Jagdhunde

[617] Weit zahlreicher an Rassen und Formen und sorgfältiger Erziehung ungleich zugänglicher als die Dächsel, nehmen die Jagdhunde unbestreitbar den höchsten Rang unter allen Haushunden ein. Sie stehen in keiner Weise zurück hinter dem verständigen Pudel, dem zierlichen Windspiele, dem niedlichen Seidenhunde, vereinigen vielmehr aller Schönheit und Eigenheit in sich und dürfen dreist als die edelsten bezeichnet werden. An ihnen hat der Mensch sich als Schöpfer erwiesen, auf sie einen Theil seiner eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften vererbt, sie für die verschiedenartigsten Abstufungen einer und derselben Dienstleistung gestaltet und gemodelt. Schon bei uns ist die Anzahl der Rassen oder Abarten eine erhebliche; weit mehr solcher Abänderungen aber kennt man in Großbritannien, wo man von jeher sehr viel für die Zucht dieser ausgezeichneten Geschöpfe gethan hat.

So schwierig es sein mag, allgemeine Kennzeichen der verschiedenen Jagdhunde aufzustellen, läßt sich doch Folgendes sagen: Sie sind schöne, mittelgroße Hunde, mit gestrecktem, eher schwachem als kräftigem Leibe, länglichem, auf der Stirn flachgewölbtem Kopfe, nicht sehr langer, nach vorn hin verschmälerter und abgestumpfter Schnauze, großen, klugen Augen, breiten hängenden Ohren, kräftigem, aber verhältnismäßig langem Halse, breiter und voller Brust, nicht auffallend eingezogenen Weichen, mittelhohen, schlanken, jedoch nicht mageren Beinen, wohlgebildeten Füßen, deren hinteres Paar eine gekrallte Afterzehe trägt, und ziemlich langem Schwanze. Die Behaarung ist bald kurz [617] und fein, bald lang und grob, der Schwanz entweder kurz oder langfahnig, die Färbung ungemein verschieden, eintönig oder fleckig. Ueber jedem Auge befindet sich meist ein kleiner, rundlicher, lichterer Flecken.

Alle Jagdhunde sind geborene Jäger, und wenn dies nicht der Fall, taugen sie eben nichts. Mehr als bei jedem anderen Hunde kommt es bei ihnen auf die Rasse oder Unterrasse an, und regelmäßig findet man hier, daß gute Mütter oder erprobte, geschickte Eltern auch vortreffliche Junge erzeugen. Alle sind kräftig, schnell und durch ihre ausgezeichneten Sinne, namentlich durch den überaus feinen Geruch, vor den übrigen Hunden zur Jagd befähigt. Sie besitzen ein so starkes Spürvermögen, daß sie die Fährte eines Wildes noch nach Stunden, ja sogar nach Tagen durch den Geruch wahrnehmen können. Deshalb bedient man sich ihrer zum Aufspüren und Aufsuchen des Wildes und namentlich des Haarwildes und richtet sie zu diesem Zwecke besonders ab.

Unter den verschiedenen Rassen wollen wir die bekanntesten, die Hühnerhunde, zuerst betrachten. Sie sind mittelgroß und ziemlich stark gebaut; ihre Schnauze ist lang und dick, die Nase zuweilen gespalten, das Ohr breit, lang und hängend, ein »Behang«; das Haar kurz bei den Vorstehhunden, länger bei den eigentlichen Hühnerhunden, ziemlich lang bei den sogenannten Wasserhunden; die Färbung bei uns zu Lande gewöhnlich weiß mit braunen, seltener mit schwarzen Flecken; doch gibt es auch ganz weiße, braune, schwarze oder gelbe. Die Ruthe wird gewöhnlich in der Jugend gestutzt, weil der Hund sie später, wenn er vor dem Wilde steht, bewegt und das Wild leicht verscheuchen würde, wenn man sie ihre volle Länge erreichen ließe.

Die Hühnerhunde sind ganz ausgezeichnete, kluge, gelehrige, folgsame und jagdbegierige Thiere und zur Jagd auf allerlei Wild geradezu unentbehrlich. Sie spüren das Wild weniger durch scharfe Verfolgung der Fährte aus als vielmehr durch Wittern desselben, und zwar gibt es Hühnerhunde, welche schon aus einer Entfernung von sechszehn bis achtzehn Schritten mit aller Sicherheit ein Jagdthier durch den Geruchssinn wahrnehmen. Bei der Jagd selbst gehen alle höchst verständig zu Werke.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXVII617-DCXVIII618.
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