Vorstehhund (Canis familiaris avicularius)

[618] »Ich habe mich«, sagt Diezel, »seit einer langen Reihe von Jahren fortwährend damit beschäftigt, die Fähigkeit der bei uns vorkommenden Thiere zu vergleichen, und mich immer fester überzeugt, daß sie alle bei weitem von einem übertroffen werden, nämlich von dem gewöhnlichen Begleiter des Jägers, von dem Vorstehhunde (Canis familiaris avicularius oder C. sagax venaticus).

Dieser Hund muß jedoch, wenn meine Behauptung auf ihn anwendbar sein soll, von ganz reiner Abkunft sein und alle seine natürlichen Anlagen, namentlich einen sehr scharfen Geruch besitzen. Er muß ferner nicht vereinzelt erzogen werden, sondern unmittelbar unter den Augen seines Führers aufgewachsen sein, damit er gleich von Jugend an jedes Wort und jeden Wink verstehen lernt. Endlich muß auch sein Herr alle Eigenschaften eines guten Lehrers, worunter die Geduld keine der geringsten ist, im vorzüglichen Grade besitzen, ja er muß sogar ein sicherer Schütze sein; denn nur wenn alle Erfordernisse mit einander vereinigt sind, kann der Lehrling jenen bewunderungswürdigen Grad von Folgsamkeit, Selbstbeherrschung und Geschicklichkeit erreichen, welchen ich hier in einigen kurzen Sätzen zu schildern versuchen will.

Ein vollkommen abgerichteter, stets zweckmäßig geführter Hund, im Alter von drei bis vier Jahren, sucht, seinem natürlichen Triebe folgend, mit immer dem Winde entgegengehaltener Nase das Wild auf, indem er bald rechts bald links sich wendet. Auch bleibt er von Zeit zu Zeit einmal stillestehen und sieht sich nach seinem Gebieter um, der nun durch eine Bewegung dem Hunde die Gegend bezeichnet, welche er absuchen soll. Diese Winke werden auf das genaueste befolgt. Kommt ihm nun die Witterung irgend eines bedeutenden Wildes in die Nase, so hört auf einmal die sonst unaufhörliche Bewegung des Schweifes auf. Sein ganzer Körper verwandelt sich in eine lebende Bildsäule. Oft auch schleicht er nach Katzenart und mit leichten Tritten dem Gegenstande näher, ehe [618] er ganz feststeht. Nach wenigen Augenblicken wendet er nun den Kopf nach seinem Herrn, um sich zu überzeugen, ob dieser ihn bemerkt hat oder nicht, und ob er sich nähert. Es gibt sogar Hunde, welche, wenn der Oertlichkeit nach solches nicht möglich ist (z.B. im Walde oder im hohen Getreide, wo man es nicht sehen kann), das gefundene Wild auf kurze Zeit verlassen, um ihren Herrn aufzusuchen und an Ort und Stelle zu führen.


Vorstehhund (Canis familiaris avicularius). 1/10 natürl. Größe.
Vorstehhund (Canis familiaris avicularius). 1/10 natürl. Größe.

Doch thaten dies von den vielen Hunden, welche ich in meinem Leben besessen und geführt, nur einige, und nicht schon in der ersten Zeit, sondern sie lernten es erst in späteren Jahren.

Eine der schönsten Gelassenheitsproben für junge, feuerige Hunde ist die, wenn sie das dicht vor ihren Augen von dem Jäger getroffene Flugwild flattern und dann fallen sehen, dasselbe aber nicht greifen dürfen. Und auch dieser großen Versuchung lernt ein folgsamer Hund bald widerstehen und wagt es nicht eher, zu apportiren, als bis er von seinem Herrn die Erlaubnis dazu erhalten hat.

