Hartläufer (Phacochoerus aethiopicus)

[567] Im südlichen Theile Afrikas wird das Thier durch den oft mit ihm verwechselten Hartläufer der Ansiedler am Kap, zu Deutsch »Schnelläufer«, den »Kolobe« der Betschuanen (Phacochoerus aethiopicus, Phacochoerus oder Phascochoerus edentatus, typicus und Pallasii, Sus aethiopicus und Angalla, Aper aethiopicus etc.), vertreten. In Gestalt, Größe und Färbung dem Verwandten sehr nahe stehend, unterscheidet sich diese Art doch bestimmt durch den bedeutend kürzeren, längs der Gesichtslinie nach oben gewölbten, also schwach ramsnasigen Kopf, die sehr verlängerten und hängenden Augenwarzen, die viel stärker seitlich ausgebogenen Hauer und, wenigstens im Alter, durch das gänzliche Fehlen der Schneidezähne in beiden Kiefern.


Warzenschwein (phacochoerus africanus). 1/12 natürl. Größe.
Warzenschwein (phacochoerus africanus). 1/12 natürl. Größe.

Auch die Behaarung ist eine andere, die Mähne etwas breiter und kürzer, der vordere Theil derselben zu einem zwischen den Ohren sich erhebenden Haarwirbel umgewandelt, von welchem aus die Haare nach allen Seiten herabfallen, der Backenbart etwas schwächer, die Bekleidung der Seiten dagegen stärker und dichter als bei dem Verwandten. Bis jetzt sind uns nur ziemlich dürftige Nachrichten über Betragen und Lebensweise der Warzenschweine zugekommen. Auch Heuglin und Schweinfurth fertigen die nördliche Art, mit welcher sie oft zusammengetroffen sind, sehr kurz ab. Ihr begegnet man in Habesch vom Gestade des Rothen Meeres bis zu 3000 Meter unbedingter Höhe, am Weißen Nile hingegen in allen dichten, buschreichen Gegenden, in Feldern, im Röhricht oder in fast undurchdringlichen Bambushorsten, welche letztere besonders aus dem Grunde aufgesucht werden, weil die weichen, spargelartigen Sprossen des Bambus eine erwünschte Aesung bieten. In Habesch trifft man schon wenige Meilen von der Küste sehr häufig auf die unverkennbaren Spuren dieses Thieres; doch habe ich nur ein einziges und auch dieses bloß flüchtig gesehen, eigene Beobachtungen also nicht sammeln [568] können. Nach Heuglin schlägt sich das Warzenschwein wie die meisten übrigen Arten seiner Familie in Rudel von wechselnder Stärke, welche vom Abend bis zum Morgen nach Aesung umherziehen; den Tag verbringt es im Lager, am liebsten da, wo es sich in den Sumpf oder selbst in das Wasser einbetten kann. Die Aesung besteht, nach Rüp pell, aus Wurzeln, und die Bedeutung seiner riesenmäßigen Gewehre wird hierdurch klar. Um Aesung zu nehmen, fällt das Thier auf seine Handbeugen, rutscht, mit den Hinterläufen nachstemmend, auf den dicken Schwielen, welche jene bedecken, vorwärts und wühlt nun, mehr die Gewehre als die Rüsselscheibe benutzend, tiefe Furchen aus, um zu seiner Lieblingsnahrung, Pflanzenwurzeln und Knollen, zu gelangen. Nebenbei äst es sich, ebenso wie andere Wildschweine, allerdings auch von thierischen Stoffen aller Art, insbesondere von Larven, Puppen, Käfern, Würmern und dergleichen, verzehrt Kriechthiere, vielleicht auch Lurche, und geht selbst Aas an.

Ueber den Hartläufer berichtet Sparmann annähernd dasselbe. »Man nennt«, so erzählt er, »diese Thiere Waldschweine. Sie leben in Erdhöhlen und sind gefährlich, indem sie wie ein Pfeil auf die Menschen losschießen und mit ihren langen Hauern einem den Bauch aufreißen. Man findet sie herdenweise beisammen, und auf der Flucht nimmt jedes ein Junges in den Rachen. Dies sieht höchst sonderbar aus. In Kamdebo vermischen sie sich mit Hausschweinen und zeugen fruchtbare Junge.« Spätere Berichterstatter stimmen Sparmann bei: »Ich wählte mir«, erzählt Gordon Cumming, »einen alten Eber zu meiner Beute, und drängte ihn vom Rudel weg. Nachdem ich zehn Meilen scharf hinter ihm her geritten war, begannen wir mit einander an einem ziemlich geneigten Gehänge hinabzureiten, und hier beschloß ich, mich mit ihm einzulassen. Als ich mich gegen in kehrte, hielt er augenblicklich in seinem Laufe inne und schaute mit den boshaftesten Augen mir entgegen. Der ganze Rachen schäumte vor Wuth. Ich hätte ihn leicht zusammenschießen können, wenn ich gewollt hätte, nahm mir aber vor, nicht eher zu feuern, als bis die Richtung seines Laufes wieder meinem Wagen zugewandt wäre. Er überraschte mich durch die Entschlossenheit, mit welcher er mir Stand hielt. Ich wurde hitzig und ging auf ihn los. Zu meinem nicht geringen Erstaunen wich er nicht im geringsten von seinem Wege ab, sondern trollte schließlich wie ein mir folgender Hund hinter meinem Pferde drein. Dies machte mich mißtrauisch; denn ich sah ein, daß der alte, listige Bursche nach irgend einem Schlupfwinkel sich zurückwende. Ich beschloß also abzusteigen und ihn zu tödten. Aber gerade als ich diesen Entschluß gefaßt hatte, fand ich mich in einem wahren Wirrsale von gewaltigen Höhlen, den Wohnungen der Erdschweine. Angesichts einer von ihnen stellte sich der Eber auf und verschwand, das Hintertheil zuerst einschiebend, vor meinen Augen mit ziemlicher Schnelligkeit, und ich sah ihn nicht wieder«. Nach den Beobachtungen von Smith ist das Warzenschwein ebenso furchtlos als boshaft. Es weicht dem Angriffe selten durch die Flucht aus, sondern stellt sich und nimmt gern den Kampf auf. Sein Lager schlägt es immer in Höhlen, unter Baumwurzeln oder unter Felsblöcken auf; in ihm wagen es bloß die geübtesten Jäger anzugreifen, weil es plötzlich hervorstürzt, mit größter Schnelligkeit rechts und links Wunden austheilt und bis zu seinem Tode den Kampf grimmig fortsetzt. Gerade ihrer Schwierigkeit wegen gewährt die Jagd den Eingeborenen hohes Vergnügen.

