Paka (Coelogenys Paca)

[434] Die Paka (Coelogenys Paca, Mus und Cavia Paca, Coelogenys fulvus und subniger) kennzeichnet sich durch eigenthümlich dicken Kopf, große Augen und kleine Ohren, stummelhaften Schwanz, hohe Beine, fünfzehige Vorder- und Hinterfüße, borstiges, dünnanliegendes Haarkleid und besonders durch den merkwürdig ausgedehnten, nach innen mit einer Höhle versehenen Jochbogen. Dieser ausgehöhlte Knochen ist gleichsam als eine Fortsetzung der Backentaschen zu betrachten. Solche sind zwar auch vorhanden, bilden jedoch eigentlich nur eine Hautfalte. Von ihnen aus führt eine enge, nach unten sich öffnende Spalte in die Höhlung des Jochbogens. Diese ist im Innern mit einer dünnen Haut ausgekleidet und zur Hälfte verschlossen, so daß sie nur durch eine kleine Oeffnung mit der Mundhöhle in Verbindung steht.


Schädel des Paka.
Schädel des Paka.

Ihre Bestimmung ist mit Sicherheit bis jetzt noch nicht ermittelt worden. Als veränderte Backentaschen hat man diese Höhlung nicht zu betrachten; Hensel hat sie stets leer gefunden. »Nur bei einem sehr schweren Thiere unter den vielen, welches sich in einer zu schwachen Schlinge gefangen und daher einen langen und heftigen Todeskampf gekämpft hatte, befand sich in den sogenannten Backentaschen eine geringe Menge zerkauter, grüner Pflanzentheile, welche wahrscheinlich erst während des Todeskampfes hineingelangt waren. Es läßt sich auch gar nicht erklären, wie das Thier die gefüllten Backentaschen leeren wollte, da sie von starren Knochenmassen umgeben sind.« Durch die Ausdehnung des Jochbogens wird der Schädel auffallend hoch und eckig. »Das Aussehen der Paka«, sagt Rengger, »ist dem eines jungen Schweines nicht unähnlich. Ihr Kopf ist breit, die Schnauze stumpf, die Oberlippe gespalten, die Nasenlöcher sind länglich, die Ohren kurz, oben abgerundet, der Hals ist kurz, der Rumpf dick, die Beine stark gebaut, die Zehen sind mit stumpfen, gewölbten Nägeln versehen. Der Schwanz zeigt sich bloß als eine haarartige Hervorragung.« Das Fell besteht aus kurzen, eng am Körper liegenden Haaren, welche oben und an den äußeren Theilen gelbbraun, auf der Unterseite und an der Innenseite der Beine gelblichweiß sind. Fünf Reihen von [434] gelblichweißen Flecken von runder oder eiförmiger Gestalt laufen zu beiden Seiten von der Schulter bis zum hinteren Rande des Schenkels. Die untere Reihe vermischt sich zum Theil mit der Farbe des Körpers. Um den Mund und über den Augen stehen einige steife, rückwärts gerichtete Fühlborsten. Das Ohr ist kurz und wenig behaart, die Sohlen und die Fußspitzen sind nackt. Ausgewachsene Männchen werden bis 70 Centim. lang und etwa 35 Centim. hoch.

Die Paka ist über den größten Theil von Südamerika, von Surinam und durch Brasilien bis Paraguay hinauf verbreitet, kommt aber auch auf den südlichen Antillen vor. Je einsamer und wilder die Gegend, um so häufiger findet man sie; in den bevölkerten Theilen ist sie überall selten geworden. Der Saum der Wälder und die bebuschten Ufer von Flüssen oder sumpfige Stellen bilden ihren Aufenthaltsort. Hier gräbt sie sich eine Höhle von ein bis zwei Meter Länge in die Erde und bringt in ihr den ganzen Tag schlafend zu. Mit der Dämmerung geht sie ihrer Nahrung nach und besucht dabei wohl auch die Zuckerrohr- und Melonenpflanzungen, in denen sie bedeutenden Schaden anrichtet. Sonst nährt sie sich von Blättern, Blumen und Früchten der verschiedensten Pflanzen. Sie lebt paarweise und einzeln, ist, laut Tschudi, ungemein scheu und flüchtig, schwimmt auch mit Leichtigkeit über breite Flüsse, kehrt aber gern wieder auf frühere Standorte zurück. Das Weibchen wirft mitten im Sommer ein einziges, höchstens zwei Junge, hält sie, wie die Wilden behaupten, während des Säugens in der Höhle versteckt und führt sie dann noch mehrere Monate mit sich umher.