Ein ebenso schwieriger und fast noch schwierigerer Punkt ist die tief in des Hundes Natur liegende Begierde, jedem ihm ins Gesicht kommenden Hasen zu verfolgen. Hier hat er einen um so schwereren Kampf zu bestehen, als es ja unstreitig die Bestimmung des Hundes ist, das Wild zu verfolgen und zu fangen. Es muß augenscheinlich der Hund seine Natur hier verleugnen, und er verleugnet sie auch wirklich. Denn nachdem er eine Viertelstunde lang vor dem Lager des Hasen gestanden hat, darf er, wenn dieser endlich aufsteht und entflieht, ihm dennoch keinen Schritt nachfolgen, viel weniger noch im Lager selbst oder im Augenblicke des Entweichens ihn ergreifen oder tödten. Er darf es sogar dann nicht thun, wenn ein in voller Flucht begriffener Hase sich seinen Zähnen gleichsam freiwillig darbietet und, sozusagen, in den Rachen hineinlaufen würde.

[619] Der unkundige Zuschauer, welcher Zeuge eines solchen Auftrittes ist, kann nicht anders glauben, als daß ein solcher Hund ganz gleichgültig und ohne alle Leidenschaft sei, daß der Hase für ihn gar keinen Reiz habe. Aber wie sehr trügt hier der Schein! Nicht Gleichgültigkeit, nicht Mangel an Lust, anders zu handeln, wenn ich so sagen darf, ist es, was ihn davon abhält, sondern der Gehorsam, das Gefühl der Unterwürfigkeit, die Furcht vor der Strafe. Die Natur scheint hier unter den Händen der Kunst gleichsam untergegangen zu sein; allein sie ist es nicht, sie schlummert nur, oder vielmehr sie schweigt, weil sie schweigen muß, weil ihre Stimme nicht laut werden darf.

Man beobachte denselben Hund, welcher unmittelbar unter den Augen seines Führers diesen hohen Grad von Selbstbeherrschung zeigte, wenn er allein oder sich selbst überlassen ist, oder wenn er einen Führer hat, den er nicht achtet. Er wird sich dann der Begierde zu jagen so gewiß überlassen als jeder andere auch. Daher kommt es dann auch, daß in der ersten Zeit der Abrichtung selbst Hunde, welche in der Nähe ihres Herrn schon ziemlich folgsam sind, noch manchen Fehler begehen, sobald man ihnen gestattet, sich weit zu entfernen. Es sei mir vergönnt, einige Beispiele davon anzuführen, wie groß der Hang dieser Hunde ist, das Wild zu verfolgen. Schon viele Hunde wurden mit Schrotschüssen verwundet, weil sie, auf mehrmaliges Rufen und Pfeifen nicht achtend, sich der Begierde gleichsam blindlings überlassen hatten. Sie schrieen im Augenblicke der Verwundung laut auf, ließen sich aber dadurch doch nicht von der Fortsetzung der Verfolgung abhalten. Andere wurden so stark getroffen, daß sie sogleich umkehren mußten. Aber kaum war eine Stunde verflossen, kaum hatten sie sich ein wenig wieder erholt, als sie auch wieder jedem vorkommenden Hasen ebenso leidenschaftlich nachsetzten wie zuvor.

Der merkwürdigste Fall dieser Art, welcher mir vorgekommen ist, war folgender: Eine Vorstehhündin, welche aber nicht von mir erzogen und abgerichtet, sondern bloß meiner Führung auf einige Zeit anvertraut war, stand am Rande eines ziemlich breiten Grabens dicht vor einer Rebhühnerkette. Als ich mich näherte, um zu schießen, stand unfern von uns ein junger Hase auf. Den Hund durchzuckte die Lust, hinter ihm herzujagen, wie ein elektrischer Schlag, und gewiß würde er es augenblicklich gethan haben, hätte nicht meine Näherung und ein lauter Warnungsruf ihn noch nothdürftig zurückgehalten. Er blieb daher in seiner früheren Stellung, wandte aber, den zuerst gefundenen Gegenstand gleichsam ganz aufgebend, den Kopf immer nach der Seite hin, wo der Hase lief, und zitterte dabei sichtlich am ganzen Leibe. Jetzt stiebten die Rebhühner auf, und ich schoß davon zwei. Allein anstatt wie gewöhnlich diese mit dem größten Eifer zu apportiren, sprang der Hund, ohne im geringsten auf die herabfallenden Vögel zu achten, augenblicklich über den Graben und setzte dem schon längst entflohenen Hasen nach. So sehr hatte dieser schon vom ersten Augenblicke an seine ganze Seele beschäftigt. Man berechne, welchen Kampf, welchen Grad von Selbstüberwindung es ihm gekostet haben mag, einer so reizenden Versuchung zu widerstehen!

