Stummelschwanzkatze (Felis maniculata domestica ecaudata)

[480] Von der Insel Man stammt eine andere Abart – Rasse kann man kaum sagen – der Hauskatze, die Stummelschwanz- oder Mankatze (Felis maniculata domestica ecaudata), ein keineswegs hübsches, wegen seiner hohen, hinten unverhältnismäßig entwickelten Beine und des Fehlen des Schwanzes bemerkenswerthes Thier, von verschiedener Färbung.

Möglicherweise hat Fitzinger Recht, wenn er annimmt, daß die Schwanzlosigkeit eine Folge künstlicher Verstümmelung ist, welche sich vererbte und zu einem ständigen Merkmale ausbildete. Als einen ursprünglichen Mangel darf man das Fehlen des Schwanzes jedenfalls nicht auffassen; denn die erste Kreuzung mit einer gewöhnlichen Hauskatze erzielt Junge mit Schwänzen. Weinland und Schmidt berichten von einer Stummelschwanzkatze des Frankfurter Thiergartens, welche, nachdem sie mit einem geschwänzten gelben Kater sich gepaart, Junge warf, von denen einige hoch gestellt und schwanzlos waren wie die Mutter, andere niedrige Beine und lange Schwänze hatten wie der Vater. Ein Wurf bestand aus drei Jungen mit langen, einem mit mittellangem und zwei mit Stummelschwanze, ein anderer aus drei Langschwänzen und einem Kurzschwanze, ein [480] dritter aus drei Langschwänzen usw. »Eine anfänglich aufgetauchte Vermuthung«, sagt Schmidt, »daß das Mutterthier den geschwänzten Jungen die Schwänze abbeiße, bestätigte sich bei genauerer Untersuchung der Sache nicht.« Auf den Sundainseln und in Japan sah Martens Katzen mit verschiedenen Schwanzabstufungen, und Kessel erzählte Weinland, daß dort, insbesondere auf Sumatra, allen Katzen, bevor sie erwachsen sind, die ursprünglich vorhandenen Schwänze absterben. Besonderes Gewicht darf also auch auf die Schwanzlosigkeit der Katze nicht gelegt werden.

Von der Mankatze bemerkt Weinland, daß sie eine unermüdliche Baumkletterin ist, vermöge der hohen Hinterbeine ganz außerordentliche Sätze von Ast zu Ast ausführen kann und dadurch den Vögeln viel gefährlicher wird als die Hauskatze gewöhnlichen Schlages. »Daraus folgt, daß es nichts weniger als wünschenswerth ist, diese ungeschwänzte Katze auch in Deutschland einzuführen.«

Angora- und Stummelschwanzkatze sind die bekanntesten Rassen unseres Hinz. Außerdem spricht man noch von der Karthäuserkatze, welche sich durch langes, weiches, fast wolliges Haar und einfarbig dunkelbläulich graue Färbung auszeichnet, und von der ihr ähnlichen Khorassankatze aus Persien. Weniger bekannt sind: die kumanische Katze aus dem Kaukasus, die rothe Tobolsker Katze aus Sibirien, die rothe und blaue Katze vom Kap der guten Hoffnung, die chinesische Katze, welche langes, seidenweiches Haar und hängende Ohren wie ein Dachshund hat, von den Einwohnern gemästet und gegessen wird und, wie ich oben berichtete, dieselbe ist, welche als Tauschwaare zu den Kiliaken geht usw. Möglich, daß einzelne dieser letztgenannten Abarten Blendlinge sind, von welchen Arten weiß man freilich nicht. Daß sich die Hauskatze ziemlich leicht mit anderen Katzen paart, ist erwiesen. Geachtete Naturforscher haben sogar behauptet, daß sie sich mit dem Hausmarder paare und Junge erzeuge, welche diesem in Farbe und Zeichnung auffallend gleichen sollen.


Tüpfelkatze (Felis viverrina). 1/8 natürl. Größe. (Nach Wolf.)
Tüpfelkatze (Felis viverrina). 1/8 natürl. Größe. (Nach Wolf.)

Eine schlanke Katze Indiens vertritt nach der Ansicht Gray's eine besondere Sippe, deren Namen Viverriceps mit Marderkatze übersetzt werden mag, obwohl wir unter Viverra bekanntlich nicht die Marder, sondern die Schleichkatzen verstehen. Der verlängerte Kopf, die runden, pinsellosen Ohren, der spaltförmige Augenstern, der mittellange, zugespitzte Schwanz gelten als die äußerlichen, einige nicht eben erhebliche Eigenthümlichkeiten des Schädels als die anatomischen [481] Kennzeichen der Gruppe, welche wir unbedenklich den Katzen im engeren Sinne einreihen dürfen, weil die Abweichungen von dem allgemeinen Katzengepräge keineswegs größer erscheinen als bei anderen Arten dieser in so hohem Grade übereinstimmenden Familie.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CDLXXX480-CDLXXXII482.
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