Dachs (Meles Taxus)

[144] Der Dachs, Gräving oder Greifing (Meles Taxus, Ursus Taxus und Meles, Taxus vulgaris, Meles vulgaris und europaeus), erreicht bis 75 Centim. Leibes- und 18 Centim. Schwanzlänge, bei ungefähr 30 Centim. Höhe am Widerriste. Alte Männchen erlangen im Herbste ein Gewicht bis zu 20 Kilogramm. Ein ziemlich langes, straffes, fast borstenartiges, glänzendes Haarkleid bedeckt den ganzen Körper und hüllt auch die Ohren ein. Seine Färbung ist am Rücken weißgrau und schwarz gemischt, weil die einzelnen Haare an der Wurzel meist gelblich, in der Mitte schwarz und an der Spitze grauweiß ausgehen, an den Körperseiten und am Schwanze röthlich, auf der Unterseite und an den Füßen schwarzbraun. Der Kopf ist weiß, aber ein matter, schwarzer Streifen verläuft jenseits der Schnauze, verbreitert sich, geht über die Augen und die weißbehaarten Ohren hinweg und verliert sich allmählich im Nacken. Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen durch geringere Größe und Breite sowie durch hellere Färbung, welche namentlich durch die weißlichen, durchschimmernden Wollhaare bewirkt wird. Sehr selten sind Spielarten von ganz weißer Färbung, noch seltner solche, welche auf weißem Grunde dunkel kastanienbraune Flecke zeigen.


Dachs (Meles Taxus). 1/7 natürl. Größe.
Dachs (Meles Taxus). 1/7 natürl. Größe.

Neugeborene Dachse sind, nach Döbner, 15, mit dem Schwanze 19 Centim. lang und tragen ein dünnes, auf dem Bauche äußerst spärliches, aus straffen, verhältnismäßig dicken und borstenartigen, dicht anliegenden Haaren bestehendes, nur an den dunkel gefärbten Stellen des Körpers mehr oder weniger mit grauen und schwarzen Haaren gemengtes, übrigens weiß gefärbtes Fell. Der bei [145] erwachsenen Dachsen zu beiden Seiten des Kopfes verlaufende schwarze Streifen ist bereits deutlich sichtbar, aber noch bräunlich gefärbt; ebenso sehen die Füße und die Unterschenkel der Vorder- und Hinterbeine aus. Auch längs der Kehle und Brust zeigt sich schon die dunkle Färbung, doch finden sich hier noch keine dunklen Haare.

In der Weidmannssprache nennt man das Dachsmännchen Dachs, das Weibchen Fähe oder Fehe, die Augen Seher, die Ohren Lauscher, die Eckzähne Fänge, die Beine Läufe, die Haut Schwarte, den Schwanz Pürzel, Ruthe, Zain, die Nägel Klauen, die Gänge, welche zu seiner Wohnung führen Röhren, Geschleife und Einfahrten, den Ort, wo unter der Erde die Röhren zusammenlaufen, den Kessel. Man sagt, der Dachs bewohnt den Bau, befährt die Röhre, sitzt im Kessel, versetzt, verklüftet, verliert sich, wird vom Dachshunde im Kessel angetrieben, schleicht und trabt, weidet sich oder nimmt Weide an, sticht oder wurzelt, wenn er Nahrung aus der Erde gräbt, ranzt oder rollt, indem er sich begattet, verfängt sich, wenn er sich an Hunden festbeißt; er wird todt geschlagen, die Schwarte abgeschärft, das Fett abgelöst, der Leib aufgebrochen, zerwirkt und zerlegt.

Der Dachs bewohnt mit Ausnahme der Insel Sardinien und des Nordens von Skandinavien ganz Europa, ebenso Asien von Syrien an durch Georgien und Persien bis nach Japan sowie Sibirien bis zur Lena. Er lebt einsam in Höhlen, welche er selbst mit seinen starken, krummen Krallen auf der Sonnenseite bewaldeter Hügel ausgräbt, mit vier bis acht Ausgängen und Luftlöchern versieht und innen aufs bequemste einrichtet. Die Hauptwohnung im Baue, der Kessel, zu welchem mehrere Röhren führen, ist so groß, daß er ein geräumiges, weiches Moospolster und das Thier selbst nebst seinen Jungen aufnehmen kann. Die wenigsten Röhren aber werden befahren, sondern dienen bloß im Falle der größten Noth als Fluchtwege oder auch als Luftgänge. Größte Reinlichkeit und Sauberkeit herrscht überall, und hierdurch zeichnet sich der Dachsbau vor fast allen übrigen ähnlichen unterirdischen Behausungen der Säugethiere aus. Vorhölzer, welche nicht weit von Fluren gelegen sind, ja sogar unbewaldete Gehänge mitten in der Flur werden mit Vorliebe zur Anlegung dieser Wohnungen benutzt; immer aber sind es stille und einsame Orte, welche der Einsiedler sich aussucht. Er liebt es, ein beschauliches und gemächliches Leben zu führen und vor allem seine eigene Selbständigkeit in der ausgedehntesten Weise zu bewahren. Seine Stärke macht es ihm leicht, Höhlen auszuscharren, und wie einige andere unterirdisch lebende Thiere ist er im Stande, sich in wenig Minuten vollkommen zu vergraben. Dabei kommen ihm seine starken, mit tüchtigen Krallen bewaffneten Vorderfüße vortrefflich zustatten. Schon nach sehr kurzer Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde Hindernisse; nun aber nimmt er seine Hinterfüße zu Hülfe und wirft mit kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter sich. Wenn die Aushöhlung weiter fortschreitet, schiebt er, gewaltsam sich entgegenstemmend, die Erde mit seinem Hintertheile nach rückwärts, und so wird es ihm möglich, auch aus der Tiefe sämmtliche Erde herauszuschaffen.

