; einer der Buschleute röstete sich z.B. die Achillessehne eines Elands und verzehrte dieselbe mit dem größten Appetite, ohne daß seine Kauwerkzeuge in der Zähigkeit der Speise die geringste Schwierigkeit zu finden schienen. Durch die Unterstützung so eifriger Gehülfen hatten wir bald die Beute klein gemacht, und die Gestelle waren dicht behangen mit den Streifen des Wildprets, welche vor dem Aufhängen mit Salz besprenkelt wurden.«

Wie Lichtenstein bemerkt, behaupten die Bauern am Vorgebirge, daß man die Elenantilope leichter als irgend eine andere durch anhaltendes Verfolgen zu Tode jagen könnte, und führen als besondere Merkwürdigkeit an, daß man in solchen niedergehetzten Thieren das Fett des Herzbeutels, in vollkommen flüssigem Zustande antrifft, ja daß wahrscheinlich in dem Schmelzen des Fettes die Ursache des Todes eines gehetzten Elands zu finden sein müsse.

Der Nutzen, welche eine erfolgreiche Jagd der Elenantilopen bringt, ist sehr bedeutend. Ein schweres Eland wiegt über fünfhundert, das unter dem Herzen abgelagerte Fett allein zuweilen fünfundzwanzig Kilogramm. Jenes wird, wie wir gesehen haben, auf dem Jagdfelde selbst zerschnitten und entweder gedörrt oder eingesalzen, in Felle gepackt und auf dem mitgenommenen Wagen nach Hause gebracht, wo es geräuchert einen Vorrath von einem sehr gesunden und wohlfeilen Nahrungsmittel abgibt; letzteres wird, mit etwas Rindertalg und ein wenig Alaun vermischt, zu guten Kerzen verwendet, die ungemein dicke, zähe Haut endlich zu vortrefflichen Riemen verarbeitet, von denen man das Stück mit anderthalb Mark unseres Geldes bezahlt. Das Elandwildpret hat, nach Lichtenstein, am meisten Aehnlichkeit mit dem unseres Rindfleisches, jedoch einen Nebengeschmack, welcher vorzüglich auffallend und unangenehm wird, wenn man genöthigt ist, mehrere Tage hinter einander von frischem Elandfleische sich zu nähren; geräuchert aber verliert es diesen Geschmack ganz und gar, und besonders die sogenannten »Biltongen« oder Keulenzungen, welche man roh [249] genießt, bilden eine wahre Leckerei. Dieselben bestehen aus geräucherten Muskeln der Keule, welche man nach ihrer ganzen Länge ausschneidet, sodann schwach räuchert und zu dünnen Scheiben schneidet, mit denen man Butterbrod belegt.

Abgesehen von dem Menschen hat die Elenantilope zwar von mancherlei Feinden zu leiden, aber doch nur wenige derselben zu fürchten. Schmarotzer verschiedener Art quälen sie ebenso wie das am Vorgebirge lebende Rindvieh, von Raubthieren dürfte ihr aber wohl nur der Löwe gefährlich werden.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 244-250.
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