Einen höchst anziehenden Anblick gewährt es dem Zuschauer, sogar dem, welcher nicht selbst Jäger oder Jagdkenner ist, wenn er die Vorsicht wahrnimmt, mit welcher sich der Vorstehhund dem aufgefundenen Federwilde nähert. Wenn er z.B. bei Mangel an günstigem Winde nicht ganz sicher weiß, nach welcher Seite hin die Rebhühner gelaufen sind, kehrt er schnell um, umkreist in großen Bogen, wo er sie vermuthet, und jede große Annäherung sorgfältig vermeidend, spürt er auf diese Weise endlich den Platz auf, wo sie festliegen, und hier erst bleibt auch er selbst augenblicklich feststehen. Beim Absuchen der Getreidestücke läuft der erfahrene Hund nicht etwa in die Frucht selbst hinein, sondern bloß an der Seite des Ackers hin, jedoch so, daß ihm der Wind von dem Wilde her entgegenweht; denn auf der entgegengesetzten Seite wird er den Zweck des Auffindens nicht so sicher erreichen.

Den höchsten Grad von Verstand dieser Art sah ich einst, als ich mit einigen Bekannten zu Anfang des Sommers einen Spaziergang machte, um deren Hunde, welche im Rufe vorzüglicher Befähigung standen, mir vorführen zu lassen. Sämmtliche Felder waren mit Frucht bedeckt; ich war daher nicht wenig gespannt darauf, wie man es anfangen werde, um hier Gelegenheit zu haben, [620] die drei Hunde, welche wir bei uns hatten, arbeiten zu sehen. Bald aber überzeugte ich mich, daß dieser Zweck ganz gut erreicht wurde; denn diese Hunde, einer wie der andere, suchten im sogenannten Sommerbau, nämlich den Gersten-, Hafer- und Kartoffeläckern, deren Frucht noch weiter zurück war, ganz unbefangen hin und her; sobald sie aber an einen Roggen- oder Weizenacker kamen, änderten sie alsbald ihr ganzes Wesen und ihre Bewegungen; denn sie setzten jetzt nicht mehr hin und her, wie sie es zuvor in der noch niedrigen Frucht gethan hatten, sondern es unterstand sich keiner mehr, einen solchen Acker mit hohem Getreide zu betreten. Vielmehr suchten sie jetzt nur noch im langsamen Trabe, und zwar immer nur in der äußersten Furche, auf der Seite, wo sie den besten Wind hatten, um das Wild in die Nase zu bekommen. Als ich meine Verwunderung über diese Vorsicht äußerte und zugleich den Wunsch aussprach, zu erfahren, auf welche Weise man sie dazu gebracht hatte, die Fruchtstücke so genau zu unterscheiden, erwiderte man, daß dies sehr leicht und bald dadurch bewerkstelligt worden wäre, indem man sie zwar sehr oft zu einem Spaziergange mitgenommen, ihnen aber nie gestattet habe, einen Acker mit schon hohem Getreide zu betreten, sowohl um jeden Verdruß mit den Feldbesitzern zu vermeiden, als auch um die Hunde stets im Auge zu behalten.

