6. Sippe: Stinkthiere (Mephitis)

[131] Man kann nicht sagen, daß irgend ein Mitglied aus der Familie der Marder Wohlgerüche verbreite; wir finden im Gegentheile schon unter den bei uns hausenden Arten solche, welche »Stänker« benannt werden und diesen Namen mit Fug und Recht tragen. Was aber ist unser Iltis gegen einige seiner Verwandten, welche in Amerika und Afrika leben! Sie sind die wahren Stänker. Wenn man liest, welches Entsetzen sie verbreiten können, sobald sie sich nur zeigen, begreift man erst, was eine echte Stinkdrüse besagen will. Alle Berichte von amerikanischen Reisenden und Naturforschern stimmen darin überein, daß wir nicht im Stande sind, die Wirkung der Drüsenabsonderung dieser Thiere uns gehörig ausmalen zu können. Keine Küche eines Scheidekünstlers, keine Senkgrube, kein Aasplatz, kurz, kein Gestank der Erde soll an Heftigkeit und Unleidlichkeit dem gleichkommen, welchen die äußerlich so zierlichen Stinkthiere zu verbreiten und auf Wochen und Monate hin einem Gegenstande einzuprägen vermögen. Man bezeichnet den Gestank mit dem Ausdruck »Pestgeruch«; denn wirklich wird Jemand, welcher das Unglück hatte, mit einem Stinkthiere in nähere Berührung zu kommen, von Jedermann gemieden, wie ein mit der Pest Behafteter. Die Stinkthiere sind trotz ihrer geringen Größe so gewaltige und mächtige Feinde des Menschen, daß sie Denjenigen, welchen sie mit ihren furchtbaren Safte bespritzten, geradezu aus der Gesellschaft verbannen und ihm selbst eine Strafe auferlegen, welche so leicht von keiner anderen übertroffen werden dürfte. Sie sind fähig, ein ganzes Haus unbewohnbar zu machen oder ein mit den kostbarsten Stoffen gefülltes Vorrathsgewölbe zu entwerthen.

Die Stinkthiere, nach Ansicht Gray's eine besondere Unterfamilie bildend, unterscheiden sich von den Dachsen, ihren nächsten Verwandten, durch merklich schlankeren Leib, langen, dicht behaarten Schwanz, große aufgetriebene Nase, schwarze Grundfärbung und weiße Bandzeichnung. Der Kopf ist im Verhältnis zum Körper klein und zugespitzt, die Nase auffallend häßlich, kahl und dick, wie aufgeschwollen; die kleinen Augen haben durchdringende Schärfe; die Ohren sind kurz und abgerundet; die kurzen Beine haben mäßig große Pfoten, mit fünf wenig gespaltenen, fast ganz miteinander verwachsenen Zehen, welche ziemlich lange, aber keineswegs starke, schwach gekrümmte Nägel tragen, und mindestens auf den Ballen nackten Sohlen. Das Gebiß besteht, nach Burmeister, aus je sechs Schneidezähnen, deren untere innen durch eine Längsfurche gezeichnet werden, kräftigen, obschon nicht sehr langen Eckzähnen und oben vier, unten fünf Backenzähnen, oder oben und unten drei Lück-, oben einen und unten zwei Backenzähnen, wird also aus 34 Zähnen zusammengesetzt. Bei einer Untersippe fällt der erste obere Lückzahn aus, und das bleibende Gebiß enthält dann nur noch 32 Zähne. Der Fleischzahn des Oberkiefers ist kurz, aber breit, sein innerer Zacken stark, jedoch flach; der untere Fleischzahn hat vorn drei kleine spitze Zacken und hinten eine große, vertiefte, die halbe Krone einnehmende Kaufläche; der Kauzahn des Oberkiefers ist sehr stark, fast quadratisch, nur wenig breiter als lang, innen bogig gerundet; der untere Kauzahn stellt einen kleinen, kreisrunden und vertieften Höcker dar. Durch diese Eigenthümlichkeiten der Kauzähne läßt sich das Gebiß leicht und scharf von dem anderer Marder unterscheiden. Die Stinkdrüsen haben bedeutende Größe, öffnen sich innen in dem Mastdarme und können durch einen besonderen Muskel zusammengezogen werden. Jede Drüse stellt, laut Hensel, einen etwa haselnußgroßen Hohlraum vor, dessen Wand mit einer Drüsenschicht ausgekleidet und an der Außenseite mit einer starken Muskellage umgeben ist. Den Hohlraum füllt eine gelbe ölähnliche Flüssigkeit, welche von dem Thiere durch Zusammenpressen des Muskels mehrere Meter weit weggespritzt werden kann, unmittelbar hinter [131] dem After einen dünnen, gelblichen Strahl bildet, bald in einen feinen Staubregen sich verwandelt, wie wenn Jemand Wasser aus dem Munde hervorsprudelt, und somit einen großen Raum bestreicht. Bei älteren Thieren und bei Männchen soll dieser fürchterliche Saft stärker als bei jungen und Weibchen sein, seine Wirkung auch während der Begattungszeit sich steigern.

Als eigentliche Waldthiere kann man die Stinkmarder nicht bezeichnen; sie ziehen steppenartige Gegenden, in Amerika das Camposgebiet, in Afrika die Steppen, dem Urwalde vor. Bei Tage liegen sie in hohlen Bäumen, in Felsspalten und in Erdhöhlen, welche sie sich selbst graben, versteckt und schlafen; nachts werden sie munter und springen und hüpfen höchst beweglich hin und her, um Beute zu machen. Ihre gewöhnliche Nahrung besteht in Würmern, Kerbthieren, Lurchen, Vögeln und Säugethieren; doch fressen sie auch Beeren und Wurzeln. Nur wenn sie gereizt werden oder sich verfolgt sehen und deshalb in Angst gerathen, gebrauchen sie ihre sinnbetäubende Drüsenabsonderung zur Abwehr gegen Feinde, und wirklich besitzen sie in ihrer stinkenden Flüssigkeit eine Waffe wie kein anderes Thier. Sie halten selbst die blutdürstigsten und raubgierigsten Katzen nöthigenfalls in der bescheidensten Entfernung, und nur in sehr scharfen Hunden, welche, nachdem sie bespritzt worden sind, gleichsam mit Todesverachtung sich auf sie stürzen, finden sie Gegner. Abgesehen von dem Pestgestanke, welche sie zu verbreiten wissen, verursachen sie dem Menschen keinen erheblichen Schaden; ihre Drüsenabsonderung aber macht sie entschieden zu den von Allen am meisten gehaßten Thieren. Gegenwärtig unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die vielen Arten von Stinkthieren, welche man unterschieden hat, auf wenige zurückgeführt werden müssen, weil sich die außerordentliche Veränderlichkeit derselben zur Genüge herausgestellt hat. In der Lebensweise ähneln sich alle bekannten Arten, und es genügt daher vollständig, eine oder zwei von ihnen kennen zu lernen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 131-132.
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