Unter allen halbunterirdisch lebenden Thieren sowie unter denen, welche bloß unter der Erde schlafen, sieht der Dachs am meisten darauf, daß seine Baue möglichste Ausdehnung haben und entsprechende Sicherheit gewähren. Fast regelmäßig sind die Gänge, welche von dem Kessel auslaufen, acht bis zehn Meter lang und ihre Mündungen oft dreißig Schritte weit von einander entfernt. Der Kessel befindet sich gewöhnlich einundeinhalb bis zwei Meter tief unter der Erde; ist jedoch die Steilung, auf welcher der Bau angelegt wurde, bedeutend, so kommt er auch wohl bis auf fünf Meter unter die Oberfläche zu liegen. Dann aber führen fast regelmäßig einzelne Röhren, welche zur Lüftung dienen, senkrecht empor. Kann der Dachs den Bau im Geklüfte anlegen, so ist es ihm um so lieber: er genießt dann größere Sicherheit und Ruhe, Hauptbedingungen für Behaglichkeit seines Daseins.

In diesem Baue bringt der Dachs den größten Theil seines Lebens zu, und erst, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen ist, verläßt er ihn auf weitere Entfernung. In sehr stillen Waldungen treibt er sich während des Hochsommers auch wohl schon in den späteren Nachmittagsstunden [146] spazieren gehend außen umher, und ich selbst bin ihm in der Nähe von Stubbenkammer auf Rügen am hellen, lichten Tage begegnet; solche Tagesausflüge gehören jedoch zu den Ausnahmen. »Von einem Jäger«, berichtet Tschudi, »dem das seltene Glück zu Theil ward, einen Dachs im Freien ungestört längere Zeit beobachten zu können, erhalten wir anziehende Mittheilungen. Er besuchte wiederholt einen Dachsbau, welcher, am Rande einer Schlucht angelegt, von der entgegengesetzten Seite dem freien Ueberblicke offen lag. Der Bau war stark befahren, der neu aufgeworfene Boden jedoch vor der Hauptröhre so eben und glatt wie eine Tenne und so festgetreten, daß nicht zu erkennen war, ob er Junge enthalte. Als der Wind günstiger war, schlich sich der Jäger von der entgegengesetzten Seite in die Nähe des Baues und erblickte bald einen alten Dachs, welcher griesgrämig, in eigener Langweiligkeit verloren, dasaß, doch sonst, wie es schien, sich recht behaglich fühlte in den warmen Strahlen. Dies war nicht ein Zufall: der Jäger sah das Thier, so oft er an hellen Tagen den Bau beobachtete, in der Sonne liegen. In Wohlseligkeit und Nichtsthun brachte es die Zeit hin. Bald saß er da, guckte ernsthaft ringsum, betrachtete dann einzelne Gegenstände genau und wiegte sich endlich nach Art der Bären auf den vorderen Branten gemächlich hin und her. So große Behaglichkeit unterbrachen jedoch plötzlich blutdürstige Schmarotzer, welche es mit außergewöhnlicher Hast mit Nagel und Zahn sofort zur Rechenschaft zog. Endlich zufrieden mit dem Erfolge des Strafgerichtes gab der Dachs mit erhöhtem Behagen in der bequemsten Lage sich der Sonne preis, indem er ihr bald den breiten Rücken, bald den wohlgenährten Wanst zuwandte. Lange dauerte aber dieser Zeitvertreib auch nicht; mit der Langweile mochte ihm etwas in die Nase kommen. Er hebt diese hoch, wendet sich nach allen Seiten, ohne etwas ausfindig zu machen. Doch scheint ihm Vorsicht rathsam, und er fährt zu Baue. Ein anderes Mal sonnte er sich wieder, trabte dann zur Abwechselung einmal thalabwärts, um in ziemlicher Entfernung Raum zu schaffen für die Aesung der nächsten Nacht, kehrte sogar, gemäß seiner gerühmten Vorsicht und Reinlichkeit, nochmals um und überwischte zu wiederholten Malen seine Losung, damit sie ja nicht zum Verräther werde. Auf dem Rückwege nahm er sich Zeit, stach hier und da einmal, ohne jedoch beim Weiden sich aufzuhalten, trieb dann noch ein Weilchen den alten Zeitvertreib, und als allmählich der Bäume Schlagschatten die Scene überliefen, fuhr er nach sehr schweren Mühen wieder zu Baue, wahrscheinlich, um auf die noch schwereren der Nacht zum voraus noch ein Bischen zu schlummern.«

Eigenthümlich ist die Art und Weise, wie er aus dem Baue und in denselben fährt. »Ganz verschieden vom Fuchse«, sagt Adolf Müller, »welcher rasch aus der Röhre hervorkommt und dann erst sichert, kündigt sich dem aufmerksamen Jäger die Ankunft des unterirdischen Gesellen erst durch ein dumpfes Gerumpel in der Röhre an: er schüttelt den Staub von seinem Felle. Dann rückt er äußerst vorsichtig mit dem halben Kopfe aus der Röhre, sichert einen Augenblick und taucht wieder unter. Dies wiederholt sich oft mehrmals, bis der geheimnisvolle Bergbewohner sich höher aus der Röhre heraushebt, einen Augenblick noch mit Gehör und Nase die Umgebung prüft und dann, gewöhnlich trottend, den Bau verläßt. Das Einfahren geschieht in der Regel rasch und im Herbste wegen seiner Beleibtheit unter vernehmbaren Keuchen, langsamer nur bei besonders stillem Wetter und vollkommener Sicherheit, auffallend schnell dagegen, wenn es windig ist.« Nur junge Dachse gehen in Gesellschaft zur Nahrung aus, alte stets allein.

Zur Zeit der Paarung lebt der Dachs mit seinem Weibchen gesellig, jedoch immer nur in beschränkter Weise; den ganzen übrigen Theil des Jahres bewohnt er für sich allein einen Bau und hält weder mit seinem Weibchen noch mit anderen Thieren Freundschaft. In alten, ausgedehnten Bauen drängt sich ihm zwar der Fuchs nicht selten als Gesellschafter auf; beide Thiere aber bekümmern sich wenig um einander, und der Fuchs haust sodann regelmäßig in den oberen, der Dachs in den unteren Röhren und Kesseln. Daß Reineke durch Absetzen seiner Losung den reinlichen Grimbart vertreibe, ist eine von neueren Beobachtern wiederlegte Jägerfabel.

Die Bewegungen des Dachses sind langsam und träge; der Gang erscheint schleppend und schwerfällig; nicht einmal der schnellste Lauf ist fördernd: man behauptet, daß ein guter Fußgänger [147] Grimbart einholen könne. Das Thier macht einen eigenthümlichen Eindruck. Anfänglich meint man, eher ein Schwein vor sich zu sehen als ein Raubthier, und ich meine, daß schon eine gewisse Vertrautheit mit seiner Gestalt und seinem Wesen dazu gehört, wenn man ihn überhaupt erkennen will. An das Schwein erinnert auch seine grunzende Stimme.

