Büffel (Bos bubalus)

[458] Der Büffel (Bos bubalus, Bubalus vulgaris) erreicht, einschließlich des 50 bis 60 Centim. langen Schwanzes, bis 2,8 Meter Gesammtlänge bei 1,4 Meter Schulterhöhe. Der Kopf ist kürzer und breiter als beim Rinde, die Stirne groß, der Gesichtstheil kurz, der Hals gedrungen und dick, vorn gefaltet, nicht aber gewammt, der Leib etwas gestreckt, übrigens voll und gerundet, am Widerriste höckerig erhöht, längs des Rückens eingesenkt, am Kreuze hoch und abschüssig, in der Brustgegend schmal, in den Weichen eingezogen, der Schwanz ziemlich kurz; die kräftigen Beine sind verhältnismäßig niedrig und mit langen und breiten, einer bemerkenswerthen Ausdehnung fähigen Hufen beschuht; das kleine Auge hat einen wilden und trotzigen Ausdruck; das seitlich und wagerecht gestellte Ohr ist lang und breit, außen kurz behaart, innen dagegen mit langen Haarbüscheln besetzt. Die langen und starken, an der Wurzel verdickten und verbreiterten, sodann verschmälerten und in stumpfe Spitzen endenden, bis gegen die Mitte stark quergerunzelten, nach der Spitze zu wie auf der Hinterseite aber vollkommen glatten Hörner haben einen unregelmäßig dreieckigen Querschnitt, stehen am Grunde nahe zusammen, wenden sich zuerst seitlich und abwärts, sodann nach rück- und aufwärts und krümmen sich mit den Enden nach oben, ein- und vorwärts. Die spärliche, steife und borstenartige Behaarung verlängert sich nur auf der Stirne, an den Schultern, längs der ganzen Vorderseite des Halses und an der Schwanzquaste ein wenig, wogegen Hinterrücken, Kreuz, Brust und Bauch, Schenkel und der größte Theil der Beine fast völlig kahl erscheinen und deshalb mehr die Färbung der in der Regel dunkel schwarzgrauen oder schwarzen Haut als die der blaugrauen, bald mehr ins Bräunliche oder Rothbraune ziehenden Haare zur Geltung kommen lassen. Weiß gefärbte oder gefleckte Stücke kommen vor, sind jedoch selten. Die Kuh unterscheidet sich nur durch etwas geringere Größe von dem Stiere, von anderen Rindern aber dadurch, daß die vier Zitzen ihres Euters fast in einer Querreihe stehen.

Wie alle Arten seines Geschlechtes ein großer Wasserfreund, findet sich der Wildbüffel nur in sumpfigen Gegenden seines Wohngebietes, entweder in Flußniederungen, oder in unmittelbarer Nähe kleiner, wenn auch bloß zeitweilig wasserhaltiger Seen, oder endlich in der Umgebung seichter Lagunen am Meeresgestade. So fand Haßkarl an der Südküste Bantams mitunter Trupps wilder Büffel, welche sich für gewöhnlich in den Wäldern des inneren Landes aufhalten, von Zeit zu Zeit aber die Küste aufsuchen, um Salzwasser zu lecken. Ausführlicher berichtet Tennent über dieses Thier. »Büffel«, sagt er, »sind in allen Theilen Ceilons häufig; wilde aber sieht man nur in den großen Einöden der nördlichen und östlichen Provinzen der Insel, wo Flüsse, Lagunen und verwilderte Seen, Teiche und Pfützen ihnen ein in jeder Beziehung zusagendes Wohngebiet schaffen. Hier gefällt sich das Thier darin, bis zu dem Kopfe eingetaucht, im Wasser zu liegen oder aber mit Schlamm sich zu umhüllen, um sich gegen die Angriffe der Kerbthiere zu schützen; hier schwelgt es in dem langen Seggengrase, welches die Ränder der Gewässer begrünt. Wenn der Büffel weidet, [458] sieht man oft eine mit Aufsuchen von Zecken und anderen Schmarotzern eifrig beschäftigte Krähe auf seinem Rücken, welcher wegen der Nacktheit des Felles in der Sonne unangenehm schimmert. Bewegt sich das Thier, so legt es sein plumpes Haupt so weit zurück, daß die Nasenlöcher in eine wagerechte Linie mit den Augen und die gewaltigen Hörner auf die Schultern zu liegen kommen.« Seine Bewegungen sind zwar plump, aber kräftig und ausdauernd; namentlich im Schwimmen erweist es sich als Meister. Unter den Sinnen scheinen Geruch und Gehör obenan zu stehen, Gesicht und Gefühl dagegen wenig entwickelt und der Geschmack eben auch nicht besonders ausgebildet zu sein, da es sich mit dem schlechtesten Futter, welches andere Rinder verschmähen, begnügt. Seine Stimme ist ein tief dröhnendes Gebrüll. An blinder Wuth und rasendem Zorn steht es keinem anderen Rinde nach; selbst in der Gefangenschaft verliert es diese Eigenschaften nicht ganz. Wie Stolz berichtet, werden die Büffel in Indien zum Theil alt gefangen. Man umzäunt zu diesem Zwecke einen Platz und setzt vor dem Eingange in zwei nach außen aus einander laufenden Linien Leute auf die Bäume, welche Bündel dürren Reisigs in den Händen halten und fürchterlich zu lärmen beginnen, wenn eine Büffelherde zwischen sie getrieben wird. So gelangen die Thiere in den Pferch, in welchem sie später mit Schlingen umstrickt werden. Nachdem man ihnen die Augen verbunden und die Ohren verstopft hat, führt man sie weg und läßt sie entweder arbeiten, oder gegen Tiger kämpfen.

