Genettkatze (Viverra Genetta)

[25] Die bekannteste Art ist die Ginster- oder Genettkatze (Viverra Genetta, Genetta vulgaris, afra und Bonapartei, Viverra maculata), die einzige in Europa vorkommende Zibetkatze und hier mit einer Manguste Vertreter ihrer ganzen Familie. Sie hat im allgemeinen noch ziemlich viel Aehnlichkeit mit den geschilderten Verwandten, und auch die Färbung ist fast dieselbe. Ihr Körper erreicht eine Länge von 50, der Schwanz mißt 40, die Höhe am Widerrist beträgt 15 bis 17 Centim. Der auf sehr niederen Beinen ruhende Leib ist außerordentlich schlank, der Kopf klein, hinten breit und durch die lange Schnauze sowie die kurzen, breiten und stumpf[25] zugespitzten Ohren ausgezeichnet. Die Seher haben einen Katzenaugenstern, welcher bei Tage wie ein Spalt erscheint. Die Afterdrüse ist seicht und sondert nur in geringer Menge eine fette, nach Moschus riechende Feuchtigkeit ab.


Ginsterkatze (Viverra Genetta). 1/4 natürl. Größe.
Ginsterkatze (Viverra Genetta). 1/4 natürl. Größe.

Die Grundfärbung des kurzen, dichten und glatten Pelzes ist ein ins Gelbliche ziehendes Hellgrau; längs der Leibesseiten verlaufen jederseits vier bis fünf Längsreihen verschiedenartig gestalteter Flecken von schwarzer, selten röthlichgelb gemischter Färbung, über die obere Seite des Halses vier nicht unterbrochene, in ihrem Verlaufe sehr veränderliche Längsstreifen. Kehle und Unterhals sind lichtgrau; die dunkelbraune Schnauze hat einen lichten Streifen über dem Nasenrücken, einen Fleck vor und einen kleinen über den Augen; die Spitzen des Oberkiefers sind weiß. Der Schwanz ist sieben- bis achtmal weiß geringelt und endet in eine schwarze Spitze.

Das eigentliche Vaterland des äußerst zierlichen und doch dabei so raub- und mordlustigen, bissigen und muthigen Thierchens bilden die Länder des Atlas. Allein es kommt auch in Europa und zwar vorzugsweise in Spanien und im südlichen Frankreich vor. Schon in Spanien ist die Ginsterkatze ständiger Bewohner geeigneter Aufenthaltsorte, obgleich man ihr nur höchst selten begegnet. Sie findet sich ebensowohl in wald- und baumlosen wie in bewaldeten Gebirgen, kommt jedoch auch in die Ebenen herab. Feuchte Orte in der Nähe der Quellen und Bäche, buschreiche Gegenden, sehr zerklüftete Bergwände und dergleichen bilden bevorzugte Aufenthaltsorte. Hier stöbert sie der einsame Jäger zuweilen auch bei Tage auf; gewöhnlich aber ist sie wegen der Gleichfarbigkeit ihres Felles mit dem Geklüfte oder auch mit der bloßen Erde selbst so rasch verschwunden, daß er nicht zum Schusse kommt. Sie schlängelt sich wie ein Aal, aber mit der Gewandtheit eines Fuchses zwischen den Steinen, Pflanzen, Gräsern und Büschen hin und ist in wenigen Minuten durch diese vollständig verborgen.