Seine Nahrung besteht im Frühjahre und Sommer vorzüglich aus Wurzeln, namentlich Birkenwurzeln, später aus Trüffeln, Bücheln und Eicheln. Hier und da scharrt er ein Hummel- oder Wespennest aus und frißt mit großem Behagen die larvenreichen und honigsüßen Waben, ohne sich viel um die Stiche der erbosten Kerbthiere zu kümmern; sein rauher Pelz, die dicke Schwarte und die darunter sich befindende Fettschicht schützen ihn auch vollständig vor den Stichen der Immen. Kerbthiere aller Art, Schnecken und Regenwürmer bilden während des Sommers wohl den Haupttheil seiner Mahlzeiten. Die Regenwürmer bohrt er mit den scharfen langen Nägeln seiner Vorderpfoten aus ihrem Verstecke sehr geschickt heraus, und derselben Werkzeuge bedient er sich beim Aufsuchen von Larven des Maikäfers und sonstiger schädlichen Kerbthiere, welche auf Aeckern, Wiesen und anderem Gelände unter der Erde leben. Bei Erbeutung der letzteren sticht er aber nicht, wie der Jäger sagt, d.h. macht nicht trichterförmige, drei bis fünf Centim. tiefe und halb so weite Löcher wie beim Erbeuten der Regenwürmer, sondern wühlt öfters tief den Boden auf. Hierbei gebraucht er freilich ebenfalls die Schnauze, aber keineswegs zum Stechen oder Bohren, sondern, wie andere Raubthiere auch, einzig und allein zum Auswittern. Schnecken, möglicherweise auch Raupen, Schmetterlinge und dergleichen sucht er, wie von Bischofshausen beobachten konnte, von den Bäumen ab. Genannter Weidmann sah zu seiner nicht geringen Ueberraschung an einem schönen Sommerabende eine Dachsfamilie von fünf Stücken, welche auf einem Schlage in sichtlicher Eile, um einander zuvorzukommen, von Baum zu Baum rannten, mit den Vorderläufen, so hoch sie reichen konnten, daran hinauf kletterten und so, auf den Hinterfüßen stehend, jeden Stamm umkreisten. »Sie kamen«, erzählt der Beobachter, »mir dabei sehr nahe und waren in ihrem Geschäfte so eifrig, daß sie meine Anwesenheit nur insofern beachteten, als sie wenigstens an dem Baume, an welchem ich stand, keine Kletterversuche machten, sondern, mich eine Sekunde neugierig betrachtend, zum nächsten Baume gingen. Was aber trieben sie überhaupt in den Bäumen? Zuerst glaubte ich, sie tränken das in den Baumrinnen herabfließende Regenwasser; dazu aber verweilten sie zu kurze Zeit auf einer Stelle und drehten sich zu schnell um den ganzen Stamm herum. Später, als ich nahe genug war, sah ich nun allerdings deutlich, daß sie nicht tranken, bemerkte vielmehr, wie einer von ihnen eine am Baume sitzende kleine Schnecke sammt dem Gehäuse verschlang. Gleichzeitig fielen infolge des Regens öfters Schneckenhäuser von dem Baume, unter welchem ich stand; ungeachtet aller Aufmerksamkeit konnte ich jedoch nicht entdecken, daß auch nur einer den Versuch gemacht hätte, solche aufzulesen. Sie schienen bloß darauf versessen, sich an den Stämmen aufzurichten, und zwar unbekümmert, ob dasselbe eben vorher schon von einem anderen Dachse an dem gleichen Baume bereits geschehen war oder nicht. Ihr Geschäft wurde von allen unter beständigem Gemurmel ausgeführt, welches in der Nähe wie ein dumpfes knurrendes ›Bruno, Bruno‹ sich anhörte.« Im Herbste verspeist Grimbart abgefallenes Obst aller Art, Möhren und Rüben, Vogeleier und junge Vögel; kleinere Säugethiere, junge Hasen, Feldmäuse, Maulwürfe usw., werden auch nicht verschmäht, ja selbst Eidechsen, Frösche und Schlangen munden ihm vortrefflich. In den Weinbergen richtet er unter Umständen Verwüstungen an, drückt die traubenschweren Reben ohne Umstände mit der Pfote zusammen und mästet sich förmlich mit ihrer süßen Frucht. Höchst selten stiehlt er junge Enten und Gänse von Bauerhöfen, welche ganz nahe am Walde liegen; denn er ist außerordentlich mißtrauisch und furchtsam, wagt sich deshalb auch bloß dann heraus, wenn er überzeugt sein kann, daß alles vollkommen sicher ist. Im Nothfalle geht er Aas an. Er frißt im ganzen wenig und trägt nicht viel für den Winter in seinen Bau ein; es müßte denn ein Möhrenacker in der Nähe desselben liegen und seiner Bequemlichkeit zu Hülfe kommen. Merklichen Schaden verursacht der Dachs in Europa nicht, jedenfalls niemals und nirgends so viel, daß der [148] Nutzen, welchen er durch Wegfangen und Verzehren von allerlei Ungeziefer im Walde und in der Flur uns bringt, jenen nicht reichlich aufwiegen sollte. Unter allen Mardern ist er der nützlichste und ein Erhalter, nicht aber ein Schädiger des Waldes: der Forstmann, welcher ihn zu vernichten sucht, sündigt also an sich selbst und an dem von ihm gepflegten Walde.

