Ozelot (Felis pardalis)

[442] An die Leoparden schließen sich die Pardelkatzen an, deren bekanntestes Mitglied der Ozelot oder die Pardelkatze (Felis pardalis, Leopardus pardalis) ist. Seine Länge beträgt 1,30 bis 1,40 Meter, wovon der Schwanz 40 bis 45 Centim. wegnimmt, die Höhe am Widerrist etwa 50 Centim.; das Thier kommt also unserem Luchs an Leibesumfang annähernd gleich, steht jedoch an Höhe weit hinter diesem zurück. Der Leib ist verhältnismäßig kräftig, der Kopf ziemlich groß, der gegen die Spitze verdünnte Schwanz mäßig lang, das Ohr kurz, breit und abgerundet, der Augenstern länglich eiförmig, der Pelz dicht, glänzend weich und dabei ebenso bunt wie geschmackvoll gezeichnet. Seine Grundfärbung ist auf der Oberseite ein bräunliches Grau oder Röthlichgelbgrau, auf der Unterseite ein gilbliches Weiß. Von den Augen zieht sich jederseits ein schwarzer Längsstreifen zu den Ohren. Die Oberseite des Kopfes zeigt kleine Tüpfel; auf den Wangen verlaufen Querstreifen und von diesen aus ein Kehlstreif, über den Rücken mehrere Längsstreifen, meist vier, längs des Rückens eine Reihe schmaler schwarzer Flecken, unter denen größere hervortreten, an den Seiten gekrümmte Längsreihen breiter bandförmiger Längsstreifen, welche von den Schultern bis zum Hintertheile reichen und lebhafter als die Grundfarbe, schwarz gesäumt, oft auch in der Mitte dunkel punktirt sind. Den Unterleib und die Beine zeichnen volle Flecken, welche auf dem Schwanze in Ringe übergehen. Diese Färbung ändert übigens sehr ab: oft sind die schwarzen Längsstreifen des Rückens durch breitere fahle Streifen in acht getheilt, und breite ununterbrochene Streifen ziehen sich längs der Seiten entlang; bei anderen zertheilen sich [442] die Streifen in Flecke und auf den Wangen finden sich breite schwarze Tüpfel; noch andere sind am ganzen Unterleibe schwarz gestreift, der Schwanz ist vollständig geringelt usw. Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen durch schwächere Färbung der Flecken und kreisförmig gestellte Punkte auf den Schultern und dem Kreuze.

Der Ozelot ist weit verbreitet. Er findet sich durch ganz Mittelamerika bis in das nördliche Brasilien und anderseits bis Mejiko und Tejas und den südlichen Theil der Vereinigten Staaten. Hier lebt er mehr in den tieferen und menschenleeren Wäldern als in der Nähe von Ortschaften, obgleich er auch da vorkommt. Auf freiem Felde findet man ihn nie, wohl aber in Wäldern, in felsigen und sumpfigen Gegenden. An manchen Orten ist er häufig. Er scheint kein bestimmtes Lager zu haben. Den Tag über schläft er im dunkelsten Theile des Waldes, zuweilen in hohlen Bäumen oder auch zwischen undurchdringlichen Bromelien, welche von dichtem Strauchwerke beschattet sind; in der Morgen- und Abenddämmerung, besonders aber bei Nacht, geht er auf Raub aus und zwar ebenso gut in hellen, sternenklaren, wie in dunkeln, stürmischen Nächten.


Ozelot (Felis pardalis). 1/9 natürl. Größe.
Ozelot (Felis pardalis). 1/9 natürl. Größe.

Letztere sind ihm sogar angenehm, weil er dann, unbemerkt von den Hunden, an die Bauernhöfe herankommen und dort nach Belieben würgen kann. In dunkeln Nächten hat der Hofbesitzer es nöthig, das Hühnerhaus wohl zu verschließen; denn wenn der Ozelot unter die Hühner kommt, richtet er dort ein arges Blutbad an.

