Mbaracaya (Felis mitis)

[447] Der Mbaracaya oder TschatiChati (Felis mitis, F. Chati und Maracaya, Leopardus Maracaya) ähnelt in seinem Leibesbau mehr dem Jaguar als dem Ozelot, unterscheidet sich aber nicht nur durch seine Zeichnung, sondern ebenso durch seine weit geringere Größe von dem gefürchteten Räuber; auch ist der Kopf verhältnismäßig kleiner und der Schwanz verhältnismäßig kürzer. Der Tschati gehört aber immerhin noch zu den größeren Katzen; denn seine Körperlänge beträgt 80, die des Schwanzes 30 und die Schulterhöhe 40 Centim. Der Grundton der Färbung ist mehr gelblich als röthlich, der Grundfarbe des Leopardenfelles ziemlich ähnlich, die Unterseite rein weiß. Auf dem Kopfe, Rücken, am Schwanze und unten an den Beinen heben sich einfache, schwarze Tüpfel ab, welche ebenso unregelmäßig in ihrer Gestalt wie in ihrer Anordnung, weil bald langgezogen, bald rund, bald in Streifen geordnet, bald wirr durch einander gestreut sind. Ein Flecken über dem Auge und die Backen sind rein weiß, die Ohren innen weiß, außen schwarz mit weißem oder gelbem Fleck. An den Seiten des Kopfes verlaufen zwei schwarze, unter der Kehle zieht ein brauner Streifen hin. Die Endhälfte des Schwanzes zeigt schwarze Binden und einige Ringel vor der Spitze. Die Jungen haben ein struppigeres und streifig geflecktes Haarkleid; aber auch bei den Alten ändert die Grundfarbe und die Beschaffenheit der Flecken und Streifen vielfach ab.

Der Tschati ist ein höchst eifriger Jäger und wagt sich schon an ziemlich große Thiere, beispielsweise kleine Hirsche. Den Hühnerzüchtern, welche in der Nähe der Waldungen wohnen, ist er ein sehr unangenehmer und ungemüthlicher Nachbar, und Jeder, welcher Hühner hat, mag sich vor ihm in Acht nehmen; denn, wie es scheint, zieht er Geflügel allem übrigen Wilde vor und stattet deshalb den Hühnerhäusern häufig Besuche ab. Eine Mauer oder ein Pfahlzaun rings um das Gehöft schützt nicht gegen seine nächtlichen Besuche, weil er es ebenso gut versteht, durch die schmalsten Oeffnungen sich zu drängen, wie über hohe Umfassungen zu klettern. Dabei ist er äußerst vorsichtig bei seinen nächtlichen Ueberfällen, läßt gewöhnlich nicht das geringste Anzeichen von seinen Besuchen zurück und nur am nächsten Morgen durch einige Blutspuren oder zerstreute Federn oder mehr noch durch die fehlenden Hühner erkennen, daß er wieder einmal da gewesen sei. Innerhalb zweier Jahren wurden nicht weniger als achtzehn Tschatis von einem Landeigner um sein Gehöft herum gefangen; hieraus mag hervorgehen, daß sie an manchen Orten häufig genug sind.

Man sagt, daß er in Paaren lebe und jedes derselben einen besonderen Jagdgrund besitze, ohne daß jedoch die beiden Gatten bei der Jagd sich behülflich wären. Während des Tages liegen die Thiere sorgfältig verborgen in dem dunklen Schatten der Wälder und schlafen, bis die Sonne zur Rüste gegangen ist und die Dunkelheit über das Land sich senkt. In Mondscheinnächten verbleiben sie in ihren Wäldern, d.h. scheuen sich, an ein Gehöft heranzuschleichen; je dunkler und stürmischer aber die Nacht ist, umsomehr scheint sie dieser Katze geeignet, einen Ueberfall auf die [447] von den Menschen geschützten Thiere zu versuchen. In solchen Nächten mag der Bauer sich in Acht nehmen und gut nach seinen Thoren und Läden sehen oder aber erwarten, daß er am Morgen einen leeren Hühnerstall findet.

In der Gefangenschaft ist der Tschati ein sehr liebenswürdiges und anhängliches Wesen, welches seinen Herrn durch sein angenehmes Wesen und die hübschen und anmuthigen Streiche erfreut. Einer, welcher von dem erwähnten Landbesitzer gefangen worden war, wurde so vollständig zahm, daß man ihm zuletzt die Freiheit gab. Doch so liebenswürdig und umgänglich er auch gegen seinen Herrn sich bewiesen hatte, so mord- und raublustig zeigte er sich den Hühnern gegenüber. Seine Mordsucht war viel zu tief in ihm eingewurzelt, als daß sie hätte ausgerottet werden können. Das Thier benutzte jeden Augenblick, um im eigenen Hause oder in der Nachbarschaft einen Ueberfall zu machen, und endete auf einem dieser Streifzüge durch den Speer eines erbosten Pächters sein Leben.


Langschwanzkatze (Felis macroura). 1/7 natürl. Größe.
Langschwanzkatze (Felis macroura). 1/7 natürl. Größe.

In Brasilien jagt man den Tschati mit Hülfe der Hunde, vor denen er sofort bäumt, dem Jäger sodann zur leichten Beute werdend. Die Neger und selbst einige Urbewohner essen das Fleisch, obgleich der Tschati, laut Prinz von Wied, einen unangenehmen Geruch von sich gibt. Aus dem schönen Felle, welches für Pferdedecken zu klein ist, bereiteten die brasilianischen Jäger zu Zeiten der Reise des Prinzen Regenkappen für ihre Gewehrschlösser; ob man es auch gegenwärtig noch verwendet, weiß ich nicht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CDXLVII447-CDXLVIII448.
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