Der Büffel ist schon vom Hause aus ein furchtbarer Feind dieser gewaltigen Katze und bleibt bei Kämpfen mit ihr fast regelmäßig Sieger. William Rice erzählt, daß zuweilen erwachsene Büffelstiere vom Tiger angefallen werden, sich aber furchtbar wehren und nicht allzu selten dem Raubthiere für alle Zeiten das Handwerk legen. Wenn ein Büffel überfallen wird, eilen ihm die anderen zu Hülfe und jagen dann den Angreifer regelmäßig in die Flucht. Selbst die Hirten, welche zahme Büffel hüten, durchziehen, auf einem ihrer Thiere reitend, ruhig das Dickicht. Rice sah einmal, daß die Büffel einer Herde, als sie das Blut eines angeschossenen Tigers rochen, sofort dessen Spur aufnahmen, diese mit rasender Wuth verfolgten, die Gesträuche dabei umrissen, den Boden aufwühlten, schließlich in förmliche Raserei geriethen und, zum großen Kummer des Hirten, unter einander zu kämpfen begannen. Johnson erzählt, daß ein Tiger den hintersten Mann einer Büffelkarawane angriff. Ein Hirt, welcher Büffel in der Nähe hütete, eilte jenem Manne zu Hülfe und verwundete das Raubthier mit seinem Schwerte. Dieses ließ sofort seine erste Beute los und packte jetzt den Hirten; die Büffel aber stürzten, als sie ihren Herrn in Gefahr sahen, augenblicklich auf den Tiger los, warfen ihn sich einige Male gegenseitig mit den Hörnern zu und mißhandelten ihn bei diesem Spiele derart, daß er todt auf dem Platze blieb.

Das Wesen des Wildbüffels ist, laut Tennent, mürrisch und unsicher, seine Kraft und sein Muth so groß, daß ihn das indische Gedicht als dem Tiger ebenbürtig zur Seite stellt. Derjenige, welcher ihn beim Weiden oder Baden stört, darf niemals wähnen, sicher zu sein. Bei solchen Gelegenheiten bilden die Wildbüffel eine Linie, nehmen eine Vertheidigungsstellung an, wobei sich einige der ältesten Stiere in das Vordertreffen stellen, laufen wüthend im Kreise umher und drängen sich dabei so dicht an einander, daß das Zusammenschlagen ihrer Gehörne ein lautes, klapperndes Geräusch hervorbringt, und rüsten sich so zum Angriffe. Gewöhnlich lassen sie es bei solchen Drohungen bewenden, rennen ein Stück weg, bilden dann eine neue Angriffslinie, sichern und kehren ihre bewehrten Häupter wiederum gegen den Störenfried. Der wirkliche Jäger behelligt sie selten, weil ein so plumpes Geschöpf seiner Geschicklichkeit unwürdig erscheint, und ein leichtfertiges Schlachten der Thiere nicht einmal zu erwünschter Nahrung verhilft.

In denjenigen Gegenden Ceilons, wo die Singalesen Büffel zähmen und zum Reisbau verwenden, haben die Dörfler durch die wilden oft viel auszustehen, weil diese unter die weidenden Herden sich mischen und sie zum Ungehorsam verleiten, ja gar nicht selten sich an die Spitze einer zahmer Herde stellen und alle Anstrengungen der Besitzer, diese gegen Sonnenuntergang heimzutreiben, mit dem entschiedensten Erfolge vereiteln.