Ich besaß einst einen Hund, welcher fast menschliche Ueberlegung zeigte, und ich will nur einen einzigen Fall davon hier mittheilen. Wenn ich in Dienstgeschäften aus dem Walde zurückkam, führte mich mein Weg gewöhnlich an einem kleinen, sumpfigen Weiher vorüber, wo in der Strichzeit, d.i. in den Frühlings-und Herbstmonaten, fast immer Heerschnepfen (Telmatias gallinago) zu liegen pflegten. Dies wußte mein Hund wohl. Er eilte darum schon in der Entfernung von mehreren tausend Schritten vor mir voraus, suchte einen solchen Vogel auf und blieb vor demselben stehen, drehte aber sogleich seinen Kopf nach mir, um sich zu überzeugen, ob ich rechts ab die Straße verlassen und mich nach dem Weiher wenden oder meines Weges gehen würde, da letzteres jedesmal geschah, wenn ich entweder keine Lust oder keine Zeit zum Schießen hatte. So lange nun dem Hunde noch Hoffnung übrig blieb, daß diese von ihm angezeigte Schnepfe von mir werde aufgesucht werden, blieb er fest und unbeweglich mit immer nach mir gerichteten Augen stehen. Sobald ich aber, ohne mich zu nähern, vorübergegangen war, stieß er sie heraus und verließ sogleich den Sumpf, ohne weitere aufzusuchen. Dies Verfahren hat er mehr als dreißigmal wiederholt, und viele meiner Bekannten waren Augenzeugen davon.

Schon mehrmals ist mir auch der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen Suchen begriffen oder doch überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plötzlich innehaltend, sie sich flach auf den Boden niederwarfen und in dieser Stellung liegen blieben. Wenn ich nun der Richtung ihrer Blicke folgend nachforschte, was wohl die Ursache ihres Benehmens sein möge, so war es regelmäßig irgend ein Wild, meistens ein Hase, den ich oft noch in sehr großer Entfernung laufen oder vielmehr auf uns zukommen sah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie sich uns näherte, nicht aber, wenn er seine Richtung seitwärts vorbei nahm, legten sich die Hunde nieder, wie ein Raubthier, welches auf die Annäherung seines Opfers lauert, um dasselbe, wenn es nahe genug herangekommen, sicherer zu erhaschen, zuvor aber sich vor dessen Augen soviel als möglich zu bergen sucht.

Ein Hühnerhund, welcher einem meiner Freunde gehörte, bemerkte einst, während er von weitem eine Jagd auf einer Insel von geringem Umfange mit ansah, daß einer von den hin- und hergesprengten Hasen sich über eine schmale Brücke, dem einzigen zu der Insel führenden Eingange, in das Freie gerettet hatte. Als er nun abermals jenseits des Wassers einen Hasen erblickte, eilte er, auf jede Art der Verfolgung verzichtend, in vollem Laufe nach der Brücke hin, legte sich dort flach auf den Boden und erwartete in dieser Stellung den nächsten Flüchtling, um sich desselben so recht auf dem kürzesten Wege zu bemächtigen. Um zum Schlusse zu kommen, erwähne ich bloß noch, daß derselbe Hund, welcher die gesunden Hasen vor sich sieht, ohne sich zu rühren, die angeschossenen halbe Stunden weit unermüdet verfolgt, sobald sein Herr es ihm befiehlt oder [621] vielmehr es ihm erlaubt; denn der innere Trieb fordert ihn dazu auf, jede Schweißfährte so weit als möglich zu verfolgen. Durch die Abrichtung hat er aber gelernt, das endlich gefangene oder aufgefundene Thier ohne die geringste Verletzung herbeizubringen. Auch als aufgestellter Wächter entspricht er jeder Erwartung; denn halbe Tage lang bleibt er unbeweglich neben dem Gewehre oder der Jagdtasche seines Herrn im Walde liegen. Kein Unbekannter darf es wagen, sich zu nahen oder sie zu nehmen.«

Wie fest manche Hühnerhunde vor dem Wilde stehen, mag aus folgender Thatsache hervorgehen, welche Lenz erwähnt. In England hatte man ein prachtvolles Gemälde verfertigt, welches einen schwarzen Vorstehhund, Namens Pluto, und einen weiblichen, Namens Juno, darstellt, wie beide vor einem Rebhuhne stehen. Der Maler zeichnete fünf viertel Stunden lang, und beide standen während dieser Zeit wie versteinert.

