Siebente Familie: Wurfmäuse (Cunicularia)

[398] Die Familie der Wurfmäuse (Cunicularia) besteht aus misgestalteten, häßlichen, unterirdisch lebenden Nagern. Gewissermaßen die Vertreter der Maulwürfe innerhalb ihrer Ordnung, besitzen sie alle unangenehmen Eigenschaften dieser Wühler, ohne deren Nutzen zu bringen. Der Leib ist plump und walzenförmig, der Kopf dick, breit, flachstirnig und stumpfschnäuzig; die Augen sind außerordentlich klein oder liegen gänzlich unter der äußern Haut verborgen; die sehr kleinen Ohren entbehren äußerlich sichtbarer Muscheln; der Schwanz fehlt oder ist im Pelze versteckt. Um so mehr treten die fast gleichmäßig entwickelten fünfzehigen Füße hervor; denn wie bei den Maulwürfen sind die vorderen stärker als die hinteren und alle mit sehr kräftigen Grabekrallen bewehrt. An dem hinten sehr breiten, vorn abschüssigen Schädel fällt besonders der in zwei ungleiche Aeste getheilte Jochfortsatz auf. In der Wirbelsäule zählt man außer den Halswirbeln 12 bis 14 rippentragende, 5 bis 6 rippenlose, 2 bis 5 Kreuz- und 5 bis 13 Schwanzwirbel. Das Schlüsselbein ist sehr kräftig, der Oberarm breit und stark. Die Schneidezähne sind breit und flach, die drei, vier oder sechs Backenzähne in jedem Kiefer gefaltet und mit Wurzeln versehen oder wurzellos.

Alle Wurfmäuse gehören der alten Welt an. Sie bewohnen meist trockene, sandige Ebenen und durchwühlen nach Art der Maulwürfe den Boden auf weite Strecken hin. Keine Art lebt gesellig; jede wohnt einzeln in ihrem Baue und zeigt auch das mürrische, einsiedlerische Wesen des Maulwurfes. Lichtscheu und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlassen die Wurfmäuse nur höchst selten ihre unterirdischen Gänge, arbeiten meistens auch hier nicht einmal während des Tages, sondern hauptsächlich zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnelligkeit graben sie, mehrere sogar senkrecht tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen, bewegen sie sich in ihren unterirdischen Palästen vor- und rückwärts mit fast gleicher Gewandtheit. Ihre Nahrung besteht nur in Pflanzen, meistens in Wurzeln, Knollen und Zwiebeln, welche sie aus der Erde wühlen; ausnahmsweise fressen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüsse. Die in kalten Gegenden wohnenden sammeln sich zwar Nahrungsvorräthe ein, verfallen aber nicht in einen Winterschlaf, sondern arbeiten rüstig weiter zum Nachtheile der Felder, Gärten und Wiesen. [398] Glücklicherweise vermehren sie sich nicht sehr stark, sondern werfen bloß zwei bis vier Junge, für welche manche Arten ein Nest herrichten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 398-399.
Lizenz:
Kategorien: