Mink (Putorius vison)

[96] Eine ganz ähnliche Färbung zeigt auch der Mink (Putorius vison, Mustela, Martes, Lutreola und Foetorius vison, Mustela und Vison lutreocephala, Mustela minx), dessen Pelz weit höher geachtet wird, weil er wollhaariger und weicher ist. Der Mink übertrifft den Nörz etwas an Größe, ist diesem aber sehr ähnlich gefärbt. In der Regel sehen Ober-und Unterseite dunkel nußbraun, der Schwanz braunschwarz und die Kinnspitze weiß aus.


Nörz (Putorius Lutreola). 1/3 natürl. Größe.
Nörz (Putorius Lutreola). 1/3 natürl. Größe.

Hinsichtlich der Lebensweise werden beide Thiere wahrscheinlich in allem wesentlichen übereinkommen, und deshalb scheint es mir angemessen, einer kurzen Schilderung der Sitten und Gewohnheiten unseres Sumpfotters das wichtigste aus den Berichten der genannten Naturforscher über den amerikanischen Mink vorausgehen zu lassen.

Nächst dem Hermelin ist nach Audubons Bericht der Mink das thätigste und zerstörungswüthigste Raubthier, welches um den Bauernhof oder um des Landmanns Ententeich streift, und die Anwesenheit von einem oder zwei dieser Thiere wird an dem plötzlichen Verschwinden verschiedener jungen Enten und Küchlein bald bemerkt werden. Der wachsame Bauer sieht vielleicht ein schönes, junges Huhn in einer eigenthümlichen und sehr unwillkürlichen Weise sich bewegen und endlich in irgend einer Höhle oder zwischen dem Gestein verschwinden. Er hat einen Mink beobachtet, welcher den unglücklichen Vogel überfiel und seiner Wohnung zuschleppte. Entrüstet über diese That, eilt er nach Hause, sein Gewehr zu holen, kehrt zurück und wartet geduldig, bis es dem Strolche gefällig sein mag, wieder zu erscheinen. Aber gewöhnlich kann er lange harren, ehe es dem listigen Geschöpfe beliebt, wieder zum Vorscheine zu kommen. Und doch ist Geduld hier das einzige Mittel, sich des schädlichen Räubers zu entledigen. Audu bon erfuhr dies selbst bei einem Mink, welcher sich unmittelbar neben seinem Hause in dem Steindamme eines kleinen Teiches eingenistet hatte. Der Teich war eigentlich den Enten des Gehöftes zu Liebe aufgestaut worden und bot somit dem Raubthiere ein höchst ergiebiges Jagdgebiet. Sein Schlupfwinkel war mit ebensoviel Kühnheit als List gewählt: sehr nahe am Hause und noch näher der [96] Stelle, zu welcher die Hühner des Hofes, um zu trinken herabkommen mußten. Vor der Höhle lagen zwei große Stücke von Granit; sie dienten dem Sumpfotter zur Warte, von wo aus er Gehöft und Teich überschauen konnte. Hier lag er tagtäglich stundenlang auf der Lauer, und von hier ausraubte er bei hellem, lichtem Tage Hühner und Enten weg, bis unser Forscher seinem Treiben, obwohl erst nach längerem Anstande, ein Ende machte. »Wir thun zu wissen«, sagt Audubon, »daß wir nicht die geringste Absicht haben, irgend etwas zur Vertheidigung des Mink zu sagen, müssen jedoch hinzufügen, daß, so listig und zerstörungssüchtig er auch ist, er weit hinter seinem nächsten Nachbar, dem Hermelin, zurücksteht, weil er sich mit so viel Beute begnügt, als er zur Sättigung bedarf, während das Hermelin bekanntlich in einer Nacht ein ganzes Hühnerhaus veröden kann«. Besonders häufig fand Audubon den Mink am Ohio, und hier beobachtete er, daß sich derselbe durch Mäuse- und Rattenfang auch nützlich zu machen weiß. Neben solcher, dem Menschen nur ersprießlichen Jagd, treibt er freilich allerhand Wilddiebereien und namentlich den Fischfang, zuweilen zum größten Aerger des Anglers, dessen Gebaren das listige Thier mit größter Theilnahme verfolgt, um im entscheidenden Augenblicke aus seiner Höhle unter dem Weidicht des Ufers hervorzukommen und den von jenem erangelten Fisch in Beschlag zu nehmen. Nach den Beobachtungen unseres Gewährsmannes schwimmt und taucht der Mink mit größter Gewandtheit und jagt, wie der Otter, den schnellsten Fischen, selbst Lachsen und Forellen, mit Erfolg nach. Im Nothfalle begnügt er sich freilich auch mit einem Frosche oder Molche; wenn er es aber haben kann, zeigt er sich sehr leckerhaft. Seine feine Nase gestattet ihm, eine Beute mit der Sicherheit eines Jagdhundes zu verfolgen; gute Beobachter sahen ihn von dieser Begabung den ausgedehntesten Gebrauch machen. Im Moore verfolgt er die Wasserratten, Rohrsperlinge, Finken und Enten, an dem Ufer der Seen Hasen, im Meere stellt er Austern nach, und vom Grunde der Flüsse holt er Muscheln herauf: kurz er weiß sich überall nach des Ortes Beschaffenheit einzurichten und immer etwas zu erbeuten. Felsige Ufer bleiben unter allen Umständen sein bevorzugter Aufenthalt; nicht selten wählt er sich seinen Stand in unmittelbarer Nähe von Stromschnellen und Wasserfällen. Verfolgt flieht er stets ins Wasser und sucht sich hier tauchend und schwimmend zu retten. Auf dem Lande läuft er ziemlich rasch, wird jedoch vom Hunde bald eingeholt und dann selbst zum Klettern gezwungen. In der Angst verbreitet er einen sehr widerlichen Geruch wie der Iltis.

In Nordamerika fällt die Rollzeit des Mink zu Ende Februars oder zu Anfang des März. Den Boden deckt um diese Zeit meist tiefer Schnee, und somit kann man recht deutlich wahrnehmen, wie rastlos er ist. Man sieht die brünstigen Männchen längs der Stromufer nach Weibchen suchen, und es kann dabei geschehen, daß eine ganze Gesellschaft unserer Thiere, den Flüssen folgend, sich in Gegenden verirrt, in denen sie sonst selten oder gar nicht mehr vorkommen. Audubon schoß an einem Morgen sechs alte Männchen, welche unzweifelhaft beabsichtigen, ein Weibchen zu suchen. In einer Woche erhielt gedachter Naturforscher eine große Anzahl von männlichen Minks, jedoch nicht einen einzigen weiblichen, und spricht deshalb seine Meinung dahin aus, daß die weiblichen Minks während der Rollzeit in Höhlen sich verbergen. Die fünf bis sechs Jungen, welche ein Weibchen wirft, findet man zu Ende Aprils in Höhlen unter den überhängenden Ufern oder auf kleinen Inselchen, im Sumpfe und auch wohl in Baumlöchern. Wenn man sie bald aus dem Neste nimmt, werden sie ungemein zahm und zu wahren Schoßthierchen. Richardson sah eins im Besitze einer Canadierin, welches sie bei Tage in der Tasche ihres Kleides mit sich herumtrug. Audubon besaß ein anderes über ein Jahr lang und durfte es frei im Hause und Hofe umher laufen lassen, ohne daß er Ursache hatte, sich zu beklagen. Es fing wohl Ratten und Mäuse, Fische und Frösche, griff aber niemals die Hühner an. Mit den Hunden und Katzen stand es auf bestem Fuße. Um lebendigsten und spiellustigsten zeigte es sich in den Morgen- und Abendstunden; gegen Mittag wurde es schläfrig. Einen unangenehmen Geruch verbreitete es niemals.

Der Mink geht leicht in alle Arten von Fallen und wird ebenso häufig geschossen als gefangen; seine Lebenszähigkeit macht jedoch einen guten Schuß nothwendig.

[97] Prinz von Wied bestätigt Audubons Beschreibung, fügt ihr aber noch hinzu, daß der Mink zuweilen doch mehr als ein Huhn auf einmal tödte, daß er sich im Winter oft längere Zeit von Flußmuscheln ernähre, und man deshalb viele leere Muschelschalen in der Nähe seines Wohnplatzes finde, daß er sich im Winter häufig den menschlichen Wohnungen nähere und dann oft gefangen oder erlegt würde, und endlich, daß er, obwohl er außerordentlich geschickt und schnell mit langausgestrecktem Körper schwimme, doch nicht lange unter dem Wasser bleiben könne, sondern mit der Nase bald hervorkomme, um Athem zu holen.

Ueber unseren Nörz sind die Angaben viel dürftiger. Schon Wildungen sagt in seinem 1799 erschienen »Neujahrsgeschenk für Forst- und Jagdliebhaber«, daß der Sumpfotter ein in Deutschland sehr seltenes, manchem wackeren Weidmann wohl gar noch unbekanntes Geschöpf sei, daß er schon länger gewünscht habe, näher mit ihm vertraut zu werden, und die Erfüllung dieses Wunsches nur der unermüdlichen Fürsorge des Grafen Mellin verdanke. Von diesem Naturforscher theilt er einige Beobachtungen mit.

»In seinem Gange mit gekrümmtem Rücken, in seiner Behendigkeit, durch die kleinsten Oeffnungen zu schlüpfen, gleicht der Nörz dem Marder. Gleich dem Frettchen ist er in unaufhörlicher Bewegung, alle Winkel und Löcher auszuspähen. Er läuft schlecht, klettert auch nicht auf die Bäume, ist aber, wie der gemeine Fischotter, ein sehr geübter Schwimmer, welcher sehr lange unter Wasser ausdauern kann. Den reißenden Wellen starker Ströme zu widerstehen, mag er sich wohl zu schwach fühlen, da er weniger an großen Flüssen, sondern mehr an kleinen, fließenden Wässern gefunden wird. Seine Ranz- oder Rollzeit ist im Februar und März, und im April oder Mai findet man an erhabenen, trockenen Orten, in den Brüchen oder Baumwurzeln, in den eigenen Röhren blindgeborene Junge.

Der Sumpfotter liebt Stille und Einsamkeit an seinem Wohnorte. So sehr er aber auch Menschen flieht und mit großer Klugheit deren Nachstellungen zu entgehen weiß, besucht er doch zuweilen Federviehställe und erwürgt dann, wie Marder und Iltis, so lange noch Federvieh vorhanden und er nicht gestört wird; doch geschieht dies nur in einsamen Fischerwohnungen, und ich habe nie gehört, daß er in Dörfer gekommen sei, um dort zu rauben. Seine gewöhnliche Nahrung sind Fische, Frösche, Krebse, Schnecken; wahrscheinlich mögen ihm aber auch manche junge Schnepfen und Wasserhühnchen zur Beute werden.

Der anlockende Preis seines Balges, welcher auch im Sommer gut ist, vermehrt die Nachstellungen auf das immer seltener werdende Thier ungemein, und wenn ihm nicht die bisherigen gelinden Winter etwas zu statten gekommen sind, so möchte diese Thierart auch wohl in Schwedisch-Pommern, woselbst Mellin sie beobachtete, bald gänzlich ausgerottet sein.«

In diesen Nachrichten ist eigentlich alles enthalten, was wir bisher vom Nörz erfahren haben. Die Furcht, daß er in Deutschland gänzlich ausgerottet sei, ist nach und nach ziemlich allgemein geworden, glücklicherweise jedoch nicht begründet. Der Nörz kommt in Norddeutschland allerorts, obgleich überall nur sehr einzeln noch vor. Seine eigentliche Heimat ist das östliche Europa, Finnland, Polen, Litauen, Rußland. Hier findet man ihn von der Ostsee bis zum Ural, von der Dwina bis zum Schwarzen Meere und nicht besonders selten. In Bessarabien, Siebenbürgen und Galizien lebt er auch. In Mähren gehört er laut Jeitteles zu den sehr seltenen Thieren, kommt aber hier und da noch vor; in Schlesien wird er ebenfalls dann und wann gefangen. »In meinem Hause«, schreibt mir Jänicke, »wohnt ein aus Schweidnitz gebürtiger Kürschner, ein für sein Fach sehr unterrichteter Mann, welcher mir versichert, daß während seiner Lehrzeit und später in den Jahren 1848 bis 1855 in Schweidnitz an den Ufern der Weistritz, welche meistens aus Steingeröll bestehen, jährlich ungefähr ein Dutzend Nörze gefangen wurden. Die dortigen Kürschner hielten es nicht für gerathen, die Bauern, welche solche als dunkle Iltisse verkauften, aufzuklären, weil letztere, damals wenigstens, viel geringer im Preise als erstere standen. Gegenwärtig ist der Nörz auch hier sehr selten, schwerlich aber gänzlich ausgerottet worden, wie in so vielen anderen Gegenden Deutschlands.«