Der Hund lernt alle diese Jagdbegriffe allerdings erst nach langer Abrichtung; aber wohl bei keinem anderen Thiere sieht man besser, wie viel es leisten kann, wenn der Mensch es lehrt und gut behandelt, als bei dem Hühnerhunde. Ein wohlabgerichteter Jagdhund ist ein wirklich wunderbares Thier und verdient seinen lateinischen Namen, Canis sagax, in vollem Maße. Auch er ist ein Menschenhund, wie Scheitlin sagt; denn er beweist wahren Menschenverstand. Er weiß genau, was er zu thun hat, und ein schlechter Jäger, welchen ein gut geschulter Jagdhund begleitet, wird von diesem nicht selten in der allerempfindlichsten Weise getadelt. So kannte ich einen Hühnerhund, Namens Basko, welcher wohl alles leistete, was man jemals von einem seiner Art verlangen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Schütze, welcher gewöhnlich unter zwanzig Schüssen auffliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlschuß that. Einst kommt der Sohn eines Freundes unseres Weidmanns zu ihm, ein junger Aktenmensch, welcher die Feder allerdings besser gebrauchen konnte als das Gewehr, und bittet um die Erlaubnis, ein wenig zu jagen. Der Förster gewährt ihm dies mit den Worten: »Gehen sie, aber schießen Sie gut, sonst nimmt es Basko gewaltig übel«. Die Jagd beginnt; Basko wittert nach kurzer Zeit eine Kette Hühner aus und steht wie ein Marmorbild vor derselben. Er erhält Befehl, sie aufzutreiben. Die Hühner fliegen, der Schuß knallt, aber kein Stück von dem Wilde stürzt herab. Basko sieht sich äußerst verwundert um und beweist augenscheinlich genug, daß seine gute Laune verschwunden sei. Er geht aber doch noch einmal mit, findet eine zweite Kette Hühner, und es geht wie das erste Mal. Da kommt er dicht an den Schützen heran, wirft einen Blick der tiefsten Verachtung auf ihn und eilt spornstreichs nach Hause. Noch nach Jahr und Tag war es demselben Jäger unmöglich, den Hund, welcher ein für die Jagd begeisterter war, mit sich auf das Feld zu nehmen: die Verachtung gegen den Schützen war zu tief in seinem Herzen eingewurzelt.

»Ich besaß«, schreibt Oskar von Loewis, »eine Vorstehhündin, welche im Apportiren das erstaunlichste leistete. Verlor ich ein Stück Wild aus der Jagdtasche, hieß ich sie der Rückspur suchend folgen, und niemals kehrte das zuverlässige Thier mit leerem Maule zurück. Junge Birkhühner, welche bekanntlich nach öfterem Aufscheuchen während der Mittagshitze sehr fest liegen, hat sie mir oft auf Befehl lebend zu Füßen gelegt. Sie verstand jeden mei ner Winke, jedes Wort: ich konnte mich mit ihr unterhalten wie mit einem Menschen. Jedes Ding, welches man ihr zeigte und zu beschaffen befahl, wußte sie zu erlangen. Sie schleppte Pfeifen, Dosen, Schlüssel, Tücher, Brodstückchen, Stöcke, ja sogar übelriechende Gegenstände, wie Cigarren und dergleichen, zart und vorsichtig herbei, letztere freilich unter Grimassen, nahm mir oder anderen auf den Zuruf die Mütze vom Haupte, zog Tücher aus den Taschen hervor und bediente mich besser als mancher Mensch. Einst handelten mir befreundete Damen mit einem hausirenden Juden, welcher endlich wegging. Nachdem er sich bereits mindestens fünfhundert Schritte weit entfernt hatte, wünschte eine der Damen noch eine Kleinigkeit zu kaufen. Der Handelsmann vernahm meinen Zuruf nicht mehr; folglich mußte meine Hündin helfen. ›Minni, hole die Mütze jenes Mannes‹, sagte ich zu ihr, auf den Hausirer deutend. Wie ein Pfeil schoß sie dem Juden nach, sprang ihm zu seinem größten Entsetzen [622] auf den Rücken, zog ihm die Mütze vom Kopfe und lief mit derselben vor dem jammernden Manne her, bis er ihn glücklich zurückgebracht hatte, und Itzig zu seiner Freude erfuhr, es habe sich nicht um einen Ueberfall, sondern nur um ein Geschäftchen gehandelt.«