[459] Wann und auf welchem Wege der zahme Büffel sich weiter verbreitet hat, wissen wir nicht, nehmen jedoch an, daß er wahrscheinlich im Gefolge der großen Kriegsheere oder wandernden Völker nach Persien kam, woselbst ihn die Begleiter Alexanders des Großen bereits antrafen. Später mögen ihn die Mahammedaner nach Egypten und Syrien verpflanzt haben. Im Jahre 596 unserer Zeitrechnung, unter der Regierung Agilulfs, gelangte er, zu nicht geringem Erstaunen der Europäer, nach Italien. Anfangs scheint er sich sehr langsam verbreitet zu haben; denn der »heilige« Gilibald, welcher zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts Sicilien und Italien durchwanderte, kannte ihn noch nicht und staunte, als er ihn später am Jordan antraf. Gegenwärtig findet er sich außer in Hindostan durch ganz Afganistan, Persien, Armenien, Syrien, Palästina bis zum Kaspischen und Schwarzen Meere hin, in der Türkei, Griechenland und in den Donautiefländern, in Italien und sehr häufig auch in Egypten, nicht aber in Nubien.

Heiße, sumpfige oder wasserreiche Gegenden sagen ihm wie allen seinen Verwandten am meisten zu. Das Nildelta ist für ihn ein Paradies; in den gifthauchenden pontinischen Sümpfen, in den Sumpfgegenden Calabriens, Apuliens, in der Maremma von Toscana, in den unteren Douauländern befindet er sich sehr wohl. In den italienischen Sümpfen ist er der einzige seiner Familie, weil alle übrigen der ungesunden Gegend erliegen, in Unteregypten überall gemein, nächst der Ziege eigentlich das einzige Hausthier, von welchem man Milch und Butter gewinnt. Jedes Dorf im Delta und auch die meisten Ortschaften Oberegyptens haben mitten zwischen den Hütten eine große Lache, welche einzig und allein dazu dient, den Büffeln einen bequemen Badeplatz zu gewähren. Weit öfter als auf der Weide, sieht man diese im Wasser, wenn sie es haben können, so tief versenkt, daß nur der Kopf und ein kleiner Theil des Rückens über den Wasserspiegel hervorragen. Zur Zeit der Nilüberschwemmung beginnt für sie eine Zeit des Genusses. Schwimmend treiben sie sich jetzt auf den überfluteten Feldern umher, fressen das Gras an den Rainen und das harte Riedgras der noch unbebauten Flächen ab, vereinigen sich zu großen Herden, spielen im Wasser mit einander und kommen nur dann nach Hause, wenn die Kühe von der Milch gedrückt werden und gemolken sein wollen. Sehr hübsch sieht es aus, wenn eine Büffelherde über den fast durchschnittlich einen Kilometer breiten Strom setzt. Mehrere der Hirten, meistens Kinder von acht bis zwölf Jahren, sitzen auf dem Rücken und lassen sich sorglos von den treuen Thieren über die furchtbare Tiefe und durch die hochgehenden Wogen schleppen.

Man kann die Meisterschaft im Schwimmen, welche die Büffel zeigen, nicht genug bewundern. Sie gebaren sich, als ob das Wasser ihr eigentliches Element wäre, spielen mit einander, während sie schwimmen, tauchen unter, legen sich auf die Seite, halb auf den Rücken, lassen sich von der Strömung, ohne ein Glied zu rühren, gemächlich treiben und schwimmen auch wieder in schnurgerader Richtung, bloß durch die Strömung abwärts geführt, quer über den Strom. Mindestens sechs bis acht Stunden bringen sie täglich im Wasser zu, besorgen hier, behaglich ausgestreckt, das Wiederkäuen und erscheinen mindestens ebenso selbstzufrieden wie ihre im gleichen Geschäft dahingestreckten Herren Vettern auf dem Lande. Jeder Büffel wird unruhig und sogar bösartig, wenn er geraume Zeit das Wasser entbehren mußte. Mit Schlamm erfüllte Lachen behagen ihm weit weniger als die tiefen Fluten eines gut angelegten Büffelteiches oder die kühlen Wellen des Stromes; deshalb sieht man während der trockenen Zeit in Egypten die satten Büffel oft im plumpen Galopp, zu dem sie sich sonst nur in der höchsten Wuth versteigen, herbeigeeilt kommen und kopfüber in die Fluten des Stromes sich stürzen. In Indien und auch in Italien sind durch diese Wassersehnsucht schon mehrmals Menschen um das Leben gekommen, weil die an Wägen geschirrten Büffel wie besessen dem Strome zurannten, sich und ihr Fahrzeug in den Wellen begrabend.