[26] Weit öfters würde man ihr zur Nachtzeit begegnen, wenn man dann ihre Lieblingsorte aufsuchen wollte. Erst ziemlich spät nach Sonnenuntergang und jedenfalls nach vollkommen eingetretener Dämmerung erscheint sie und gleitet nun unhörbar von Stein zu Stein, von Busch zu Busch, scharf nach allen Seiten hin witternd und lauschend und immer bereit, auf das geringste Zeichen hin, welches ein lebendes Thierchen gibt, dasselbe mörderisch zu überfallen und abzuwürgen. Kleine Nagethiere, Vögel und deren Eier sowie Kerbthiere bilden ihre Nahrung, welche sie auch aus dem besten Verstecke herauszuholen weiß. Ungeschützten Hühnerställen und Taubenschlägen wird sie ebenso gefährlich wie Marder und Iltis, sühnt aber solche Diebereien reichlich durch eifrige Jagd auf Ratten und Mäuse, welche unter allen Umständen den Haupttheil ihrer Mahlzeiten ausmachen. Ihre Bewegungen sind ebenso anmuthig und zierlich als behend und gewandt. Ich kenne kein einziges Säugethier weiter, welches sich so wie sie mit der Biegsamkeit der Schlange, aber auch mit der Schnelligkeit des Marders zu bewegen versteht. Unwillkürlich reißt die Vollendung ihrer Beweglichkeit zur Bewunderung hin. Es scheint, als ob sie tausend Gelenke besäße. Da ist kein Theil des Leibes, welcher sich nicht bewegte, jeder Muskel erscheint thätig, jeder Nerv wird angestrengt; aber man muß scharf hinsehen, wenn man dies bemerken will. Es geht dem Beobachter hier ebenso, wie wenn er eine Schlange sich bewegen sieht. Auch diese »regt tausend Gelenke zugleich«, und gerade deshalb nimmt man die Thätigkeit der einzelnen Theile so schwer wahr. Schlangenhaft nun bewegt sich die Ginsterkatze und nicht allein wenn sie läuft, sondern auch wenn sie springt; denn sie schnellt sich dann mit einem einzigen Satze vor, die Geschicklichkeit der Katze und des Marders gleichsam in sich vereinigend, und schnappt nach der ersehnten Beute mit derselben Schnelligkeit und Sicherheit wie Giftschlangen, wenn sie angreifen. Nur in einem unterscheidet sie sich von den genannten Kriechthieren: sie wartet ihre Beute nicht ab, sondern schleicht derselben nach. Bei ihren Ueberfällen gleitet sie unhörbar auf dem Boden hin, den schlanken Leib so gestreckt, daß er und der Schwanz nur eine einzige gerade Linie bilden, die Füße soweit auseinander gestellt, als sie überhaupt kann; plötzlich aber springt sie mit gewaltigem Satze auf ihre Beute los, erfaßt dieselbe mit unfehlbarer Sicherheit, würgt sie unter beifälligem Knurren ab und beginnt dann die Mahlzeit. Beim Fressen sträubt sie den Balg, als ob sie beständig befürchten müsse, ihre Beute wieder zu verlieren. Auch das Klettern versteht sie ausgezeichnet, und selbst im Wasser weiß sie sich zu behelfen.

Ueber ihre Fortpflanzung im Freien ist nichts bekannt; an Gefangenen hat man beobachtet, daß das Weibchen nur ein Junges wirft; diese Zahl dürfte jedoch schwerlich mit der eines Wurfes von wildlebenden Müttern übereinstimmen.

Die Ginsterkatze läßt sich sehr leicht zähmen; denn sie ist gutmüthig und sehr sanft. Doch verschläft sie fast den ganzen Tag und kommt erst in der Nacht zum Vorscheine. Mit ihresgleichen verträgt sie sich gut. Zank und Streit kommt zwischen zwei Ginsterkatzen nicht vor; man darf sogar verschiedene Arten desselben Geschlechts zusammensperren. Eine thut, was die andere beginnt, ohne ihr dadurch lästig zu fallen. Selbst beim Fressen geht es meist friedlich zu: jede nimmt das ihr zunächst liegende Fleischstück, ohne futterneidisch zu knurren und zu fauchen, wie so viele Raubthiere thun. Das Lager theilen mehrere Gefangene gemeinschaftlich, und oft sieht man die ganze Gesellschaft im Schlafe zu einem förmlichen Klumpen verknäuelt.

In der Berberei benutzt man sie und noch mehr ihre Verwandte, die blasse Ginsterkatze, in derselben Weise wie unsere Hauskatze, als Vertilger der Ratten und Mäuse. Man versichert, daß sie jenem Geschäfte mit großem Eifer und Geschick vorstehe und ein ganzes Haus in kurzer Zeit von Ratten und Mäusen zu säubern verstünde. Ihre Reinlichkeit macht sie zu einem angenehmen Gesellschafter, ihr Zibetgeruch ist jedoch für europäische Nasen fast zu stark, und sie weiß nach kurzer Zeit dem ganzen Hause diesen Geruch in einer derartigen Stärke mitzutheilen, daß man es dann kaum auszuhalten vermag. Ihr Fell liefert ein gutes, gesuchtes Pelzwerk, welches man zu Muffen verwendet. Nach dem Siege Karl Martells über die Saracenen, im Jahre 732 bei Tours, [27] erbeutete man viele Kleider, welche mit jenem Pelze versehen waren, und soll dann, wie Pennant erzählt, einen Orden der Ginsterkatze gestiftet haben, dessen Mitglieder die ersten Fürsten waren.

Die Alten scheinen unser Thier nicht gekannt zu haben; wenigstens ist es sehr zweifelhaft, ob Oppian unter seinem »kleinen, gescheckten Panther« sie versteht. Isidor von Sevilla und Albertus Magnus aber erwähnen ihrer und berichten, daß schon zu damaliger Zeit ihr Pelz sehr geschätzt wurde.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 25-28.
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