Springhase (Pedetes caffer)

[340] Der Springhase (Pedetes caffer, Mus und Dipus caffer, Pedetes und Helamys capensis), welcher gegenwärtig ebenfalls als Vertreter einer eigenen Unterfamilie oder Familie (Pedetina) angesehen wird, unterscheidet sich von den übrigen Springmäusen wesentlich durch sein Gebiß, da in jedem Kiefer vier zweilappige Backenzähne stehen, weicht aber auch außerdem merklich von den Verwandten ab. Der gestreckte Leib wird nach hinten allmählich dicker, der Hals ist ziemlich dick, jedoch abgesetzt vom Leibe und viel beweglicher als bei den Verwandten; die Vorderbeine sind noch sehr kurz, aber viel kräftiger als bei den Springmäusen, ihre fünf Zehen mit starken, langen, scharfgekrümmten Krallen bewehrt, während die Hinterglieder, lange, kräftige Sprungbeine, vier an besonderen Mittelfußknochen sitzende Zehen haben und diese mit starken und breiten, aber ziemlich kurzen, fast hufartigen Nägeln bewaffnet werden. Die Mittelzehe übertrifft die übrigen an Länge; die kurze Außenzehe ist so hoch gestellt, daß sie kaum den Boden berührt. Der sehr lange, kräftige und dichtbuschige, an der Wurzel noch dünne Schwanz wird durch die reichliche Behaarung nach der Spitze zu dicker und endet mit einem stumpfspitzigen Haarbüschel. Der Kopf ist ziemlich groß, am Hinterkopfe breit, an den Seiten zusammengedrückt, die Schnauze mäßig lang, ziemlich stumpf, die Mundspalte klein, die Oberlippe nicht gespalten. Große, hochgewölbte und deshalb hervortretende Augen, mittellange, schmale und spitzige Ohren erinnern an die übrigen Familienglieder; die Schnurren dagegen sind verhältnismäßig kurz. Das Weibchen trägt vier Zitzen auf der Brust.

Die lange, dichte, reichliche und weiche, in der Färbung dem Balge unseres Hasen auffallend ähnelnde Behaarung des Springhasen ist auf der Oberseite rostbräunlichfahlgelb mit schwarzer Beimischung, weil viele Haare mit schwarzen Spitzen endigen, auf der Unterseite dagegen [340] weiß.


Geripp des Springhasen. (Aus dem Berliner anat. Museum.)
Geripp des Springhasen. (Aus dem Berliner anat. Museum.)

In der Größe ähnelt das Thier ungefähr unserem Hasen: die Leibeslänge beträgt etwa 60 Centim., die des Schwanzes noch etwas mehr.

Der Springhase ist über einen größern Theil von Südafrika verbreitet, als man früher angenommen hat, und kommt im Südwesten mindestens bis Angola vor. Im Kaplande lebt er stellenweise recht häufig, ebensowohl in gebirgigen Gegenden wie in offenen Ebenen, manchmal in so großer Anzahl zusammen, daß er förmliche Ansiedelungen bildet. Nach Art seiner Verwandten gräbt auch er unterirdische Baue mit langen, gewöhnlich seicht verlaufenden und vielfach verzweigten, nach einem tiefern Kessel führenden Gängen. Meist bewohnen mehrere Paare, ja ganze Familien einen solchen Bau, und oft siedeln sich in manchen Gängen des bewohnten Baues wilde Bienen an, welche also friedlich mit dem Baubesitzer die Wohnung theilen. Die Hottentotten sagen, daß dieser beim Graben ebensowohl sein Gebiß wie die Vorderfüße brauche. Gustav Fritsch gibt an, daß er ebenso wie seine Verwandten die Röhren seines Baues über Tages sorgfältig verschlossen hält. Lichtenstein erfuhr, daß es nicht so leicht ist, ihn auszugraben. Seine Bemühungen waren erfolglos, obgleich er unzählige Löcher am Fuße des Berges entdeckte und eine Menge von Hottentotten anstellte, welche mit Schaufeln und Hacken helfen mußten, die seichten Gänge zu durchwühlen. Das Netz, welches diese Gänge bildet, war so vollständig, daß es ganz unmöglich wurde, dem Springhasen alle Wege abzuschneiden, und die Erzählung der Hottentotten, daß er schneller grübe, als man ihm mit dem Spaten folgen könne, erhielt wenigstens viel Wahrscheinlichkeit.