Heuglin urtheilt anders. »Trotz ihres ungeheueren Gewerfes und wirklich kräftigen Baues sind diese Schweine nicht sehr reizbaren Wesens und vertheidigen sich, selbst angeschossen, selten in dem Maße wie die europäische Art. Das Wildpret ist minder schmackhaft als das des europäischen Wildschweines, und sein Genuß verursacht nicht selten Durchfall und Unterleibsbeschwerden; weniger ist dies der Fall, wenn es vorher getrocknet und gesalzen worden ist.« Auch Schweinfurth bemerkt, daß er sich von der Ungenießbarkeit des Warzenschweinefleisches überzeugt habe; die Abessinier, Christen wie Mahammedaner, urtheilen also gewiß richtig, wenn sie ihre Haroja als unrein ansehen und von dem Genusse ihres Fleisches abstehen.

Im Jahre 1775 kam das erste lebende Warzenschwein nach Europa, und zwar vom Kap aus. Man hielt es geraume Zeit im Thiergarten von Haag und glaubte in ihm ein sehr gutmüthiges [569] Thier zu besitzen; eines Tages jedoch brach seine Wildheit aus: es stürzte sich grimmig auf seinen Wärter und brachte diesem mit seinen furchtbaren Hauern eine tödtliche Wunde bei. Einer Bache des Hausschweines, welche ihm in der Hoffnung beigegeben worden war, daß es sich mit derselben paaren werde, riß es den Bauch auf. Hinsichtlich seiner Nahrung unterschied es sich nicht von anderen Schweinen. Es fraß Getreide aller Art, Mais, Buchweizen, Rüben, grüne Wurzeln und sehr gern Brod. In der Neuzeit sind beide Arten in verschiedene Thiergärten gelangt; ich habe die eine oder die andere im Regentspark, in Antwerpen, Amsterdam und Berlin gesehen, einzelne auch längere Zeit beobachten können. Beide stimmen hinsichtlich ihres Betragens vollständig überein. Sie unterscheiden sich in ihrem Gebaren, nicht aber in ihrem Wesen von anderen Schweinen. Entsprechend ihres Höhlenlebens suchen sie sich auch in der Gefangenschaft zu verbergen, ziehen sich gern in den dunkelsten Winkel ihrer Koben zurück und vergraben sich so tief in ihrem Strohlager, daß sie manchmal gänzlich bedeckt werden. Beim Fressen und Wühlen fallen sie regelmäßig auf die Handgelenke und rutschen in der von Rüppell beschriebenen Weise so leicht und so ausdauernd auf dem Boden fort, daß man diese absonderliche Bewegung als eine ihnen durchaus natürliche er kennen muß. Ich will nicht in Abrede stellen, daß sie sich zähmen lassen; ein wirkliches Freundschaftsverhältnis aber gehen sie mit ihren Pflegern nicht ein. Sie nehmen ihnen erwiesene Wohlthaten gleichgültig, mindestens danklos entgegen, bekunden in keiner Weise Anhänglichkeit gegen den Wärter, sehen in diesem höchstens ein Wesen, welches das ersehnte Futter bringt und deshalb unter Umständen willkommen ist. Wagt es der letztere, die Oberherrlichkeit des Menschen ihnen gegenüber geltend zu machen, so reizt er ihren leicht entzündbaren Zorn, erregt sie aufs höchste und erweckt trotzigen Widerstand. Unter solchen Umständen flößt ihnen die empfindlich gehandhabte Peitsche oder der Knüppel heilsame Furcht ein, bringt sie jedoch keineswegs zum Nachdenken und zur Erkenntnis, sondern bändigt sie höchstens für den Augenblick. Am nächsten Tage treiben sie es genau ebenso wie früher. Die Bachen sind milderer Art als die Keuler, welche namentlich während der Brunstzeit geradezu gefährlich werden können, aber ebensowenig verläßlich und demnach zu freundschaftlichem Verkehre ebensowenig geeignet wie diese. Ueber Fortpflanzung gefangener Warzenschweine habe ich bis jetzt noch nichts vernommen, wüßte indeß keinen Grund anzugeben, weshalb die Thiere nicht auch hier zu Lande sich paaren und Junge erzeugen sollten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 567-570.
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