[98] Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde er ab und zu noch in Pommern, Mecklenburg und der Mark Brandenburg erwähnt. In den Jagdregistern der Grafen Schulenburg-Wolfsburg wird er regel mäßig mit aufgeführt. Man erlegte ihn in den Sumpfniederungen der Aller. In diesem Jahrhunderte ist er sehr selten geworden, jedoch immer noch einzeln vorgekommen. Nach Blasius wurde im Jahre 1852 ein Nörz im Harz in der Grafschaft Stolberg gefangen, nach Hartig ein anderer im Jahre 1859 in der Nähe von Braunschweig und ein dritter bei Ludwigslust in Mecklenburg erlangt. Hier soll er, mir gewordenen übereinstimmenden Nachrichten zufolge, überhaupt nicht gerade selten sein, mindestens jährlich erbeutet und zu Markte gebracht, beziehentlich sein Fell an die Kürschner verkauft werden. Daß er im Holsteinischen vorkommt, wußte man, ohne jedoch sicheres mittheilen zu können. Um so erfreulicher war es mir, von einem naturwissenschaftlich gebildeten Weidmann, Herrn Förster Claudius, folgende Nachrichten zu erhalten.

»Soviel mir bis jetzt bekannt geworden, kommt der Nörz in der Umgebung Lübecks auf einem Flächenraume von nur wenigen Geviertmeilen, hier aber nicht so selten vor, daß er nicht jedem Jäger von Fach unter dem Namen Menk, Ottermenk, wenigstens oberflächlich bekannt wäre. Als nördliche Grenze dieses Verbreitungsgebietes könnte man etwa den Himmeldorfsee, als südliche den Schallsee, als östliche den Dassowersee betrachten. Immerhin tritt er zu vereinzelt auf, und sein Rauchwerk wird hier zu Lande auch zu schlecht bezahlt, als daß man ihm besondere Aufmerksamkeit schenken sollte. Ich erinnere mich nicht, gehört zu haben, daß man ihm mit eigenen Lockspeisen nachstellt oder besondere Fangwerkzeuge, welche sein Aufenthalt am Wasser gestatten würde, Flügelreusen z.B., gegen ihn in Anwendung bringt. Er geräth fast immer nur durch Zufall in die Hand des Jägers und dies selten anders als zur Winterzeit, da nur dann dem Raubzeuge nachgegangen wird, sein Gebiet auch häufig nur bei Frost betreten werden kann. Und so ist leider über sein Verhalten in der anderen Hälfte des Jahres, welche dem Naturforscher ungleich wichtigere Ausschlüsse zu bieten hat, wenig oder nichts mit Sicherheit zu erfahren. Mir ist ein einziger Fall zu Ohren gekommen, daß Junge in einem Bau gefunden wurden, und zwar von einem meiner Nachbarn, welcher einmal in der letzten Hälfte des Juli gelegentlich der Bekassinenjagd vier bis fünf junge Nörze in einem Erdloche beisammen traf und aus der Anwesenheit der Mutter mit Bestimmtheit als den Wurf eines Minks erkannte. Da zu erwarten stand, daß diese ihre Jungen sofort entfernen würde, waren auch alle weiteren Beobachtungen unterblieben. Sonst kommt er höchstens auf der Entenjagd einmal vor die Flinte, und dann wird er nicht geschont, weil sein Balg auch im Sommer gut ist. Bei dieser Gelegenheit wurde vor einigen Jahren hier in der Nachbarschaft ein Mink, dem die Hunde von der Wasserseite aus zusetzten, von dem Kopfe einer hohlen Weide herabgeschossen. In den Wintermonaten dagegen kommt der Nörz öfter mit dem Jäger in Berührung, meist, wie erwähnt, gelegentlich, wenn auf den Iltis Jagd gemacht wird. Ab und zu wird er auf einer Neue vor dem Hunde geschossen, von diesem beim Ausrutschen aus dem Bau gegriffen, am häufigsten aber noch auf dem Teller gefangen. Der Jagdlehrling, welcher die Eisen abzugehen hat, wird dann aber nicht etwa mit der Freude, mit welcher der Forscher ihn begrüßen würde, sondern sicher mit einem sauern Gesicht empfangen, weil unser Nörz kaum die Hälfte des Werthes von einem Iltisse hat. Mehr als ein Gulden, derselbe Preis, den fast vor funfzig Jahren Dietrich aus dem Winkell von der Provinz Brandenburg angibt, wird noch heutzutage nicht gezahlt, da der Balg weder zum eigenen Gebrauche, noch von Aufkäufern sehr gesucht ist.