Im Freien besteht die Nahrung unserer Pardelkatze aus Vögeln, welche sie entweder auf dem Baume, oder auf der Erde in ihren Nestern beschleicht, sowie aus allen kleineren Säugethieren, jungen Rehen, Schweinen, Affen, Agutis, Pakas, Ratten, Mäusen usw. Man glaubt, daß der Ozelot die Schuld von der Verödung der Wälder an Hühnern und Vögeln trägt, und jedenfalls ist es begründet, daß er diesen Thieren großen Schaden thut. Auch den Affen soll er in ihrem laubigen Gebiete eifrig nachstellen. Man hat auch hierüber das alte Märchen in Umlauf gesetzt, daß er bei seiner Jagd sich platt auf einen Ast lege und todt stelle, worauf dann die Affen erfreut herbeikämen, um sich an der Leiche ihres Todtfeindes zu weiden, plötzlich aber sehen müßten, wie bitter sie sich geirrt hätten.

[443] »Diese sehr schön gezeichneten Thiere«, bemerkt Armand, ein eifriger Jäger, welcher den Südwesten Nordamerika's jahrelang durchstreifte und Glaubwürdigkeit verdient, »sind dem Wildpret äußerst gefährlich; sie rauben, selbst wenn sie vollkommen gesättigt sind, nur des Blutes halber, und lassen nie eine Gelegenheit unbenutzt, um eine Beute zu erhaschen. Mit unglaublicher Gewandtheit und Ueberlegung sowie mit unendlicher Geduld schleichen sie sich an das Wild, springen mit Blitzesschnelle auf dasselbe und lassen es nicht eher wieder los, als bis es ihnen sein Blut gegeben hat.« Rengger spricht sich günstiger über das Thier aus. »Da diese Katze meist nur des Nachts auf Raub ausgeht«, sagt er, »habe ich sie niemals auf ihren Jagden beobachten können; sie scheint aber große Streifzüge zu machen. Ich habe in den sogenannten Urwäldern ihre Fährte oft stundenlang verfolgt. Höchst selten stößt man auf Ueberreste ihrer Mahlzeit; gewöhnlich sind es nur die Federn eines erlegten Vogels. Ich halte sie daher nicht für blutdürstig und glaube, daß sie nicht mehr Thiere auf einmal tödtet, als sie zu ihrer Sättigung bedarf; diese Meinung hat sich auch an Gefangenen, welche ich gehalten habe, bestätigt. Sie klettert gut und springt, wo die Bäume dicht stehen, wenn sie gejagt wird, mit Leichtigkeit von einem Baume zum anderen, obwohl sie im Klettern noch immer nicht die Fertigkeit des Kuguars besitzt. Nur durch die Noth gezwungen, wagt sie sich durchs Wasser, z.B., wenn sie durch Ueberschwemmung vom festen Lande abgeschnitten wird und das nächste Ufer zu gewinnen suchen muß; allein sie ist ein vortrefflicher Schwimmer. Nicht selten kommt es vor, daß ein durch Ueberschwemmung aus den Wäldern vertriebener Ozelot mitten in einer Stadt ans Land steigt. Ich selbst sah einen, welcher über einen Theil des Paragaystromes geschwommen war, bei seiner Landung im Hafen von Assuncion erschießen.

Der Ozelot lebt paarweise in einem bestimmten Gebiete. Der Jäger kann gewiß sein, nachdem er einen aufgescheucht hat, den anderen in nächster Nähe zu treffen. Mehr als ein Paar trifft man jedoch niemals in dem nämlichen Walde an. Männchen und Weibchen gehen nicht zusammen auf den Raub aus, sondern jedes jagt für sich; auch helfen sie einander nicht bei der Jagd oder bei feindlichen Angriffen. Die Begattungszeit tritt bei ihnen im Oktober ein und dauert bis in den Januar; ihre Tragzeit ist unbekannt. Selten übersteigt die Anzahl der Jungen zwei. Die Mutter versteckt ihre Sprößlinge in einem hohlen Baume oder in dem Dickichte des Waldes und trägt ihnen, sobald sie fressen können, kleine Säugethiere und Vögel zu.«

