Zweite Familie: Tapire (Tapirina)

[501] Die Tapire (Tapirina), verhältnismäßig kleine, plump gebaute Thiere, welche zwischen den Elefanten und Schweinen ungefähr mitteninne zu stehen scheinen, kennzeichnen sich durch noch immer wohlgebildeten Leib, mit verlängertem, schmächtigem Kopfe, schlankem Halse, kurzem, [501] stummelhaftem Schwanze und mittelhohen, kräftigen Beinen.


Geripp des Tapir. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Tapir. (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Die aufrecht stehenden Ohren sind kurz und ziemlich breit, die schief liegenden Augen dagegen klein. Die Oberlippe verlängert sich rüsselförmig und hängt weit über die Unterlippe herab. Die kräftigen Füße haben vorn vier, hinten drei Zehen. Das starke Fell liegt überall glatt auf. Die Behaarung ist kurz, aber dicht, bei den amerikanischen Arten von der Mitte des Hauptes an bis zum Widerriste mähnenartig verlängert. Das Gebiß besteht aus sechs Schneidezähnen und einem Eckzahne in jedem Kiefer, sieben Backenzähnen in der oberen und sechs in der unteren Kinnlade. Das Geripp, welches mit dem anderer Dickhäuter entschiedene Aehnlichkeit hat, zeichnet sich durch verhältnismäßig leichte Formen aus. Die Wirbelsäule besteht, außer den Halswirbeln, aus achtzehn rippentragenden, fünf rippenlosen, sieben Kreuzbein- und zwölf Schwanzwirbeln; den Brustkorb bilden acht Rippenpaare, die übrigen sind sogenannte falsche Rippen. Am Schädel überwiegt der lange, schmale Antlitztheil den sehr zusammengedrückten Hirnkasten beträchtlich; die frei hervorragenden Nasenbeine sind hoch hinaufgerückt; der breite, starke Jochbogen beugt sich tief nach vorn herab; die großen Augenhöhlen öffnen sich weit in die tiefen Schläfengruben.

Von den meist amerikanischen Arten der Familie ist uns wenigstens eine schon seit längerer Zeit bekannt, während die übrigen Arten erst in der Neuzeit entdeckt, beschrieben und bezüglich unterschieden wurden. Auffallenderweise ist der amerikanische Tapir zuerst in den Büchern der Wissenschaft verzeichnet worden, wogegen wir von dem indischen erst zu Anfange dieses Jahrhunderts sicheres erfahren haben. Bekannt war auch er schon seit langer Zeit, aber freilich nicht uns, sondern nur den Chinesen, deren Lehr- und Schulbücher ihn erwähnen. Es bekundet sich hinsichtlich der Tapire dasselbe Verhältnis, welches wir fast regelmäßig beobachten können, wenn eine Familie in der Alten und in der Neuen Welt vertreten ist: die altweltlichen Arten sind edler gestaltete, falls man so sagen darf, vollkommenere Thiere als die in der Neuen Welt lebenden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 501-502.
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