Die augenfällige Aehnlichkeit, welche er einerseits mit dem Iltisse in der Färbung der Schnauze und der Behaarung der kurzen Ruthe, andererseits mit dem Otter in der glänzenden Oberfläche des Balges und mit beiden in der Lebensweise gemein hat, machen die hier allgemein verbreitete Annahme, daß er ein Blendling von Iltis und Fischotter sei, ebenso begreiflich als verzeihlich; auch erklärt sich der Jäger daraus das stets vereinzelte Auftreten dieses für große Streifzüge über Land scheinbar so untüchtigen Thieres. Der Nörz liebt die brüchigen und schilfreichen Umgebungen von Seen und Flüssen, wo er, wie der Iltis, seine Wohnung auf einer Kaupe oder [99] dammartigen Erhöhung im Gewurzel von Erlenbäumen, doch gern in möglichster Nähe des Wassers anlegt und mit wenigen Ausgängen, welche nach der Wasserseite münden, versieht. Fluchtröhren nach einer anderen Richtung oder gar Gänge nach benachbarten Kaupen sind hier nicht anzutreffen. Während der Iltis, aus dem Baue gestört, sich durchaus nicht zu Wasser jagen läßt, sondern stets sein Heil in der Flucht auf dem Lande sucht, wo er Schlupfwinkel in hinreichender Menge kennt, fällt der Mink unter solchen Umständen sofort, und zwar in senkrechter Richtung ins Wasser und verschwindet hier den Blicken. Bemerkenswerth ist, wie er sich hierzu seiner Läufe bedient: er rudert nicht abwechselnd, wie der Iltis, sondern er schnellt sich stoßweise fort, und zwar mit überraschender Geschwindigkeit. Es gelingt selten, ihn im Wasser zu schießen, da er lange unter der Oberfläche bleibt und stets an einer entfernten Stelle wieder zum Vorschein kommt. Vor dem Hunde ist er im Wasser, selbst im beschränkten Raume, sicher.

Die Spur sowohl, wie die einzelne Fährte, ist der des Iltis so ähnlich, daß selbst der geübte Jäger leicht getäuscht wird, da sich bei gewöhnlicher Gangart die kurze Schwimmhaut nicht im Boden abdrückt. Man hat sie im Winter da zu suchen, wo sich das Wasser lange offen zu halten pflegt, in Gräben, welche ein starkes Gefälle haben, in Wasserbächen, über Quellen, wo man zu derselben Zeit den Iltis ebenfalls antrifft, welcher bekanntlich auch unter dem Eise eifrig nach Fröschen fischt. Hier in den Ausstiegen eben unter dem Wasser ist es, wo man hin und wieder den Menk, von Schlamm fast unkenntlich, auf dem Eisen sitzen sieht.«

