Buansu (Canis primaevus)

[522] Ebenso wie in Kolsum glaubte man auch in dem Buansu oder Buansua, Ramhun der Bewohner Kaschmirs (Canis primaevus, Cuon primaevus, Canis himalayanus), den wilden Urhund zu finden. In Gestalt, Färbung, Wesen und Sitten hat er die größte Aehnlichkeit mit jenem. Seine Gesammtlänge wird zu 1,5 Meter, die Schwanzlänge zu 35, die Höhe am Widerriste zu 53 Centim. angegeben; der ziemlich lange und dichte Pelz ist ebenfalls dunkel rostroth, auf dem Rücken schwarz gesprenkelt, weil hier die einzelnen, an der Wurzel lichten Haare schwarz und rostroth geringelt sind, unterseits röthlichgelb, der Schwanz an der Wurzel blaßrostfarben, an der Spitze schwarz, die Iris rothbraun.

[522] Der Buansu ist ebenso scheu und hält sich ebenso zurückgezogen wie der Kolsum. Die dichtesten und unzugänglichsten Wälder und andere Dickichte, mit welchen die so reiche Pflanzenwelt den dortigen Boden deckt, zieht er jedem anderen Aufenthalt vor. »Obschon nicht eben selten im Höhengürtel des westlichen Himalaya«, sagt Adams, »wird der Ramhun doch selten gesehen. So listig und spitzbübisch ist sein Auftreten, daß selbst eingeborene, mit dem von ihm angerichteten Verheerungen wohl vertraute Jäger ihn niemals zu Gesicht bekommen haben. In den Pinjalbergen bin ich seinen Spuren meilenweit gefolgt, habe auch Lager gefunden, in denen wenige Stunden vorher ganze Meuten gelegen hatten, niemals aber war ich so glücklich, mit ihnen zusammenzutreffen. Wie es scheint, liegen sie über Tages in Löchern oder Höhlen und jagen nur in den frühen Morgen- und Abendstunden. Die Erzählungen der Eingeborenen sind sehr verschieden und oft sich widersprechend.« Bekannt ist etwa das Nachstehende:

Der Buansu jagt ebenfalls in Meuten, unterscheidet sich aber bei seiner Jagd von dem vorigen hauptsächlich dadurch, daß er ununterbrochen Laute von sich gibt, während er läuft, und zwar stößt er ein sonderbares Gebrüll aus, welches von der Stimme des Haushundes ganz verschieden ist und ebenso wenig etwas gemein hat mit dem langen Geheule der Wölfe, des Schakals oder des Fuchses. Die Anzahl der Mitglieder einer Meute ist nicht groß, sondern beträgt höchstens acht bis zwölf. Nach allen Beobachtungen wird das jagende Thier durch seinen vorzüglichen Geruch geleitet; wenigstens folgt es der Nase entschieden mehr als dem Auge. Wie gesagt wird, theilt der Buansu mit dem Hiänenhunde, welchen wir später kennen lernen werden, die Lust, gefährliche Raubthiere anzugreifen und zu tödten oder wenigstens zu vertreiben, fällt aber lieber Hirsche, Steinböcke, Schafe und Ziegen an und ist deshalb ein höchstverhaßter Besucher der Gehöfte und Hürden. Ein Freund von Adams sah eine Meute unseres Urhundes ein Rudel Hirsche eifrigst verfolgen, und Eingeborene Kaschmirs erzählten, daß das Raubthier überhaupt nur wenige größere Vierfüßler verschone.

Jung eingefangene Buansus werden sehr zahm, zeigen bald große Anhänglichkeit an ihren Pfleger, und lassen sich, wenn dieser es versteht, zu trefflichen Jagdgehülfen abrichten. Leider scheint der Buansu bloß seinem Herrn unterthan sein zu wollen: er ist für andere Jäger nicht nur unbrauchbar, sondern wegen seines scharfen Gebisses sogar gefährlich.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXXII522-DXXIII523.
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