Otterhund (Canis familiaris vertagus scoticus)

[616] Der Otterhund endlich, nach der Insel Skye Skye-terrier genannt (Canis familiaris vertagus scoticus), nach Ansicht Einiger eine Kreuzungsform zwischen Spießhund und Zottelpintscher, steht dem letzteren näher als ersterem, ist kräftig gebaut, hat langen Kopf mit spitziger Schnauze und langen, hängenden Ohren, gestreckten Leib, gerade Beine und mittellanges, struppiges Fell von verschiedener Färbung.

Gegenwärtig benutzt man ihn hauptsächlich zu der Jagd, von welcher sein Name herrührt; früher wurde er auch wohl zur Hasenjagd gebraucht, und heißt deshalb noch heutzutage Welsh Harrier. Der Otterhund ist ein kühnes, muthiges, lebendiges Thier, und nur ein solcher ist zur [616] Otterjagd zu gebrauchen. Bei der Verfolgung des Fischotters muß der Hund oft im Wasser jagen und deshalb im Schwimmen und Tauchen Meister sein; seinen Muth hat er von Nöthen, denn sein Gegner versteht sein scharfes und kräftiges Gebiß gehörig zu gebrauchen und bringt dem Verfolger oft schwerere Wunden bei als der Dachshund ihm. Zudem versteht es der Otter, der glatthaarigste von allen Mardern, selbst dann noch dem Hunde zu entgehen, wenn dieser ihn bereits gepackt hat. Aber der vortreffliche Hund ist mit allen Eigenschaften ausgerüstet, welche ihm einen glücklichen Erfolg sichern. Mit Ausnahme des Bullenbeißers und Bulldoggen soll es wenig Thiere geben, welche mit so hohem Muthe kämpfen wie er. Man versichert, daß ein Angriff von ihm, so klein und unbedeutend er auch scheint, gefährlicher ist als ein solcher vom Bulldoggen. Dieser läßt das, was er ergriffen hat, allerdings so leicht nicht wieder los und wird aus diesem Grunde gefährlich; der Otterhund aber beißt mindestens ebenso tief wie jener, jedoch außerordentlich oft und schnell hinter einander und soll deshalb nicht nur sehr viele, sondern auch sehr schlimme Wunden hervorbringen.

Der Otterhund kann das allerschlimmste Wetter und die Veränderung der Wärme aushalten und auch in der kältesten Jahreszeit wiederholt Bäder in dem eisigen Wasser ertragen. Sein hartes, rauhes und verwirrtes Kleid, welches den Einflüssen der Kälte sehr widersteht, leistet ihm allerdings vortreffliche Dienste; die Gewöhnung thut das ihrige dazu. Namentlich auf den Felsen der Hebriden, wo die Ottern sehr häufig sind, werden diese Hunde benutzt. Die Jäger landen in Kähnen an irgend einer kleinen Insel und lassen hier ihre Hunde frei. Diese klettern überall auf und in den Felsen herum und durchstöbern jede Höhle. Sobald ein Hund einen Otter findet, jagt er ihn aus seinem Schlupfwinkel hervor und packt ihn; die anderen Hunde eilen zur Hülfe: es entsteht eine wüthende, lärmende Balgerei; der Otter wehrt sich fürchterlich, wird aber doch zuletzt von der muthigen Schar todt gebissen und dann dem Jäger überliefert. Letzterer stellt sich übrigens schon von vorn herein in der Nähe des Meeres auf, um den zum befreundeten Elemente flüchtenden Thieren den Weg abzuschneiden.

Ueber die Abstammung dieser Hunde ist man noch keineswegs im Klaren, und auch die Ansicht, daß der Otterhund Dachshund sei, bedarf noch sehr der Bestätigung. Namentlich widerspricht die ziemlich bedeutende Größe des Thieres dieser Annahme: seine Höhe vom Fuße bis zur Schulter beträgt nicht selten 60 Centim.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXVI616-DCXVII617.
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