Später berichtet Claudius in den »Forstlichen Blättern« weiteres über das Thier. »Zu den Standorten«, bemerkt er, »welche, so lange die örtlichen Verhältnisse sich nicht ändern, noch einige Aussicht auf Erhaltung dieser Thierart zu gewähren scheinen, gehört der etwa zwei Meilen lange Abfluß des Ratzeburger Sees in die Trave bei Lübeck, die Wagenitz genannt, ein fast durchgängig von flachen Ufern begrenzter Wasserlauf, in welchem von einer Strömung kaum die Rede sein kann. Infolge künstlicher Aufstauung des Wassers bei Lübeck, welches von hier zum größten Theile seinen Wasserbedarf bezieht, sind die Ufer auf große Strecken gänzlich versumpft und mit Schilf und Erlenstöcken bestanden, und jede Trockenlegung derselben, so sehr auch wirtschaftliche und gesundheitliche Rücksichten dies wünschenswerth erscheinen lassen, ist unmöglich gemacht. Daß der Nörz hier vorkommt, erfuhr ich durch einen meiner Forstarbeiter, welcher hier mehrere Jahre als Fischerknecht gedient und seiner Zeit der Sumpf- und Fischotterjagd obgelegen hatte. Durch seine Hülfe wurde es mir möglich, an Ort und Stelle durch eigenen Augenschein mich von der Richtigkeit seiner Angabe zu überzeugen und mir etwaige Gefangene zu sichern. Wie günstig die Oertlichkeit für das Thier ist, erkannte ich auf den ersten Blick: der Nörz genießt hier während des größten Theiles vom Jahre die ungestörteste Ruhe, und selbst der Winter, welcher ihm am meisten gefährlich wird, tritt oft so milde auf, daß die in einzeln liegenden Gehöften längs des Ufers wohnenden Fischer weite Strecken des Bruches gar nicht betreten können. Dazu kömmt, daß unser immer nur vereinzelt auftretendes Thier bloß dann die Beachtung der Umwohner erregt, wenn es durch wiederholte Diebereien lästig wird. Die gefangenen Fische werden hier nicht in geschlossenen Behältern, sondern in offenen Weidenkörben am Ufer kleiner zum Theil künstlich angelegter Inselchen in der Nähe der Wohnungen aufbewahrt; eine so leicht zu erlangende Beute verschmäht der Nörz natürlich nicht, und wenn man ihm auch wohl den einen oder anderen Fisch gönnen möchte, kann man ihm doch den Schaden nicht verzeihen, welchen er dadurch verursacht, daß er lieber die oft daumendicken Weidenruthen durchschneidet, als über den Rand des offenen Korbes klettert, wie der Iltis in solchen Fällen unbedenklich thut. Wahrnehmung dieser Eigenheiten des Thieres führt in der Regel zu seinem Verderben, obgleich die Fanganstalten, welche die Fischertreffen, mit einer Sorglosigkeit zugerichtet werden, daß sie bei mir ein Lächeln erregt haben würden, hätte ich mich nicht mehrfach von ihrem guten Erfolge zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Man streut nämlich auf diesen sogenannten Werdern am liebsten beim ersten starken Froste, wenn der Nörz anfängt Noth zu leiden, einige Fische aus, legt ein paar gute Ratteneisen, verblendet sie nothdürftig und befestigt sie wie [100] die für den Otter gelegten, so daß der Fang mit dem Eisen das Wasser erreichen kann; auf die Ausstiege nimmt man keine Rücksicht, nicht einmal auf die Fährte: die Bequemlichkeit des Fängers allein scheint maßgebend zu sein. Daß der Räuber dessen ungeachtet in den meisten Fällen bald gefangen wird, spricht wenig für seine Vorsicht, so menschenscheu er sonst ist.«

Es vergingen Jahre, bevor Claudius und durch ihn ich zu dem erwünschten Ziele gelangten, einen lebenden Nörz zu erhalten. Erst im Anfange des Jahres 1868 konnte mir mein eifriger Freund mittheilen, daß ein Weibchen gefangen und ihm überbracht worden sei, bei Milch und frischer Fleischkost sich auch sehr wohl befinde, und daß sein Pfleger wegen der ruhigen Gemüthsart des Gefangenen die Hoffnung habe, den durch das Eisen verursachten Schaden bald ausgeheilt zu sehen. »Der Nörz ist,« schreibt mir Claudius, »bei weitem gutartiger als seine Gattungsverwandten und zürnt nur, wenn er geradezu gereizt wird; außerdem zieht er es vor, mich nicht zu beachten, läßt sich wohl auch mit einem Stöckchen den Balg streichen, ohne darüber böse zu werden. Den ganzen Tag über liegt er auf der einen Seite des Käfigs zusammengerollt auf seinem Heulager, während er auf der anderen Seite regelmäßig sich löst und näßt; nachts spaziert er in seiner ziemlich geräumigen Wohnung umher, hat sich auch verschiedene Male gewaltsam daraus entfernt. Aber nur das erste Mal traf ich ihn des Morgens außerhalb derselben in einem Winkel der Stube verborgen; später fand ich ihn, wenn er sich des Nachts befreit hatte, am Morgen regelmäßig wieder auf seinem Lager, als wenn er in seinen nächtlichen Wanderungen mehr eine Erheiterung als Befreiung aus seiner Haft gesucht habe.«