Auf dem festen Lande erscheint der Büffel entschieden unbeholfener als im Wasser. Sein Gang ist schwerfällig und der Lauf, obgleich ziemlich fördernd, doch nur ein mühseliges Sichfortbewegen. Bei großer Wuth oder, wie bemerkt, bei lebhafter Wassersehnsucht fällt das schwerfällige Thier zuweilen auch in Galopp, falls man die Reihenfolge plumper und ungeschickter Sätze mit [460] diesem Ausdrucke bezeichnen darf. Weiter als hundert oder zweihundert Schritte legt er in dieser Gangart nicht zurück, beginnt vielmehr bald wieder zu traben und läuft kurze Zeit darauf in seiner gewöhnlichen ruhigen Weise fort.

Wenn man zahmen Büffeln zum erstenmal begegnet, erschrickt man förmlich vor ihnen. Der Ausdruck ihres Gesichts deutet auf unbändigen Trotz und auf versteckte Wildheit; in den Augen scheint man Tücke und Niederträchtigkeit lesen zu dürfen. Bald überzeugt man sich, daß man sich täuschen würde, wenn man den Büffel nach dem Aussehen beurteilen wollte. In Egypten wenigstens ist er ein überaus gutmüthiges Thier, welches jeder Bauer, ohne etwas zu besorgen, der Leitung des schwächsten Kindes anvertraut. Mehr als zwanzigmal habe ich gesehen, wie kleine Mädchen, welche auf mit Klee gefüllten, dem Thiere auf den Sattel geschnallten Netzballen saßen, Büffel vermittels eines Stockes nach Hause trieben, unter Umständen Gräben und Nilarme übersetzend; aber niemals habe ich gehört, daß ein Büffel Unglück angerichtet hätte. Unerschütterliche Gleichgültigkeit gegen alles, was nicht Wasser oder Fressen anlangt, vielleicht mit noch alleiniger Ausnahme des Kalbes, welches eine Büffelkuh vor kurzem geboren hat, kennzeichnen das geistige Wesen des Thieres. Es ergibt sich mit einem geradezu stumpfen Gleichmuthe in das Unvermeidliche, zieht den Pflug oder den Wagen gleichgültig fort, läßt sich nach Hause treiben und wieder auf das Feld geleiten und verlangt nichts anderes als sein gehöriges Wasserbad mehrere Stunden nach einander. Außer zum Lasttragen und zum Reiten beim Uebersetzen des Nils verwendet man übrigens den Büffel wenig zum Feldbau, gewöhnlich bloß dann, wenn es einem Fellah einfällt, mit dem Kamele pflügen zu wollen. Dieses edle Thier erkennt selbstverständlich in einer so gemeinen Arbeit die grenzenloseste Mißachtung seiner Erhabenheit und übernimmt mit allen Zeichen des höchsten Mißmuthes das ihm unendlich verdrießliche Werk. Da ist nun der Büffel der beste Kamerad. Er geht mit denselben ruhigen Schritten seinen Weg fort wie sonst, und ihm ist es vollkommen gleichgültig, ob das Kamel an seiner Seite rast, ob es davoneilen will oder nicht: bedeutsam und gewichtig stemmt er sich dem ärgerlichen Zugkumpan entgegen, so daß dieser wohl oder übel mit ihm die Tagesarbeit verrichten muß.

Eine außerordentliche Tugend des Büffels ist seine wirklich beispiellose Genügsamkeit. Das Kamel, welches als ein Muster aller wenig beanspruchenden Geschöpfe gepriesen wird, der Esel, welcher in der Distel ein gutes Gericht erblickt, erreichen den Büffel nicht; denn dieser verschmäht geradezu saftige, anderen Rindern wohlschmeckende Kräuter und wählt dafür die dürrsten, härtesten und geschmacklosesten Pflanzenstoffe aus. Ein Büffel, welcher sich im Sommer draußen nach eigener Auswahl beköstigte, läßt, wenn ihn im Stalle saftiges Gras, Klee und Kraut vorgeworfen wird, alles liegen und sehnt sich nach einfacherer Kost. Sumpfgräser und Sumpfpflanzen aller Art, junges Röhricht, Schilf und dergleichen, kurz Stoffe, welche jedes andere Geschöpf verschmäht, frißt er mit demselben Behagen, als ob er die leckerste Speise genieße. Und er weiß diese Nahrung zu verwerthen, denn er liefert dafür wohlschmeckende, sehr fette Milch, aus welcher man vortreffliche Butter in reichlicher Menge bereitet. Der Egypter erklärt seinen »Djamús« geradezu für sein nützlichstes Hausthier und hat wirklich nicht Unrecht.