Wie seine Familienverwandten Nachtthier, beginnt erst mit der Abenddämmerung sein wahres Leben. Er kommt langsam aus seinem Baue hervor, kriecht mehr, als er geht, auf allen vier Füßen dahin und sucht sich Wurzeln, Blätter und Sämereien, welche seine Nahrung bilden. Fast jede Minute richtet er sich auf und lauscht; denn er ist beständig höchst unruhig. Wenn er nicht frißt, putzt er sich, und wenn er sich nicht putzt, zeigt er sich besorgt um seine Sicherheit. Bisweilen läßt er ein Grunzen oder Meckern hören, wahrscheinlich um seine verschiedenen Gefährten zusammenzurufen. Die Nahrung führt er, wie die Springmäuse, mit den kurzen Vorderfüßen zum Munde. So langsam er sich bewegt, wenn er auf allen vier Füßen dahingeht, so schnell ist sein aus rasch aufeinanderfolgenden Sätzen bestehender Lauf. Mit den langen Hinterbeinen schnellt er sich vom Boden in die Höhe und tritt mit den Hinterfüßen wieder auf, ohne sich nach vorn zu überstürzen. Die Vorderbeine bleiben über der Brust gefaltet. Gewöhnlich beträgt die Weite seiner Sprünge zwei bis drei Meter, wird er aber verfolgt, so steigert er seinen Lauf derartig, daß dann die durchschnittliche Weite zwischen sechs bis zehn Meter beträgt: so geben übereinstimmend For ster und Sparrman an. Dabei legt er eine Leichtigkeit an den Tag, daß es aussieht, als wäre er gar nicht im Stande, zu ermüden, und so entkommt er denn auch regelmäßig seinen Feinden. Nur die Nässe lähmt seine Behendigkeit. Die Hottentotten versicherten Lichtenstein, daß er bei Regenwetter niemals aus seinem Baue komme, und daß es bei heftigem Platzregen leicht wäre, ihn mit den Händen zu ergreifen, so matt würde er durch die Nässe. Und wenn man nun gar Wasser in die Baue leite, könne man so viele Springhasen fangen, als man wolle. Demungeachtet sei es noch immer nicht so leicht, sich des Thieres zu bemächtigen, denn es vertheidige sich tüchtig mit den Hinterbeinen, indem es damit nach vorn ausschlage und mit den langen, scharfen Zehen ernste Verwundungen beibringe.

Ueber die Fortpflanzung weiß man noch wenig. Das Weibchen wirft im Sommer drei bis vier Junge, welche längere Zeit von der Mutter gesäugt werden und dann mit ihr ausgehen, auch [341] lange denselben Bau bewohnen. Beim Eintritte der Regenzeit soll die ganze Familie oft tagelang, in zusammengerollter Stellung eng an einander gerückt, im Inneren des Baues verweilen.

Die Gefangenschaft hält der Springhase bei guter Pflege leicht und dauernd aus, wird auch bald zahm und zutraulich gegen seinen Pfleger. Bloß wenn er arg gequält wird, versucht er es, die Unbill mit einem Bisse zu rächen. Seine Reinlichkeit macht ihn beliebt, und seine Fütterung verursacht eben keine Mühe: Weizen, Brod, Salat und Kohl genügen ihm vollständig. Er schläft sitzend, verbirgt den Kopf zwischen den Schenkeln und drückt mit den gekreuzten Vorderpfoten die Ohren über die Augen weg.


Springhase (Pedetes caffer). 1/8 Größe.
Springhase (Pedetes caffer). 1/8 Größe.

Bei den holländischen Ansiedlern ist die Jagd des Thieres sehr beliebt; denn das Fleisch wird geschätzt und der Balg in ähnlicher Weise verwandt wie der unseres Hasen. Man jagt fast nur bei hellem Mondscheine, indem man sich da, wo es viele Löcher gibt, anstellt und lauert, bis ein Springhase in die Nähe kommt. Nach Fritsch soll man zuweilen in einer einzigen Mondscheinnacht gegen ein Dutzend dieser behenden Thiere erlegen. Im Vergleiche zu dem durch die Jagd erlangten Nutzen ist der Schaden, welchen der Springhase durch Unterwühlen mancher Felder und Gärten anrichtet, ein sehr geringer; es steht ja auch in jedes Hand, ihn zu vertreiben, sobald er lästig wird.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 340-342.
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