Nachdem der Nörz sich mit seiner Haft vollständig ausgesöhnt hatte und so zahm geworden war, daß er sich von seinem Pfleger widerstandslos greifen ließ, auch gegen Liebkosungen empfänglich sich zeigte, sandte Claudius ihn mir in einer verschlossenen Kiste. Ich erkannte schon beim Oeffnen derselben an dem vollständigen Fehlen irgend welches unangenehmen Geruches, wie solchen der Iltis unter ähnlichen Umständen unbedingt verbreitet haben würde, daß ich es gewiß mit einem Sumpfotter zu thun hatte. Wohl darf ich sagen, daß mich kaum ein Thier jemals mehr erfreut hat, als dieser seltene, von mir seit Jahren erstrebte europäische Marder, welcher heute noch, fünf Jahre nach seinem Fange, des besten Wohlseins sich erfreut. Leider hat sich meine Hoffnung, ein Männchen zu erlangen und dadurch vielleicht auch über die Fortpflanzung ins Klare zu kommen, nicht erfüllt, und ich kann deshalb über meinen Gefangenen nur Beobachtungen wiedergeben, welche ich bereits veröffentlicht habe.

Während des ganzen Tages liegt der Nörz zusammengewickelt auf seinem Lager, welches in einem vorn verschließbaren Kästchen angebracht worden ist, und nicht immer, selbst durch Vorhaltung von Leckerbissen nicht regelmäßig, gelingt es, ihn zum Aufstehen zu bewegen oder hervorzulocken. Er hört zwar auf den Anruf, ist auch mit seinem Wärter in ein gewisses Verhältnis getreten, zeigt aber keineswegs freundschaftliche Gefühle gegen den Pfleger, vielmehr einen entschiedenen Eigenwillen und fügt den Menschen nur so weit, als ihm eben behagt. Hieran hat freilich der Käfig den Haupttheil der Schuld; wenigstens zweifle ich nicht, daß er als Zimmergenosse wahrscheinlich schon längst zum niedlichen Schoßthiere geworden sein würde. Erst ziemlich spät abends, jedenfalls nicht vor Sonnenuntergang, verläßt er das Lager und treibt sich nun während der Nacht in seinem Käfige umher. Diese Lebensweise beobachtet er einen wie alle Tage, und hieraus erklärt sich mir zur Genüge die allgemeine Unkenntnis über sein Freileben. Den Edelmarder kann man im Walde unter Umständen aufspüren und gewaltsam aus seinem Verstecke treiben, im Sommer auch wohl mit seinen Jungen spielen und der Eichhörnchenjagd obliegen sehen; Steinmarder und Iltis lassen sich als Bewohner alter, beziehentlich stiller Gebäude mindestens in hellen Mondnächten beobachten, und der Fischotter wählt sich, wenn er sich zeigt, die breite Wasserstraße: wer aber vermag im Dunkel der Nacht den Nörz in seinem eigentlichen Heimgebiete, dem Bruche oder Sumpfe, zu folgen? In seinen Bewegungen steht letzterer, soweit man von meinem in engem Raume untergebrachten Gefangenen urtheilen kann, dem Iltis am nächsten. Er besitzt [101] alle Gewandtheit der Marder, aber nicht die Kletterfertigkeit der hervorragendsten Glieder der Familie und ebensowenig ihre Bewegungsluft, man möchte vielmehr sagen, daß er keinen Schritt unnütz thue. Ein Edel- oder Baummarder vergnügt sich zuweilen im Käfige stundenlang mit absonderlichen Sprüngen, indem er gegen die eine Wand seines Käfigs setzt, zurückschnellend sich überschlägt, in der Mitte des Raumes auf den Boden springt, nach der anderen Wand sich wendet und hier wie vorher verfährt, kurzum die Figur einer Acht beschreibt, und zwar mit solcher Schnelligkeit, daß man vermeint, diese Zahl durch den Leib des Thieres gebildet zu sehen: auf solche Spielereien läßt sich, so weit meine Beobachtungen reichen, der Nörz niemals ein. Trippelnden Ganges schleicht er mehr, als er geht, seines Weges dahin, gleitet rasch und behend über alle Unebenheiten weg, hält sich aber auf dem Boden und strebt nicht nach der Höhe. Ins Wasser geht er aus freien Stücken nicht, sondern nur, wenn dort ihm eine Beute winkt; doch mag an dieser auffallenden Zurückhaltung der nicht mit einem Schwimmbecken