»Mit dem Igel«, bemerkt Adolf Müller, »hat man den harmlosen Grimbart der Zerstörung der Waldsaaten bezichtigt. Beide Thiere sind von unkundigen, oberflächlichen Beobachtern beim emsigen Suchen nach Larven und Maden in den Rinnen der mit Buchen- oder Fichtensamen besäten Flächen gesehen, für die Zerstörer der zerkauten Samen gehalten und verfolgt worden. Als ob die Thiere nicht vielmehr den in solchen Saaten und gerade hier vorzugsweise sich ansiedelnden schädlichen Engerlingen und anderen Larven oder gar Mäusen nachstellten! Schauet doch tiefer, ihr Pfleger und Erzieher der Wälder, die ihr nicht die Böcke von den Schafen scheiden könnt; thut Dachs und Igel aus dem abergläubischen Bann der alten Nimrode und in den Schutz der vorurtheilslosen Naturwissenschaft. Betrachtet das Gebiß und vergleicht dies mit den Zähnen der Nager, und ihr werdet Dachs und Igel nicht mehr für Waldsamen- oder gar Nadelholzsamendiebe halten. Die Nahrung des Dachses ist und bleibt die von Gliederthieren, und dadurch, verbunden mit dem Umstande, daß er Mäuse fängt, bekundet er sich als eines der nützlichsten Thiere im großen Haushalte der Natur.«

Nicht ganz so harmlos wie bei uns zu Lande tritt der Dachs in Asien auf. »In Ostsibirien«, sagt Radde, »scheint er viel dreister und blutdürstiger zu sein als in Europa. Er bleibt in den besser bevölkerten Gegenden ausschließlich ein nächtliches Raubthier, was beispielsweise im Burejagebirge, wo wir ihn vierzehnmal bei Tage sahen, nicht der Fall war. Hier begnügte er sich mit Mäusen und Schlangen und hatte sicher keine Gelegenheit, das junge Rindvieh zu belästigen, wie er es überall in Transbaikalien thut. In den Hochsteppen Dauriens ist es etwas ganz gewöhnliches, daß er die Kälber seitwärts anspringt. Die größeren von diesen kommen gemeiniglich mit starken Schrammen und Kratzwunden davon, während Schwächlinge dem Raubthiere unterliegen. Nach der Ansiedelung der Kosaken am Amur belästigten die Dachse besonders in den Ebenen oberhalb des Burejagebirges die Herden dieser Leute.«

Zu Ende des Spätherbstes hat sich der Dachs wohl gemästet. Jetzt denkt er daran, den Winter so behaglich als nur irgend möglich zu verbringen und bereitet das wichtigste für seinen Winterschlaf vor. Er trägt Laub in seine Höhle und bettet sich ein dichtes, warmes Lager. Bis zum Eintritte der eigentlichen Kälte zehrt er von dem Eingetragenen. Nun rollt er sich zusammen, legt sich auf den Bauch und steckt den Kopf zwischen die Vorderbeine (nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, zwischen die Hinterbeine, die Schnauzenspitze in seiner Drüsentasche verbergend) und verfällt in einen Winterschlaf. Dieser aber wird, wie jener der Bären, sehr häufig unterbrochen. Bei nicht anhaltender Kälte oder beim Eintritte gelinderer Witterung, besonders bei Thauwetter und in nicht sehr kalten Nächten, ermuntert er sich, geht sogar zuweilen nachts aus seinem Baue heraus, um zu trinken. Bei verhältnismäßig warmer Witterung verläßt er schon im Januar oder spätestens im Februar zeitweise den Bau, um Wurzeln auszugraben und, wenn ihm das Glück wohl will, auch vielleicht ein Mäuschen zu überraschen und abzufangen. Dennoch bekommt ihm das Fasten schlecht, und wenn er im Frühling wieder an das Tageslicht kommt, ist er, welcher sich ein volles Bäuchlein angemästet hatte, fast klapperdürr geworden.

Die Rollzeit des Dachses findet im Oktober, ausnahmsweise (zumal bei jungen Thieren) später statt. Nach zwölf bis funfzehn Wochen, also Ende Februar oder anfangs März, wirft die Mutter drei bis fünf blinde Junge auf ein sorgfältig ausgepolstertes Lager von Moos, Blättern, Farrenkräutern und langem Grase, welche Stoffe sie zwischen den Hinterbeinen bis zum Eingange ihres Baues getragen und dann mit gegengestemmtem Kopfe und den Vorderfüßen durch die Röhre in den Kessel geschoben hat. Daß sie dabei einen eigenen Bau bewohnt, versteht sich eigentlich von selbst; denn der weibliche Dachs ist ebensogut ein eingefleischter Einsiedler wie der männliche. Die Jungen werden von ihr treu geliebt. Sie trägt ihnen nach der Säugezeit so lange Würmer, Wurzeln [149] und kleine Säugethiere in den Bau, bis sie selbst sich zu ernähren im Stande sind. Während des Wochenbettes wird es dem Weibchen schwer, die sonst musterhafte Reinlichkeit, welche im Baue herrscht, zu erhalten; denn die ungezogenen Jungen sind natürlich noch nicht so weit herangebildet, um jene hohe Tugend zu würdigen. Da hat nun die Alte ihre liebe Noth, weiß sich aber zu helfen. Neben dem Kessel legt sie noch eine besondere Kammer an, welche der kleinen Gesellschaft als Abtritt dienen und zugleich alle Nahrungsstoffe aufnehmen muß, welche die Jungen nur theilweise verzehren.

Nach ungefähr drei bis vier Wochenwagen sich die kleinen, sehr hübschen Thierchen in Gesellschaft ihrer Mutter bereits bis zum Eingange ihres Baues, legen sich mit ihr auch wohl vor die Höhle, um sich zu sonnen. Dabei spielen sie nach Kinderart allerliebst miteinander und erfreuen den glücklichen Beobachter umsomehr, als diesem das anziehende Schauspiel selten geboten wird. Bis zum Herbste bleiben sie bei der Mutter, trennen sich sodann und beginnen nun ihr Leben auf eigene Hand. Alte Dachsbaue werden von ihnen mit Vorliebe bezogen; im Nothfalle muß aber auch ein eigener gegraben werden. Bloß in seltenen Fällen duldet die Mutter, daß sie sich in ihrem Geburtshause einen zweiten Kessel anlegen und dann den unterirdischen Palast noch während eines Winters mit ihr benutzen. Im zweiten Jahre sind die Jungen völlig ausgewachsen und zur Fortpflanzung fähig, und wenn ihnen nicht der Schuß eines vorsichtig aufgestellten Jägers das Lebenslicht ausbläst, bringen sie ihr Alter auf zehn oder zwölf Jahre.