Es versteht sich von selbst, daß ein so gut erzogener Hund auch einen vortrefflichen Erzieher haben muß, wenn aus ihm etwas werden soll. Die Abrichtung ist ein sehr schwieriges Geschäft und wird bloß von wenigen Erwählten verstanden. Geduld, Ernst und Liebe zum Thiere sind Haupterfordernisse eines Erziehers, und deshalb läßt sich wohl mit voller Bestimmtheit behaupten, daß eine Frau nun und nimmermehr einen Jagdhund würde erziehen können. Nach Dietrich aus dem Winckell erzog man früher den Jagdhund in gewaltsamer Weise, mit Peitsche und Korallenhalsband; nicht wenige Abrichter bedienen sich noch heutigen Tages dieser Schablone. Einsichtsvollere Lehrer verfahren anders. Ich will die »Methode« der einen wie der anderen hier wiedergeben: der gewaltige Unterschied wird sich Jedermann bemerklich machen. Wenn der junge Hühnerhund ein Jahr alt geworden war, begann man mit der Abrichtung, am liebsten im Februar, und wenn dies nicht anging, im Juli oder August. Während der ganzen Lehrzeit mußte er an einem ganz ungestörten Orte eingesperrt oder angebunden werden und durfte durchaus keine Gelegenheit zu Zerstreuung oder Spielerei haben, dort auch von Niemandem als von seinem Herrn besucht, gefüttert und getränkt werden. Eine Stunde vor jedem Unterrichte erhielt er eine mäßige Mahlzeit, dann nahm man das Thier an eine drei Meter lange Leine, deren Ende zugleich ein Halsband bildete, versah sich mit einer kurzen Peitsche und lehrte dem Hunde zunächst den Dressurbock (ein fest mit Bindfaden umwickeltes Strohbündel) aufnehmen. Man legte ihm zuerst die Leine an, zog ihn unter dem Zurufe »hierher!« und mit einem bestimmten Pfiffe an sich, lobte und streichelte ihn, wenn er von selbst kam, oder schaffte ihn mit Gewalt herbei, wenn er sich störrisch zeigte. Sobald er auf den Ruf folgte, wurde er noch ein wenig herumgeführt, und zwar, indem man sich bald rechts, bald links wendete und dabei »herum!« rief. Dann wurde er nach seinem Wohnplatze zurückgebracht und ihm Gelegenheit gegeben, das Gelernte ordentlich durchzudenken. In einer anderen Stunde begann das Apportiren. Man legte den Dressurbock auf die Erde, zog den Hund an der Leine dicht herbei, drückte seinen Körper platt auf den Boden und hielt ihn dort in liegender Stellung, schob ihm mit der anderen Hand den Bock ins Maul und rief »Faß!« griff ihm dabei von oben herab hinter die Eckzähne, öffnete ihm die Kinnlade und schob ihm den Bock bis unter die Fänge, rief nochmals »Faß!« und schloß mittels der Hand das Maul. Nach kurzer Zeit ließ man ihn los, und indem man »Aus!« rief, nahm man ihm den Bock wieder ab. Wenn er das Maul nicht selbst öffnete, reibte man ihm den Bock gegen das Zahnfleisch oder drehte ihm das Halsband derart zusammen, daß er unwillkürlich das Maul aufsperrte. In einer späteren Lehrstunde ließ man ihn, während er den Bock im Maule hatte, aufstehen und einige Schritte weit gehen und nahm ihm denselben unter dem Zurufe »Aus!« wieder ab. Nach und nach hörte man auf, ihm das Maul zuzuhalten, während er den Bock faßte, und ließ ihn denselben aus immer größeren Entfernungen herbeiholen, wobei man immer »Apportez!