Dem Menschen schadet der Ozelot verhältnismäßig wenig: er fürchtet ihn und die Hunde zu sehr, als daß er bevölkerten Gegenden sich nähern sollte. Bloß Wohnungen, welche nahe an Wäldern liegen, werden hin und wieder von ihm heimgesucht; doch auch dann nimmt er höchstens zwei Hühner oder eine Bisamente weg, trägt dieselben ins nächste Gebüsch und verzehrt sie sofort. Wenn ihm seine erste Unternehmung gelingt, kommt er gewöhnlich die nächsten Nächte wieder, bis er gefangen oder verscheucht wird. Man jagt ihn in Paragay mit Hunden oder fängt ihn in Fallen. Er ist sehr scheu und flüchtig und sieht den Jäger bei mondhellen Nächten, noch ehe derselbe ihn gewahr wird. Vor dem Hunde flieht er in größter Eile auf Bäume und versteckt sich hier im dichtesten Laube der Krone. Doch gelingt es dann zuweilen, ihn zum Schusse zu bekommen, da ihn das Leuchten seiner Augen verräth. Am leichtesten fängt man ihn vermittels Fallen, in deren Hintergrund ein Käfig mit einem eingesperrten Huhne gestellt oder auch Rindfleisch als Köder angebracht wird. Azara versichert, daß man dasselbe Thier in derselben Falle und an der nämlichen Stelle wiederfangen könne; denn seine Begierde nach dem Huhne ist so groß, daß es die schon erprobte Gefahr gänzlich vergißt.

Ein angeschossener Ozelot vertheidigt sich herzhaft mit seinen Krallen gegen die Hunde und kann auch wohl dem Menschen gefährlich werden. »Verwundet oder stark bedrängt«, sagt Armand, »greift er seinen Verfolger mit Wuth und viel Entschlossenheit an, und schon mancher Indianer ist von ihm unter solchen Umständen übel zugerichtet worden.« Man jagt ihn übrigens weniger des Schadens wegen, den er anrichtet, als seines schönen Felles halber, aus welchem die Einwohner sich Winterstiefeln verfertigen.

[444] Der junge Ozelot wird häufig eingefangen und gezähmt. Gewöhnlich verrathen die Jungen ihren Aufenthalt durch Miauen und werden somit, auch ohne Hülfe der Hunde, ziemlich leicht aufgefunden. Man zieht sie mit Milch auf und nährt sie späterhin größtentheils mit gekochtem Fleische; bloße Pflanzennahrung macht sie krank. Füttert man sie aber nur mit rohem Fleische, so werden sie größer und schöner, als wenn man ihnen das Fleisch gekocht gibt. Auch alte Ozelots werden nach einiger Zeit zahm, wenngleich nur bis zu einem gewissen Grade; denn sie richten im Hofe immer noch allerlei Unheil an. Können sie sich eines kleinen Hundes oder einer Katze bemächtigen, so ergreifen sie das Thier beim Nacken, werfen es nieder, halten mit den Vorderpranken seine Vorderbeine, mit den Hinterpranken seine Hinterbeine fest und reißen ihm den Hals auf. Bei fortgesetztem Genusse von Katzenfleisch werden sie krätzig, stoßen während der Krankheit eigenthümliche Klagelaute aus und sterben endlich. Dieselben Klagelaute hört man von ihnen, wenn sie irgendwie ihr Misbehagen ausdrücken wollen. So miauen sie z.B. auf klägliche Weise, wenn man sie durch Hunger gezwungen hat, Kröten oder Schlangen zu fressen. Diese Thiere verursachen ihnen heftiges Erbrechen und schwächen ihre Verdauungskraft derartig, daß sie jede andere Speise wieder herausbrechen, allmählich abmagern und endlich auch sterben. Hausgeflügel können die gezähmten Ozelots nicht ersehen, ergreifen es, sobald sie es erreichen können, beim Kopfe oder beim Halse und tödten es durch den ersten Biß. Dann rupfen sie vor dem Genusse mit dem Maule den größten Theil der Federn aus und verspeisen es. Nach der Sättigung belecken sie sich das Maul, die Pfoten und den übrigen Körper und legen sich schlafen. Ihren Koth verscharren sie nie, häufig aber legen sie denselben in ihrem Trinkgefäße ab, sie mögen nun in einem Käfige eingeschlossen sein oder frei im Hause umhergehen.