Man fängt den Dachs in verschiedenen Fallen, gräbt ihn aus und bohrt ihn, scheußlich genug, mit dem sogenannten Krätzer an, einem Werkzeuge, welches einem Korkzieher in vergrößertem Maßstabe ähnelt, treibt ihn durch scharfe Dachshunde aus seinem Baue und erschießt ihn beim Herauskommen. Nur wenn er sich in seinem Bau verklüftet, d.h. so versteckt, daß sogar die Hunde ihn nicht auffinden können, ist er im Stande, der drohenden Gefahr sich zu widersetzen; denn seine Plumpheit ist so groß, daß ihm eine Flucht vor dem Hunde nichts helfen würde. Er sucht sich deshalb, wenn er in seinem Bau verfolgt wird, gewöhnlich dadurch zu retten, daß er still, aber mit großer Schnelligkeit sich tiefer eingräbt und hierdurch wirklich oft genug den ihm nachgehenden Hunden entzieht.

Ganz früh am Morgen kann man dem heimkehrenden Dachs wohl auch auf dem Anstande auflauern und ihn erlegen. Abends ist der Anstand höchst langweilig; denn der mißtrauische Gesell erscheint regelmäßig erst mitten in der Nacht und geht so geräuschlos als möglich davon. Gewöhnlich errichtet man zum Schießstande eine sogenannte Kanzel, d.h. man baut sich auf den nächststehenden Bäumen in einer Höhe von zehn bis funfzehn Meter mit Stangen und Bretern einen Standort, und schießt den zu Tage tretenden Dachs von hier aus nieder. Der dickfellige Gesell verlangt aber einen sehr starken Schuß oder verschwindet noch vor den Augen des Schützen in seinem Baue. Zuweilen geschieht es auch wohl, daß ein Dachs dem anderen verwundeten zu Hülfe kommt. Einen solchen Fall hat, nach Karl Müller, ein Förster in Diensten des Grafen von Schlitz aufgezeichnet. Derselbe schoß im Oktober abends auf einen Dachs, welcher kaum einen Schritt von der Röhre sich entfernt hatte. Das Thier wälzte sich klagend und schien dadurch die Theilnahme eines Gefährten im Baue er weckt zu haben, denn ehe der Schütze hinzueilen Zeit findet, steigt ein zweiter Dachs aus dem Baue, packt den klagenden, zieht ihn in die Röhre und verschwindet in der Tiefe. Wird der Dachs im Freien von einem Hunde überrascht, so legt er sich zuerst platt auf den Boden, als würde er dadurch geborgen, wirft sich dann aber auf den Rücken und vertheidigt sich ebenso schnell als muthig mit seinem scharfen Gebisse und seinen Krallen. Im Baue verwundet er die eingefahrenen Dachshunde oft fürchterlich an der Nase, und wenn er sich einmal verbissen hat, läßt er nicht sogleich los. Ein einziger Schlag auf die Nase genügt, um ihn zu tödten, während an den übrigen Theilen des Leibes die heftigsten Hiebe keine besondere Wirkung hervorzubringen scheinen. Sobald er Nachstellungen erfährt, verdoppelt er seine Vorsicht, und es kommt nicht selten vor, daß ein Dachs zwei bis drei Tage ruhig in seinem Baue verbleibt, wenn derselbe vorher von [150] einem Hunde oder Jäger besucht wurde. In manchen Gegenden geht man nachts an den Bau, setzt dort scharfe Hunde auf seine Fährte und läßt ihn verfolgen. Nach kurzer Zeit kommt er zurück und kann von dem Jäger, welcher mit einer Blendlaterne versehen ist, erlegt werden, da ihn die Hunde gewöhnlich bald erreichen und festpacken.

Alt eingefangene, beim Ausgraben ihrer Baue erbeutete Dachse sind geradezu abscheuliche Thiere, jeder Behandlung oder Erziehung unzugänglich, faul, mißtrauisch, tückisch und bösartig. Sie rühren sich bei Tage nicht und kommen nur des Nachts zum Vorscheine, fletschen bei jeder Gelegenheit die Zähne und beißen den, welcher unvorsichtig sich ihnen nähert, in gefahrdrohender Weise. Lenz erhielt einen alten, fetten, ganz unversehrten Dachs und that ihn in eine große Kiste. Hier blieb er ruhig in derselben Ecke liegen, rührte sich nicht, wenn man ihn nicht derb stieß, und wurde erst nachts nach zehn Uhr munter. »Wollte ich ihn«, sagt unser Gewährsmann, »den Tag über in eine andere Ecke schaffen, so mußte ich ihn mit Gewalt vermittels einer großen Schaufel dahin schieben. In solchen Fällen und überhaupt, wenn ich ihn durch Rippenstöße usw. kränkte, fauchte er heftig durch die Nase, verursachte dann abwechselnd durch die Erschütterung seines Bauches ein ganz eigenes Trommeln, und wenn er, um zu beißen, auf mich losfuhr, gab er einen Ton von sich, fast wie ein großer Hund oder Bär in dem Augenblicke, wann er einen Rippenstoß bekommt und losbeißt.

Am ersten Tage gab ich ihm einige Möhren, zugleich aber auch eine lebende Blindschleiche nebst zwei Ringelnattern in seine Kiste. Am folgenden Morgen fand ich, daß er nichts gefressen, aber eine Ringelnatter in der Mitte tüchtig zerbissen hatte; jedoch lebte sie noch. Abends fügte ich zu diesen Speisen noch zwei große Kreuzottern, welche ich vor seine Schnauze legte. Er beachtete sie nicht im geringsten, ließ sich durch ihr Fauchen gar nicht in seiner Ruhe stören, obgleich er keineswegs schlief, und litt späterhin ganz geduldig, daß sie wie auch die Ringelnattern auf ihm herumkrochen. Am dritten Tage morgens fand ich noch immer alle Speisen unversehrt, nur hatte er von der tags zuvor angebissenen Ringelnatter ein etwa sieben Centim. langes Stück abgefressen. Zu den erwähnten Speisen fügte ich nun noch eine todte Meise, ein Stück Kaninchen und Runkelrüben. Am vierten Tage morgens fand ich, daß er die Blindschleiche nebst beiden Kreuzottern ganz aufgezehrt, von beiden Ringelnattern sowie vom Kaninchen ein tüchtiges Stück abgefressen, die Meise aber wie die Möhren und Rüben nicht angerührt hatte. Er zeigte sich nun überhaupt munter, und da ich sah, daß ihm Kreuzottern wohlbehagten, sehnte ich mich nach dem Schauspiel, ihn solche zerreißen und fressen zu sehen. Wie war dies aber anzufangen, da er seiner Natur nach nur des Nachts frißt und außerdem fast übermäßig scheu ist?