Unangenehm wird der Büffel durch seine Unreinlichkeit. Manchmal sieht er aus wie ein Schwein, welches sich eben in einer Kothlache gesuhlt hat; denn genau so, wie dieser bekannte Dickhäuter sich zu erquicken pflegt, hat er seines Herzens Gelüsten Genüge geleistet. Ob ihm dann der Koth liniendick auf den dünnstehenden Haaren hängt, oder ob diese durch ein stundenlanges Bad im frischen Nile gereinigt, gehörig durchwaschen und gesäubert sind, scheint ihm ebenfalls vollkommen gleichgültig zu sein; wenigstens weiß er auch solche Wechselfälle seines Daseins mit Ruhe und Würde zu ertragen. Dagegen sagt man ihm nach, daß er zu gewissen Zeiten in der rothen Fahne des Propheten einen Gegenstand erblicke, welcher seinen Zorn errege, und zuweilen blindwüthend auf den geheiligten Lappen losstürze. Deshalb betrachten ihn strenggläubige Türken als ein verworfenes Thier, welches die Gesetze des Höchsten in greulicher Weise mißachtet, wogegen die [461] Egypter ihm, eingedenk des Nutzens, den er bringt, solche Uebertretungen einer guten Sitte, ohne weiter nachzugrübeln, verzeihen oder vielleicht glauben, daß die Gnade des Allbarmherzigen selbst an solchem Höllenbrande sich erweisen werde. Auch die Tudas, ein indischer Volksstamm, welcher die Nilgerrihöhen bewohnt und sich in den Glaubenssachen und Sitten wesentlich von den Hindus unterscheidet, denken anders als die Türken. Sie verehren den Büffel fast göttlich, halten zahlreiche Herden von ihm, betrachten ihn als das wichtigste Hausthier und bringen ihren Göttern als das Heiligste Büffelmilch dar, weshalb auch ganze Herden ausschließlich für die Tempel benutzt und in den heiligen Hainen geweidet werden. Nach ihrer Ausicht ist das Büffelkalb der allgemeine Sündenbock, wie nach der sinnbildlichen Redeweise unserer Priester das Lamm als Träger christlicher Sünden erscheint. Beim Tode eines wohlhabenden Mannes schlachtet man einen Büffelstier, damit dieser den biederen Tuda in die andere Welt begleite und auch dort freundlichst dessen Sündenlast auf sich nehme, wogegen das Kalb die Sünden der ganzen Gemeinde weiter trägt. Demungeachtet wird der Büffel von den Tudas während seiner Lebzeiten vielfach benutzt und oft mit schweren Bürden beladen, vielleicht in der guten Absicht, daß er sich hier für die noch schwerere Sündenlast gehörig vorbereiten möge.

Der Büffel ist ein schweigsames Geschöpf. Wenn er in seinem kühlen Wasserbade ruht, thut er das Maul nicht auf, und auch während er weidet oder arbeitet, geht er still und ruhig seines Weges. Nur Kühe, welche säugende Kälber haben, oder Stiere, welche in Wuth versetzt worden sind, lassen ihre Stimme zuweilen ertönen. Sie ist ein höchst unangenehmes und widriges, lautes Gebrüll, ungefähr ein Mittelding zwischen dem bekannten Geschrei unseres Rindes und dem Grunzen des Schweines.

In den nördlicheren Gegenden paart sich der Büffel, wenn er sich selbst überlassen wird, im April und Mai. Zehn Monate nach der Paarung kalbt die Kuh. Das Junge ist ein ungestaltetes Geschöpf, wird aber von der Mutter zärtlich geliebt und bei Gefahr mit dem bekannten Heldenmuthe der Rinder vertheidigt. Im vierten oder fünften Jahre ist es erwachsen; sein Alter bringt es auf etwa achtzehn bis zwanzig Jahre. Mit dem Buckelochsen oder Zebu paart sich der Büffel ohne große Umstände, mit dem zahmen Rinde dagegen ungern und niemals freiwillig. Solche Kreuzung hat bis jetzt auch noch keinen Erfolg gehabt, weil das Junge, dessen Vater der Büffelstier ist, schon im Mutterleibe eine so bedeutende Größe erreichen soll, daß es bei der Geburt entweder getödtet wird, oder aber die Mutter gefährdet.