»Einer von meinen Bekannten«, berichtet Rengger, »welcher während dreier Jahre eine Paka in seinem Hause gehalten hatte, erzählt mir von ihrem Betragen im häuslichen Zustande folgendes: Meine Gefangene zeigte sich, obwohl sie noch jung war, sehr scheu und unbändig und biß um sich, wenn man sich ihr näherte. Den Tag über hielt sie sich versteckt, bei Nacht lief sie umher, suchte den Boden aufzukratzen, gab verschiedene grunzende Töne von sich und berührte kaum die ihr vorgesetzte Nahrung. Nach einigen Monaten verlor sich diese Wildheit allmählich, und sie fing an, sich an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Später wurde sie noch zahmer, ließ sich berühren und liebkosen und näherte sich ihrem Herrn und fremden Personen. Für Niemand aber zeigte sie Anhänglichkeit. Da ihr auch die Kinder im Hause wenig Ruhe ließen, veränderte sie allmählich ihre Lage insofern, daß sie bei Nacht ruhig war und Nahrung zu sich nahm. Man ernährte sie mit allem, was im Hause gegessen wurde, nur nicht mit Fleisch. Die Speise ergriff sie mit den Schneidezähnen, Flüssigkeiten nahm sie lappend zu sich. Ihr Herr versicherte mich, daß er ihr öfters mit einem Finger in die Backentaschen gegriffen und dort Speise gefühlt habe. Sie war äußerst reinlich und entledigte sich ihres Kothes und Harns immer in einiger Entfernung von ihrem Lager, welches sie aus Lappen, Stroh und Stückchen von Leder in einem Winkel sich bereitete. Ihr Gang war ein Schritt oder ein schneller Lauf in Sätzen. Das helle Tageslicht schien sie zu blenden; ihre Augen leuchteten jedoch nicht in der Dunkelheit. Obgleich sie sich an den Menschen und seine Wohnung, wie es schien, gut gewöhnt hatte, war ihr Hang zur Freiheit noch immer der nämliche. Sie entfloh nach einer Gefangenschaft von drei Jahren bei der ersten besten Gelegenheit, welche sich ihr darbot.«

Die Haut der Paka ist zu dünn und das Haar zu grob, als daß das Fell benutzt werden könnte. In den Monaten Februar und März ist sie außerordentlich fett, und dann ist das Fleisch sehr schmackhaft und beliebt. In Brasilien ist sie nebst den Agutis und verschiedenen Arten der Gürtelthiere das gemeine Wildpret in den Waldungen. Prinz von Wied fing sie in den Urwäldern häufig in Schlagfallen. Auch jagt man sie mit Hunden und bringt sie als »königliches Wild« zu Markte. »In ihrem Baue«, sagt Hensel, »ist ihr nicht beizukommen; allein wenn man aufmerksam den Saum der Pflanzungen abspürt, wird man bald unter den dichten Rohrgrashecken den Wechsel des Thieres bemerken. Hier nun stellt der Jäger seine Schlinge, mit einem Maiskolben als Köder, und wird am nächsten Morgen seine Mühe reich belohnt finden. Die Paka liefert das vorzüglichste Wildpret Brasiliens, welches an Feinheit und Zartheit vielleicht [435] von keinem anderen übertroffen wird. Sie hat eine so dünne und schwache Haut, daß man diese nicht abzieht, sondern das ganze Thier brüht wie ein Schwein. Ein so bereitetes Stück, dem Kopf und Füße abgeschnitten worden sind, sieht einem jungen Schweine zum Verwechseln ähnlich.«

Bis jetzt hat man das Thier selten lebend nach Europa gebracht. Buffon besaß ein Weibchen längere Zeit, welches ganz zahm war, sich unter dem Ofen ein Lager machte, den Tag über schlief, des Nachts umherlief und, wenn es in einen Kasten eingeschlossen wurde, zu nagen begann. Bekannten Personen leckte es die Hand und ließ von ihnen sich krauen; dabei streckte es sich aus und gab sein Wohlgefallen durch einen schwachen Laut zu erkennen. Fremde Personen, Kinder und Hunde versuchte es zu beißen. Im Zorne grunzte und knirschte es ganz eigenthümlich. Gegen Kälte war es so wenig empfindlich, daß Buffon glaubte, man könne es in Europa einheimisch machen. Ich habe die Paka über ein Jahr lang beobachtet und als ein träges, wenig anziehendes Thier kennen gelernt. Bei Tage erscheint sie selten außerhalb ihrer Höhlen; gegen Sonnenuntergang kommt sie hervor. Sie lebt friedlich oder richtiger gleichgültig mit anderen Thieren zusammen, läßt sich nichts gefallen, greift aber keinen ihrer Genossen an. Begnügsam, macht sie weder an besonders gute Nahrung, noch an einen wohleingerichteten Stall Anspruch.


Paka (Coelogenys Paca). 1/7 natürl. Größe.
Paka (Coelogenys Paca). 1/7 natürl. Größe.

Hinsichtlich ihrer Zähigkeit im Ertragen der Kälte muß ich Buffon beistimmen; nur glaube ich nicht, daß eine Einbürgerung in Europa erheblichen Nutzen haben würde. Hensel ist anderer Meinung und glaubt, daß die Einbürgerung der Paka ersprießlich sein könnte. Sie läßt sich, wie er hervorhebt, leicht in Gefangenschaft halten und pflanzt sich hier auch fort. Freilich würde sie, ihrer langsamen Vermehrung wegen, hinter dem Kaninchen sehr zurückbleiben; ihr Fleisch dagegen würde den Feinschmecker vielmehr befriedigen als Kaninchenfleisch und so die Kosten der Zucht wieder aufwiegen. Ich glaube nicht, daß diese Schlußfolgerungen richtig sind, weil ich überzeugt bin, daß jeder Nager mehr an Futter verbraucht, als sein Fleisch werth ist. Bei einem so großen, verhältnismäßig langsam wachsenden Thiere, wie die Paka es ist, dürfte das Mißverhältnis zwischen Anlagekosten und Gewinn jedermann fühlbar und eine Züchtung in großartigem Maßstabe sehr bald unterlassen werden.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 434-436.
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