Ich hatte schon im voraus auf eine List gesonnen. Der Dachs ist auf einen frischen Trunk sehr begierig, und wenn er durch eine Falle tagelang verhindert wird, seinen Bau zu verlassen, geschieht es oftmals, daß er dann, nachdem er endlich doch glücklich herausgekommen ist, sogleich zum Wasser eilt und dort so viel säuft, daß er todt auf dem Flecke bleibt (?). Ich hatte ihn deshalb zwei Tage lang dursten lassen, nahm jetzt aber eine große, matte Otter, tauchte sie in frisches Wasser und legte sie ihm vor. Sowie er das Wasser roch, erhob er sich und beleckte die Otter. Sie suchte zu entwischen; er aber trat mit dem linken Fuße fest auf sie, zerriß ihren Hinterleib und fraß vor meinen Augen ein tüchtiges Stück davon mit sichtbarem Wohlbehagen. Die Otter öffnete ihren Rachen weit und drohend, biß aber nicht zu. Jetzt setzte ich ihm einen Napf vor und goß Wasser hinein. Alsbald verließ er die Otter und soff mit großer Begierde alles, was da war, über zwei Nößel. Beim Saufen läßt er nicht, wie Hund und Fuchs, die Zunge vortreten, sondern steckt den Mund in das Wasser und bewegt die Unterkinnlade, als ob er kaue.«

Ganz anders als die im Alter erbeuteten, betragen sich jung eingefangene und sorgfältig auferzogene Dachse. Sie werden, insbesondere wenn man ihnen ausschließlich oder doch vorwiegend pflanzliche Nahrung reicht, zahm und anhänglich, können sogar dahin gebracht werden, ihrem Wärter zu folgen und auf den Ruf desselben vom Freien aus nach ihrem Käfige zurückzukehren. [151] Im Berliner Thiergarten lebten ein Paar Dachse, welche die Besucher regelmäßig zu begrüßen und anzubetteln pflegten. Sie hatten ihre Lebensweise merklich verändert und schliefen nur in den Vormittagsstunden, so daß die schönen mit erbaulicher Nutzanwendung schließenden Fibelverse:


»Drei Viertel seines Lebens

Verschläft der Dachs vergebens«


bei ihnen vollständig zu Schanden wurden. Solche Dachse halten auch keinen Winterschlaf mehr, sondern kommen selbst bei der strengsten Kälte täglich hervor, um ihre Nahrung in Empfang zu nehmen. Vor der Kälte schützen sie sich durch ein weiches und warmes Stroh- und Heulager, welches sie im Inneren ihres Schlupfwinkels sorgfältig aufschichten, und dessen Zugang sie je nach Steigen oder Fallen der äußeren Wärme mehr oder weniger öffnen und verschließen. Achtsame Beobachter haben an solchen Gefangenen ein so feines Gefühl für Witterungsveränderungen wahrgenommen, daß sie Grimmbart unter die Propheten, wenn auch nur Wetterpropheten, zählen zu dürfen behaupten.

»Im Mai des Jahres 1833«, erzählt von Pietruvski, »bekam ich zwei junge Dachse, ein Weibchen und ein Männchen, welche höchstens vier Wochen alt waren. Während der ersten Tage ihrer Gefangenschaft waren diese Thierchen ziemlich scheu und aus Furcht Tag und Nacht in einen Ballen zusammengerollt. Binnen fünf Tagen verging ihnen jedoch diese Furchtsamkeit gänzlich, und sie kamen dahin, das ihnen vorgehaltene Futter aus der Hand zu nehmen. Sie fraßen alles, Brod, Früchte, Milch, am liebsten jedoch rohes Fleisch. Anfangs hielt ich sie in meinem Vorzimmer, und sie waren so treu und zutraulich, daß sie auf den ihnen gegebenen Namen hörten. Ich hatte sie deshalb drei volle Wochen auf meinem Zimmer, bis sie mir endlich durch die Unruhe bei Nacht und durch die immerwährende Lust zum Graben lästig wurden. Dieses bewog mich, für sie einen großen Käfig von Eisenstäben nach Art der Thierbehälter in Schaubuden anfertigen zu lassen. In ihm erhielt ich meine Dachse einen ganzen Sommer hindurch. Das Reinhalten des Käfigs wurde immer pünktlich beobachtet. Erst mit Annäherung des Herbstes fühlte ich die Unmöglichkeit, die Thiere länger hier beherbergen zu können; denn das Fell der Dachse wurde schon anfangs Oktober sehr schmutzig. Ich beschloß daher, sie ganz naturgemäß zu halten, und dieser Versuch glückte mir ausgezeichnet.

Ueber einen ummauerten Graben, welcher zehn Meter im Durchmesser hatte, ließ ich noch einen ordentlichen Zaun ziehen, durch welchen man mittels einer Treppe in den Graben gehen konnte. In der Tiefe des letzteren ließ sich ein zwei Meter langes, ebenso breites und einen halben Meter hohes Häuschen mit einer Eingangsthüre bauen. Da hinein wurden meine Dachse gelassen, und sie gewöhnten sich sehr bald an den ihnen anfangs fremden Ort. Nach etwa zehntägigem Aufenthalte begannen sie schon, eine naturgemäße Höhle sich zu bauen. Bewunderungswürdig war dabei ihre unermüdliche Thätigkeit. Sie gruben immer mit ihren Vorderpfoten; der Hinterfüße bedienten sie sich, um die losgegrabene Erde aus dem Loche herauszuwerfen. Bei diesem Geschäfte war das Weibchen viel thätiger als das weit schönere und größere Männchen. Binnen zwei Wochen war schon die Höhle zwei Meter ausgetieft, verlief aber immer noch innerhalb des für die Thiere gemachten Häuschens. Jetzt wandten die Dachse alle mögliche Thätigkeit an, um sich ihren Bau um soviel zu erweitern, daß sie bequem in ihm schlafen konnten. Es mangelte ihnen noch an einem guten Lager, und als ich bemerkte, daß sie die in ihrem Bereiche befindlichen Grasflecken ihrer Höhle zutrugen, ließ ich ihnen frisches Heu holen. Sie wußten dieses sehr gut zu benutzen, und es gewährte einen anziehenden Anblick, wenn man ihnen zusah, wie sie die ihnen vorgeworfenen Heubündel nach Art der Affen zwischen ihre Vorderpfoten nahmen und so ihrer Wohnung zuschleppten. Das Graben währte noch immer fort, und ich hatte das Vergnügen zu bemerken, daß sich meine Thiere neben der ersten Höhle, welche zur Schlafkammer bestimmt wurde, eine andere gruben, welche sie als Vorrathskammer zu benutzen gedachten. Bald darauf machten sie noch drei [152] kleinere Höhlen, in denen sie sich dann regelmäßig ihres Kothes entledigten. Es war aber immer noch bloß ein Ausgang und zwar innerhalb des für sie gemachten Häuschens vorhanden. Doch nun wurde alle mögliche Mühe angewendet, um sich einen Ausgang außerhalb des Häuschens zu graben. Als sie dieses bezweckt hatten, waren sie vollkommen frei und konnten, obgleich die Thüre des Häuschens zugemacht worden war, aus- und eingehen und, wenn sie einmal im Graben waren, auch in den Garten durch Zaunlöcher gelangen.

