Schilu (Xerus rutilus)

[287] Der Schilu der Abissinier (Xerus rutilus, Sciurus rutilus und ocularis) wird im ganzen etwa 50 Centim. lang, wovon etwa 22 Centim. auf den Schwanz kommen. Die Färbung ist oben röthlichgelb, an den Seiten und unten licht, fast weißlich. Der zweizeilig behaarte Schwanz ist seitlich und am Ende weiß, in der Mitte roth, hier und da weiß gefleckt, weil viele seiner Haare in weiße Spitzen enden. Dasselbe ist auch bei den Rückenhaaren der Fall. In den Steppenländern kommt eine andere Art, die Sabera der Araber (Xerus leucoumbrinus), und zwar sehr häufig vor, während der Schilu immer nur einzeln auf tritt.

Beide Thiere ähneln sich in ihrem Leben vollständig. Sie bewohnen dürre Steppenwaldungen, die waldlose Ebene selbst, gebirgige, hügelige Gegenden mit spärlichem Pflanzenwuchse und andere ähnliche Orte, graben sich geschickt und rasch unter dichten Büschen, zwischen dem Gewurzel der Bäume und unter größeren Felsblöcken tiefe und künstliche Baue und streifen von diesen aus bei Tage umher. Wie Rüpell angibt, klettern sie auch im niederen Gebüsch herum; bei Gefahr flüchten sie aber schleunigst wieder nach ihren unterirdischen Schlupfwinkeln. Man sieht sie bei Tage einzeln oder paarweise umherstreichen, auch in unmittelbarer Nähe der Dörfer, und wenn [287] man sie aufscheucht, nach einem ihrer Baue flüchten. Wo die Gegend nicht felsig ist, graben sie sich unter starken Bäumen Röhren von großer Ausdehnung, wenigstens muß man dies aus den hohen Haufen schließen, welche vor ihren Fluchtröhren aufgeworfen werden. Die Baue näher zu untersuchen, hat seine Schwierigkeit, weil sie regelmäßig zwischen dem Wurzelwerke der Bäume verlaufen. Wurde die Wohnung unter Felsblöcken angelegt, so ist es nicht besser; denn das Ziselhörnchen hat sich sicher den unzugänglichsten Platz ausgesucht.

Im Dorfe Mensa hatte sich ein Pärchen des Schilu die Kirche und den Friedhof zu seinen Wohnsitzen erkoren, und trieb sich lustig und furchtlos vor aller Augen umher.


Schilu (Xerus rutilus). 1/4 natürl. Größe.
Schilu (Xerus rutilus). 1/4 natürl. Größe.

Die hohen Kegel, welche man über den Gräbern aufthürmt und mit blendendweißen Quarzstücken belegt, mochten ihm passende Zufluchtsorte bieten; denn das eine oder das andere Mitglied des Pärchens verschwand hier oft vor unseren Augen. Allerliebst sah es aus, wenn eines der Thiere auf die Spitze eines jener Grabhügel sich setzte und die bezeichnende Stellung unseres Eichhörnchens annahm. Ich habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerkt, niemals auf Bäumen oder Sträuchern. Hier zeigt er sich ebenso gewandt wie unser Eichhörnchen in seinem Wohngebiete. Der Gang ist leicht und wegen der hohen Läufe ziemlich schnell; doch gehen beide mehr schrittweise als die wahren Eichhörnchen. In ihrem Wesen beurkunden sie viel Leben und Rastlosigkeit. Jede Ritze, jedes Loch wird geprüft, untersucht und womöglich durchkrochen. Die hellen Augen sind ohne Unterlaß in Bewegung, um irgend etwas Genießbares auszuspähen. Knospen und Blätter scheinen die Hauptnahrung zu bilden; aber auch kleine Vögel, Eier und Kerbthiere werden nicht verschmäht. Selbst unter den Nagern dürfte es wenig bissigere Thiere geben, als die Ziselhörnchen es sind. Streitlustig sieht man sie umherschauen, angegriffen, muthvoll sich vertheidigen. Angeschossene oder gefangene beißen fürchterlich. Sie werden auch nach längerer Haft niemals zahm, sondern bethätigen beständig namenlose Wuth und beißen grimmig nach jedem, welcher ihnen sich nähert. Guter Behandlung scheinen sie vollkommen unzugänglich zu sein: kurz, ihr geistiges Wesen steht entschieden auf niederer Stufe. Ein Schilu, welchen ich über Jahr und Tag pflegte, blieb derselbe vom Anfang bis zum Ende. Gefürchtet von jedem Wärter, wurde er uns zur Last. Außer seinem hurtigen Betragen zeigte er nichts Anziehendes. Mit Eintritt des Winters wurde er traurig, und eines Morgens fanden wir ihn erstarrt und regungslos; doch brachte ihn Wärme wieder zu sich, und er lebte sodann noch mehrere Monate.

[288] Ueber die Fortpflanzung habe ich nichts genaues erfahren können. Ich sah nur ein Mal eine Familie von vier Stück und vermuthe deshalb, daß die Ziselhörnchen bloß zwei Junge werfen. Hiermit steht die gleiche Zitzenzahl des Weibchens im Einklange.