eingerichtete Käfig schuld sein. Bei allen Bewegungen ist das sehr klug aussehende Köpfchen nicht einen Augenblick ruhig; die scharfen Augen durchmustern ohne Unterlaß den ganzen Raum, und die kleinen Ohren spitzen sich so weit als möglich, um das wahrzunehmen, was jenen entgehen könnte. Reicht man ihm jetzt eine lebende Beute, so ist er augenblicklich zur Stelle, faßt das Opfer mit vollster Mardergewandtheit, beißt es mit ein paar raschen Bissen todt und schleppt es in seine Höhle. Schmidt beobachtete, daß er Frösche an den Hinterschenkeln packte und diese zunächst durchbiß, um die Lurche zu lähmen: ich habe stets gesehen, daß er sie, wie alle übrigen ihm vorgehaltenen Thiere, am Kopfe ergreift und diesen so schleunig wie möglich zermalmt. Hat er mehr Nahrung, als er bedarf, so schleppt er ein Stück nach dem anderen in seinen Schlafkasten, frißt jedoch in der Regel von ihm eilfertig ein wenig und wirft es erst dann bei Seite, wenn ein anderes seine Mordlust erregt. Fische und Frösche scheinen die ihm liebste Nahrung zu sein, obgleich Claudius meinte, daß er Fleischkost allem übrigen vorziehe und Fische nur dann verzehre, wenn er kein Fleisch bekommen könnte. Allerdings läßt er Fische liegen, wenn ihm eine lebende Maus, ein lebendiger Vogel oder Lurch gereicht wird; es reizt ihn aber dann nur das Bewegen solcher Beute, und er beeilt sich gleichsam, seine Fertigkeit im Fangen und Abwürgen zu zeigen. Hat er aber dagegen seine Opfer getödtet, und reicht man ihm dann einen Fisch, so pflegt er letzteren zuerst zu sich zu nehmen oder höchstens einen Frosch ihm vorzuziehen. Daß Gewöhnung bei der Auswahl der Speisen nicht ohne Einfluß ist, beweisen Schmidts Beobachtungen an einem von ihm gepflegten Nörze, welcher Krebse ohne weiteres packte und sich auch durch ihre Abwehr nicht beirren ließ, während mein Gefangener bis jetzt alle Krebse hartnäckig verschmäht hat. Auch Eier habe ich letzterem wiederholt vorgesetzt, ohne daß er sich um sie bekümmert hat; dem ungeachtet glaube ich gern, daß er während seines Freilebens so gut wie andere Marder ein Vogelnest ausnehmen und seines Inhaltes berauben wird; jedenfalls möchte ich nicht wagen, von dem einen auf das Betragen aller und am wenigsten auf das Benehmen der freilebenden Nörze zu schließen. Besonders auffallend ist es mir, daß mein Gefangener sich eher vor dem Wasser zu scheuen als sich nach ihm zu sehnen scheint. Ein Fischotter versucht selbst in dem kleinsten Raume das befreundete Element in irgend welcher Weise für sich auszunutzen: der Nörz denkt nicht daran, und das Wasser dient ihm eigentlich nur zum Trinken, nicht aber zum Baden oder gar zum Tummelplatze.

Im Verhältnis zu der Anzahl von Minkfellen, welche unter dem Namen amerikanische Nörze auf den Markt kommen, ist die Anzahl der echten Nörzfelle sehr gering: nach Lomer erbeutet man höchstens 55,000 Nörze, aber 160,000 Minke jährlich. Letztere werden gegenwärtig mit neun bis dreißig Mark bezahlt, während russische durchschnittlich nur drei bis sechs Mark werth sind. Der Unterschied zwischen beiden Fellen ist freilich ein sehr bedeutender: erstere haben feineres und darum haltbareres Haar, welches sich zu dem der europäischen Nörze wie Seide zu Zwirn verhält. Die besten Minkfelle liefert die Ostküste Nordamerikas, Neuengland und Maine, das Gebiet, aus welchem die schlechtesten Fichtenmarder oder amerikanische Zobel kommen.


[102] *


Linné stellt den ihm aus eigener Anschauung bekannten Vielfraß zu den Mardern, die Wolverene, dasselbe Thier, dagegen zu den Bären. Hierdurch bekundet der ausgezeichnete Naturforscher, was der Vielfraß ist: ein Mittelglied zwischen den genannten Familien.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 96-103.
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