Den größten Theil des Tages bringt der gefangene Ozelot schlafend zu. Dabei liegt er in sich zusammengerollt, wie unsere Hauskatzen es auch thun. Gegen Abend wird er unruhig und bleibt nun die ganze Nacht hindurch wach. Solange er jung ist, läßt er öfters einen miauenden Ton hören, besonders wenn er Hunger, Durst oder Langeweile verspürt; später vernimmt man diesen Ton nur bei krankem Zustande. Wird er im Fressen gestört, so knurrt er. Seine Zufriedenheit legt er durch Schnurren, seine Furcht oder seinen Zorn durch ein Schnäuzen an den Tag. Alt eingefangene Ozelots unterwerfen sich wohl dem Menschen, schließen sich ihm aber niemals an. Der Verlust der Freiheit macht sie niedergeschlagen und gleichgültig gegen gute oder schlechte Behandlung. Sie lassen sich schlagen, ohne sich zu vertheidigen, machen keinen Unterschied zwischen ihrem Wärter und anderen Menschen und bezeigen ihm weder Zutrauen noch Freude, wenn sie ihn sehen. Ganz jung und mit Sorgfalt aufgezogene hingegen werden in hohem Grade zahm. Gleich jungen Hauskatzen gaukeln sie mit einander, spielen mit einem Stück Papier, mit einer kleinen Pomeranze und dergleichen. Ihren Wärter lernen sie bald kennen, springen ihm nach, belecken ihm die Hand, legen sich ihm zu Füßen nieder oder klettern an ihm empor. Gegen Liebkosungen sind sie sehr empfänglich und beginnen augenblicklich zu spinnen, wenn man ihnen schmeichelt. Niemals zeigen sie Falschheit. Mit den Hunden und Katzen, in deren Gesellschaft sie leben, vertragen sie sich sehr gut; dem Geflügel stellen sie aber doch noch nach. Früherer Strafen uneingedenk, springen sie, sobald ihnen die Lust ankommt, auf eine Henne und lassen sich im Augenblicke des Raubes durch keine Züchtigung abschrecken, das Thier zu ermorden. Ihrer unvertilgbaren Raubsucht wegen hält man sie gewöhnlich in einem Käfige oder an einem Stricke angebunden.

In den Käfigen unserer Thiergärten spielt der Ozelot keine hervorragende Rolle. Er ist träge oder doch wenig lebhaft, sieht sich die Welt anscheinend mit unzerstörbarem Gleichmuthe an, begnügt sich mit jedem Raume und verlangt nichts weiter, als daß derselbe rein und warm sei und es an der erforderlichen Nahrung ihm nicht fehle. Die meisten Ozelots, welche nach Europa gelangen, kommen in bereits gezähmtem Zustande an und entsprechen dem vorstehenden Bilde; alt eingefangene, welche Wuthausbrüche gezeigt hätten, wie sie bei Leoparden an der Tagesordnung sind, habe ich nicht gesehen. Zu den häufigen Erscheinungen zählt der Ozelot übrigens nicht, [445] und deshalb hält es schwer, Paare zusammenzubringen und Junge zu erzielen, wie es, so viel mir bekannt, einzig und allein im Londoner Thiergarten der Fall gewesen ist.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CDXLII442-CDXLVI446.
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