Ihr Hauptfeind ist der Schopfadler (Spizaëtos occipitalis), ein ebenso kühner als gefährlicher Räuber jener Gegenden; dagegen scheinen sie mit dem Singhabicht (Melierax polyzonus) im besten Einverständnisse zu leben; wenigstens sieht man sie unter Bäumen, auf den dieser Raubvogel sitzt, unbesorgt sich umhertreiben. Unter den Säugethieren stellen ihnen die großen Windhunde am eifrigsten nach. Die Mohammedaner und christlichen Bewohner Innerafrikas lassen sie unbehelligt, weil sie dieselben für unrein in Glaubenssachen erkennen; die freien Neger dagegen sollen das wahrscheinlich nicht unschmackhafte Fleisch genießen.

Die Murmelthiere (Arctomina), welche die zweite Unterfamilie bilden, unterscheiden sich von den Hörnchen im engeren Sinne durch den plumperen, gedrungeneren Leib, den kurzen Schwanz und das Gebiß, dessen oberer Backenzahn zwar kleiner, jedoch ebenso lang ist als die folgenden, welche nach außen breit abgerundet, innen stark verschmälert und mit scharfen, erhöhten Leisten besetzt sind.

Man findet die Murmelthiere in Mitteleuropa, Nordasien und Nordamerika in ziemlich bedeutender Artenmenge verbreitet. Die meisten von ihnen bewohnen das Flachland, einige dagegen gerade die höchsten Gebirge ihrer bezüglichen Heimatsländer. Trockene, lehmige, sandige oder steinige Gegenden, grasreiche Ebenen und Steppen, Felder und Gärten bilden die Aufenthaltsorte, und nur die Gebirgsmurmelthiere ziehen die Triften und Weiden über der Grenze des Holzwuchses oder die einzelnen Schluchten und Felsthäler zwischen der Schneegrenze und dem Holzwuchse jenen Ebenen vor. Alle Arten haben feste Wohnsitze und wandern nicht. Sie legen sich tiefe, unterirdische Baue an und leben hier in Gesellschaften, oft in erstaunlich großer Anzahl, bei einander. Manche haben, je nach der Jahreszeit oder den jeweiligen Geschäften, welche sie verrichten, mehr als einen Bau, andere halten sich jahraus jahrein in derselben Höhlung auf. Sie sind Bodenthiere, immer noch lebhaft und schnell in ihren Bewegungen, jedoch weit langsamer als die Hörnchen; einige Arten erscheinen geradezu schwerfällig. Gras, Kräuter, zarte Triebe, junge Pflanzen, Sämereien, Feldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Knollen und Zwiebeln bilden ihre Nahrung, und nur die wenigen, welche sich mühsam auf Bäume und Sträucher hinaufhaspeln, fressen junge Baumblätter und Knospen. Wahrscheinlich nehmen auch sie neben der Pflanzennahrung thierische zu sich, wenn ihnen dieselbe in den Wurf kommt, fangen Kerbthiere, kleine Säugethiere, tölpische Vögel und plündern deren Nester aus. Manche werden den Getreidefeldern und Gärten schädlich; doch ist der Nachtheil, welchen sie unserem Besitzstande zufügen, nicht von Belang. Beim Fressen sitzen sie wie die Hörnchen auf dem Hintertheile und bringen das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen sie, Schätze einzusammeln, und füllen sich, je nach der Oertlichkeit, besondere Räumlichkeiten ihrer Baue mit Gräsern, Blättern, Sämereien und Körnern an. Gegen den Winter hin vergraben sie sich in ihren Bau und verfallen in einen ununterbrochenen und tiefen Winterschlaf, welcher ihre Lebensthätigkeit auf das allergeringste Maß herabstimmt.

Ihre Stimme besteht in einem stärkeren oder schwächeren Pfeifen und einer Art von Murren, welches, wenn es leise ist, Behaglichkeit ausdrückt, sonst aber auch ihren Zorn bekundet. Unter ihren Sinnen sind Gefühl und Gesicht am meisten ausgebildet; namentlich zeigen auch sie ein sehr feines Vorgefühl der kommenden Witterung und treffen danach ihre Vorkehrungen. Hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten übertreffen sie durchschnittlich die Hörnchen. Höchst aufmerksam, vorsichtig und wachsam, scheu und furchtsam, stellen viele von ihnen besondere Wachen aus, um [289] die Sicherheit der Gesellschaft zu erhöhen, und flüchten sich beim geringsten Verdachte einer nahenden Gefahr schleunigst nach ihren unterirdischen Verstecken. Nur höchst wenige wagen es, einem herankommenden Feinde Trotz zu bieten, die große Mehrzahl setzt sich, ungeachtet ihres tüchtigen Gebisses, niemals zur Wehre, und deshalb sagt man von ihnen, daß sie gutmüthig und sanft, friedlich und harmlos seien. Ihr Verstand bekundet sich darin, daß sie sich leicht bis zu einem ziemlich hohen Grade zähmen lassen. Die meisten lernen ihren Pfleger kennen und werden sehr zutraulich, einige zeigen sich sogar folgsam, gelehrig und erlernen mancherlei Kunststückchen.

Ihre Vermehrung ist stark. Sie werfen allerdings durchschnittlich nur einmal im Jahre, aber drei bis zehn Junge, und diese sind schon im nächsten Frühjahre fortpflanzungsfähig.

Man benutzt von einigen das Fell und ißt von den anderen das Fleisch, hält sie auch gern als artige Hausgenossen: weiteren Nutzen bringen sie nicht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 287-290.
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