Der Nutzen des Büffels ist verhältnismäßig größer als der unseres Rindes, weil er so gut als gar keine Pflege beansprucht und sich mit Pflanzen sättigt, welche von allen übrigen Hausthieren verschmäht werden. Für Sumpfgegenden erweist er sich als ein ausgezeichnet nützliches Geschöpf auch zum Bestellen der Feldarbeiten; denn was ihm an Verstand abgeht, ersetzt er durch seine gewaltige Kraft. In Ceilon benutzt man ihn ebensowohl als Last- wie als Zugthier, im ersteren Falle, um schwere Ladungen Salz von der Küste nach dem Innern zu bringen, im letzterem Falle, um Karren auf Wegen fortzuschieben, für welche die schwache Kraft anderer Rinder nicht ausreichen würde. In einer Ortschaft zwischen Batticaloa und Trincomalie verwenden ihn die Eingeborenen, laut Tennent, in sinnreicher Weise zur Jagd auf Wassergeflügel, welches in den weiten salzigen Sümpfen und schlammigen Seen massenhaft lebt und an die denselben Aufenthalt mit ihnen theilenden Büffel vollständig gewöhnt ist. Letztere nun werden darauf hinabgerichtet, nach Belieben des Jägers im Sumpfe wie im schlammigen Wasser sich zu bewegen und geben so dem Schützen Gelegenheit, durch sie gedeckt, bis in schußgerechte Nähe des Geflügels anzuschleichen. In ähnlicher Weise bedient man sich in den nördlichen Theilen Indiens der Büffel, um Hirschen sich zu nähern, und ebenso gebraucht man sie endlich zur Nachtjagd auf Wild aller Art von den Hirschen und Wildschweinen an bis zum Leoparden hinauf. Zu diesem Zwecke bindet man dem Thiere eine Glocke an den Hals und einen Kasten oder Korb so auf dem Rücken, daß die Oeffnung nach einer Seite hin gerichtet ist. Dieser Hohlraum dient als Schutz für Fackeln aus Wachs, welche in ihm [462] brennen und ihr Licht nur nach einer Seite hinwerfen dürfen, um den Jäger, welcher im Dunkeln geht, desto sicherer zu verbergen. Nach Sonnenuntergang treibt man den so ausgerüsteten Büffel langsam in die Wälder, schreckt durch den Glockenklang das Wild auf, erregt durch das Licht dessen Neugier oder verdutzt es förmlich und kommt so zum Schusse auf die allerverschiedensten Thiere, lockt aber ebenso Nachtschlangen, also gerade die giftigen, herbei.

Das Fleisch des Büffels wird seiner Zähigkeit und des ihm anhaftenden Moschusgeruches halber wenigstens von Europäern nicht gegessen, das der Büffelkälber dagegen soll gut sein, und das Fett an Wohlgeschmack und Zartheit dem Schweinsfette fast gleichstehen. Die dicke, starke Haut liefert treffliches Leder; aus den Hörnern endlich fertigt man dauerhafte Geräthschaften verschiedener Art.

Nur in Indien und vielleicht in Persien noch hat der Büffel Feinde, welche ihm schaden können. Es wird wohl nur selten vorkommen, daß einmal eine Meute Wölfe in den Donautiefländern über einen Büffel herfällt, und dieser muß schon irgendwie abgeschwächt oder abgehetzt sein, wenn die bösen Feinde etwas ausrichten sollen. Aehnlich verhält es sich in Indien, obgleich hier dem zahmen Büffel derselbe Feind entgegentritt, welcher dem wilden Schaden zufügt, der Tiger nämlich. Es ist wohl richtig, daß sich dieses furchtbare Raubthier einen guten Theil seiner Mahlzeiten aus den Büffelherden nimmt, aber ebenso sicher scheint es zu sein, daß eine Büffelherde jeden Tiger in die Flucht schlägt: die Hirten wenigstens betrachten sich, wie bereits angedeutet, nicht im geringsten gefährdet, wenn sie, auf ihren Büffeln reitend, durch Wälder ziehen, in denen Tiger hausen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 458-463.
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