Arni (Bos Arni)

[457] Nicht der Kafferbüffel, sondern der noch heutigen Tages in Indien lebende Wildbüffel ist der Stammvater der in den Hausstand übergegangenen und vollständig gezähmten Rinder seines Geschlechtes, welche man schon in den Donautiefländern und in Italien, in viel beträchtlicherer Anzahl aber in Egypten und Indien sieht. Man hat geglaubt, mehrere Arten wilder Büffel annehmen zu dürfen, ist bis jetzt jedoch noch nicht im Stande gewesen, die zum Theil nach dem Gehörne bestimmten Formen unter einander zu vergleichen und dadurch alle Zweifel an der Artverschiedenheit zu widerlegen. So unterscheidet man von dem Wildbüffel Indiens eine zweite Art, den Arni (Bos Arni, Bubalus Arni), welchen man als den Riesen seiner ganzen Familie ansieht und eine Gesammtlänge von fast 3 Meter bei mehr als 2 Meter Schulterhöhe zuspricht. Ein Paar Hörner, welche man im Britischen Museum aufbewahrt, stehen mit den Spitzen gegen 2 Meter auseinander, sind dreikantig, auf der Oberfläche runzelig, im ersten Drittheile ihrer Länge gerade, nicht nach einwärts gekrümmt und nur mit den Spitzen nach innen und hinten gerichtet. Hauptsächlich auf den Arni bezieht man Angaben der Eingeborenen wie der in Indien lebenden Europäer, welche unseren Wildbüffel nächst dem Tiger als das furchtbarste Thier der indischen Urwälder und seine Jagd als die gefährlichste von allen darstellen. Williamson erzählt, daß ein Arni in blinder Wuth auf einen Jäger losstürzte, welcher sich auf dem Rücken eines Elefanten sicher wähnte, zu [457] seiner großen Verwunderung aber sehen mußte, wie der rasende Büffel den Elefanten auf die Hörner zu nehmen suchte und nur durch eine gut gerichtete Kugel von ihm abgehalten werden konnte. Nächstdem hat man von einem zweiten Wildbüffel gesprochen, welcher sich durch etwas geringere Größe und spärlichere Behaarung unterscheiden, von den Eingeborenen Bain genannt werden und in zahlreichen Herden die waldigen Ufer des Ganges bewohnen, oft in ansehnlichen Gesellschaften im Flusse baden, mit der Strömung treibend, träger Ruhe sich überlassen, gelegentlich untertauchen, Wasserpflanzen mit dem Gehörn vom Grunde losreißen und im Weiterschwimmen gemächlich verzehren, im ganzen den Menschen meiden, Fahrzeugen jedoch oft sehr gefährlich werden soll. Wahrscheinlich handelt es sich hier ebenso, wie bei dem Kafferbüffel, um Altersunterschiede, günstigsten Falles um Spielarten des Wildbüffels, welcher den größten Theil Indiens und Ceilons bewohnt und sein Verbreitungsgebiet vielleicht noch über Hinterindien und Südostasien ausdehnt. Dieses verhältnismäßig gut bekannte Rind unterscheidet sich weder im Leibesbau noch in der Färbung wesentlich von dem gezähmten Büffel und darf daher mit Recht als der Stammvater desselben gelten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 457-458.
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