Sehr schön war es anzusehen, wie sie hier in hellen und milden Nächten zusammen spielten. Sie bellten wie junge Hunde, murmelten wie Murmelthiere, umarmten einander zärtlich wie Affen und trieben tausenderlei Possen. Wenn ein Schaf oder Kalb in der Gegend zu Grunde ging, waren die Dachse immer die ersten bei seinem Aase. Es erregte Aller Bewunderung, zu sehen, was für große Stücken Fleisch sie bis auf eine Viertelmeile weit zu ihrer Wohnung trugen. Das Männchen entfernte sich selten von dem Baue, außer wenn es der Hunger trieb; das Weibchen aber folgte mir auf allen meinen Spaziergängen nach.

Die Monate December und Januar verschliefen meine Dachse in der Höhle. Im Februar wurden sie lebendig. Zu Ende dieses Monates begatteten sie sich. Aber leider sollte ich nicht das Vergnügen haben, Junge von meinem Pärchen zu erhalten; denn das trächtige Weibchen wurde am ersten April in einem benachbarten Walde in einem Fuchseisen gefangen und von dem unkundigen Jäger erschlagen.«

Ueber einen anderen gezähmten Dachs schreibt mir Ludwig Beckmann, der treffliche Kenner und Maler der Thiere, das nachstehende: »Jung eingefangene Dachse werden bei guter Behandlung, namentlich im freien Umgange mit Haushunden, außerordentlich zahm. Ich habe früher eine völlig zum Hausthiere gewordene Dächsin besessen und ihren Verlust tief betrauert. Kaspar, so wurde sie trotz ihres Geschlechtes genannt, war eine grundehrliche, wenn auch etwas plumpe Natur. Er wollte mit aller Welt gern im Frieden leben, wurde indeß wegen seiner derben Späße oft mißverstanden und mußte dann unangenehme Erfahrungen machen. Sein eigentlicher Spielkamerad war ein äußerst gewandter, verständiger Hühnerhund, welchen ich von Jugend auf daran gewöhnt hatte, mit allerlei wildem Gethier zu verkehren. Mit diesem Hunde führte der Dachs an schönen Abenden förmliche Turniere auf, und es kamen von weit und breit Thierfreunde zu mir, um diesem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Das wesentliche des Kampfes bestand darin, daß der Dachs nach wiederholtem Kopfschütteln wie eine Wildsau schnurgerade auf den etwa funfzehn Schritte entfernt stehenden Hund losfuhr und im Vorüberrennen seitwärts mit dem Kopfe nach dem Gegner schlug. Dieser sprang mit einem zierlichen Satze über den Dachs hinweg, erwartete einen zweiten und dritten Angriff und ließ sich dann von seinem Widerpart in den Garten jagen. Glückte es dem Dachse, den Hund am Hinterlaufe zu erschnappen, so entstand eine arge Balgerei, welche jedoch niemals in ernsten Kampf ausartete. Wenn es Kaspar zu arg wurde, fuhr er, ohne sich umzukehren, eine Strecke zurück, richtete sich unter Schnaufen und Zittern hoch auf, sträubte das Haar und rutschte dann wie ein aufgeblasener Truthahn vor dem Hunde hin und her. Nach wenigen Augenblicken senkte sich das Haar und der ganze Körper des Dachses langsam nieder, und nach einigem Kopfschütteln und begütigendem Grenzen ›hu, gu, gu, gu‹ ging das tolle Spiel von neuem an.

Den größten Theil des Tages verschlief Kaspar in seinem Baue, welchen er ziemlich geschickt unter seiner Hütte, inmitten einer etwa acht Schritte im Geviert haltenden Einzäumung, angelegt hatte. Der Bau bestand eigentlich nur in einem großen unregelmäßigen Loche mit kurzer Einfahrt, und das merkwürdige daran war nur, daß der Dachs an der Hinterwand des Kessels beständig, wahrscheinlich der Lüftung wegen, ein kaum handgroßes Loch unterhielt. Hinter der Hütte hatte er drei bis fünf Senkgruben, topfförmige Erdlöcher von etwa 25 Centim. Breite und Tiefe, angelegt, denen er eine komische Aufmerksamkeit widmete. Bald wurde eine derselben erweitert, bald eine verschüttet und geebnet, eine neue angelegt, dieselbe wieder zugeworfen usw. Nur in [153] diesen Senkgruben setzte er Losung und Harn ab. Bei großer Kälte schleppte er Heu und Stroh aus der Hütte in den Bau hinunter, verstopfte die Löcher von innen, warf oft vierundzwanzig Stunden vor Eintritt des Thauwetters plötzlich alles wieder hinaus und rannte dann fröstelnd im Zwinger auf und ab, bis er in das Haus oder einen frostfreien Stall gebracht wurde.

Infolge seiner außerordentlichen Reinlichkeitsliebe durfte er im Hause frei umherwandern. Besonderes Vergnügen schien es ihm zu machen, auf den Treppen auf und ab zu trippeln; nicht selten trabte er aber auch ganz einsam und still auf dem Speicher umher, den Kopf neugierig in alle Ecken steckend. Als eine besondere Gunst betrachtete er es, wenn er während des Mittagsessens bei mir bleiben durfte. Er drängte dann den Hühnerhund einfach bei Seite, richtete sich auf den Hinterläufen in die Höhe, legte die Vorderläufe und den bunten, glatten Kopf auf meine Schenkel und forderte unter dem üblichen ›Hu, gu, gu, gu‹ ein Stückchen Fleisch, welches er sodann sehr geschickt und zart mit den Vorderzähnen von der Gabel zog. Im Winter liebte er es, sich vor den Ofen platt auf den Rücken zu legen und den breiten, dünnbehaarten Wanst der Wärme zuzukehren.

Im Sommer begleitete er mich sehr gern zu einem Streifen dichten Gehölzes, in welchem er sich vollkommen heimisch fühlte und bei jedem Schritte neue Entdeckungen machte. Bald fing er eine Hummel oder zog einen Wurm aus der Erde, bald suchte er abgefallene Beeren auf, bald verarbeitete er eine braune Wegschnecke mit seinen Nägeln. Auf dem Heimwege folgte er mir verdrossen auf den Fersen, begann aber bald an meinen Beinkleidern zu zerren. Ein derber Tritt mit der Breitseite des Fußes ermunterte ihn nur noch, mit seinen plumpen Späßen fortzufahren; dagegen verstimmte ihn der leiseste Schlag mit der Hand oder einer Gerte aufs äußerste.

Während der Dauer des Haarwechsels, etwa von Mitte des April bis zu Anfang des September, war der Dachs ziemlich dürr und mager. Dann mehrte sich plötzlich seine Eßlust und damit gleichzeitig seine Fettleibigkeit. Gegen Ende Oktobers war er bereits so fett, daß er beim Traben keuchte. Als Allesfresser liebte er gemischte Kost: Küchenabfälle, Rüben, Möhren, Kürbis, Fallobst mit Hafermehl zu einem steifen Brei gekocht, dazu einige Stücke rohes oder gekochtes Fleisch bildeten seinen Küchenzettel. Pflaumen und Zwetschen, welche er im Garten aufsuchte und, nach oberflächlichem Zerkauen, mit den Steinen verschluckte, waren seine Lieblingskost. Rohes Fleisch verdaute er weit langsamer als Füchse und Hunde, fraß es jedoch mit Gier, selbst das von Katzen, Füchsen und Krähen, welches letztere ich ihm vorzugsweise reichte. Indeß hatte sein ganzes Benehmen durchaus nichts Raubthierartiges, und wenn er zur Herbstzeit so still gefräßig an seinem Troge stand und im Vollgenusse mit den Lippen schmatzte, erinnerte er mich immer an ein kleines chinesisches Mastschweinchen.

Die Ausführbarkeit einer förmlichen Dachszüchterei schien mir damals keine Schwierigkeiten zu haben, und ich möchte den Versuch, Dachse zu züchten, noch heute allen denen empfehlen, welche nicht, wie Schreiber dieser Zeilen, eine Abneigung gegen Dachsbraten haben. Zu Anfang Oktobers stellte sich bei meiner Fehe unverkennbar der Fortpflanzungstrieb ein; doch schien es mir, als ob die Dauer der Ranzzeit nicht über einige Tage hinausginge. Leider wollte ein eigener Unstern, daß es mir trotz aller Bemühungen nicht gelang, in der Umgegend meines Wohnortes einen männlichen Dachs aufzutreiben. Mehrere junge Dachse, welche ich aufzuziehen versuchte, waren beim Einfangen beschädigt worden und gingen, trotz ihres anscheinend gesunden Aeußeren, später an inneren Verletzungen ein: kurz, meine Fehe blieb ohne Gatten.

Trotz vieler lobenswerthen Eigenschaften des Dachses möchte ich denselben doch nicht als Hausthier für Jedermann empfohlen haben, am allerwenigsten aber als Spielkameraden für Kinder. Abgesehen von seinen oft sehr derben Späßen hat er die üble Gewohnheit, vor unliebsamen Erscheinungen aufs heftigste zu erschrecken. Er fährt dann zitternd und schnaufend eine Strecke zurück, sträubt das Haar und schießt aus reiner Verzweiflung tollkühn auf den Gegenstand seines Schreckens los.

[154] Mein guter Kaspar fand an einem schönen Herbstmorgen ein schmähliches Ende. Er hatte, wahrscheinlich sanfteren Regungen folgend, über Nacht seinen Zwinger verlassen, war in allen umliegenden Gemüsegärten und Rübenfeldern umhergestreift und kehrte gegen Morgen ganz vertraut in einem etwa eine Viertelmeile von meiner Wohnung entfernten Gehöfte ein. Hier ward er von den zusammengelaufenen Bauern für ein ›wildes Ferkel‹ gehalten und trotz verzweifelter Gegenwehr nach Bauernart mit dem gemeinen Knüppel erschlagen.«

Kjärbölling erhielt ein trächtiges Dachsweibchen, welches später zwei Junge warf, sie mit größter Zärtlichkeit und Fürsorge pflegte, und währenddem alle frühere Schüchternheit ablegte. Gegen jede Störung zeigte sich die Fehe höchst empfindlich, stellte sich bei Annäherung eines Menschen zähnefletschend an das Gitter und suchte dem Wärter den Eintritt in den Käfig zu wehren. Als die Jungen herangewachsen waren, spielte die Mutter mit ihnen in anmuthiger Weise.

Der Nutzen, welchen der getödtete Dachs bringt, ist ziemlich beträchtlich. Sein Fleisch schmeckt süßer als Schweinefleisch, erscheint aber manchen Menschen als ein wahrer Leckerbissen. Die wasserdichten, festen und dauerhaften Felle, von denen, nach Lomer, jährlich 55,000 Stück im Werthe von 123,000 Mark auf den Markt kommen, werden zu Ueberzügen von Koffern und dergleichen verwendet; aus den langen Haaren, namentlich aus denen des Schwanzes, verfertigt man Bürsten und Pinsel; das Fett gebraucht man als Arzneimittel oder benutzt es zum Brennen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 144-155.
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