« sagte. Wollte er etwas nicht thun, so wurde er jedesmal dazu gezwungen und dies solange, bis er es gern ausführte. Später nahm man anstatt des Bockes Stücken Holz und andere Dinge, endlich einen Hasenbalg und schließlich Hasen, Rebhühner, zuletzt auch Raubthiere, Raubvögel, Elstern und Krähen, kurz, lauter Thiere, welche er nur höchst ungern aufnahm und trug. Nachdem er diese Kunst begriffen hatte, wurde ihm das Verlorensuchen beigebracht. Man ging mit dem Winde und ließ unbemerkt etwas fallen, was er gern apportirte, wendete nach einigen Schritten mit dem Zurufe: »Such verloren!« um, und leitete ihn auf demselben Wege gegen den Wind zu dem Gegenstande hin, indem man ihm denselben zeigte und »Apportez!« rufte. Diese Uebung wurde weiter und weiter ausgedehnt, bis er auch dieses begriffen hatte. Hierauf mußte er das Vorstehen lernen, wieder mit seinem Bocke, welchen man vor ihm auf den Boden warf, während man den Kopf ihm zur Erde drückte und »tout beau!« oder, wenn er es nach einiger Zeit ergreifen sollte, »Avancez!« ausrief. Alles dies wurde in einem [623] umschlossenen Raume vorgenommen, erst mit, später auch ohne Leine. Hatte nun der Hund die Sache gut begriffen, so nahm man ihn mit sich auf das Feld hinaus, immer noch an der Leine und mit der Peitsche in der anderen Hand. Hier ließ man ihn an einem freien Orte, wo Wild war, gegen den Wind suchen, und schwenkte ihn dabei abwechselnd rechts und links, indem man »herum!« rief. Durch die Worte »Such, such!« feuerte man ihn an, durch ein leises »Sachte, sachte!« beruhigte man ihn, wenn er zu hitzig wurde, und durch einen starken Ruck an der Leine bezeichnete man ihm seine Unzufriedenheit, wenn er nicht gehorchen wollte. Suchte er nach Mäusen, Lerchen und anderen kleinen Thieren, wurde er unter dem Zurufe »Pfui!« abgehalten, und niemals schoß man ein solches Thier vor ihm. War er bei der Suche folgsam geworden, so brachte man ihn dann an Orte, wo es Rebhühner, aber wenig Hasen gab, und ließ ihn an der Leine unter dem Winde suchen, rief ihm, sobald er etwas in die Nase bekommen hatte, zu »Such!« und ließ ihn, sobald er festlag oder stand, kreisen, bis man die Hühner erblickte. Hierauf ging man zurück, führte ihn unter dem Zurufe »Hierher!« ab, ließ ihn nochmals vorgehen, wieder kreisen und stieß endlich die Hühner, ohne zu schießen, auf, gestattete aber ihm das Nachfahren durchaus nicht. Fielen die Hühner wo anders ein, so verfuhr man wie vorher und suchte endlich eins im Sitzen oder, wenn es aufstand und der Hund nicht hinterdrein fuhr, im Fluge zu schießen, wobei man sich aber sehr vor einem Fehlschusse zu hüten hatte. War das Huhn gefallen, so ließ man es sich bringen und sah streng darauf, daß er es nicht schüttelte oder zerbiß. Nach dem Schusse durfte er nie schwärmen, sondern wurde gleich herangerufen und mußte, bis der Jäger geladen hatte, ruhig neben ihm sitzen. Auf Hasen lehrte man ihn in ähnlicher Weise. Im Walde brachte man ihm zunächst bei, daß er sich nie weit von dem Schützen entfernen dürfe, und ging deshalb zuerst in buschreiche Orte, wo man ihn immer übersehen konnte. Zum Schluß endlich führte man ihn an das Wasser und ließ ihn hier zuerst in ganz seichtem Wasser apportiren und veranlaßte ihn, später immer tiefer und tiefer in dasselbe hineinzugehen; niemals aber durfte man einen jungen Hund in das Wasser werfen, weil er sonst leicht zu große Scheu davor bekam.

Gegenwärtig gehen wenigstens viele Lehrer des Jagdhundes von anderen Grundsätzen aus. Sie sehen in ihrem Zöglinge keinen Sklaven, sondern einen verständigen Gehülfen, und behandeln ihn darnach, und zwar von Jugend auf. Das Thier, lehrt Adolf Müller, muß nicht allein in einem stets reinlich gehaltenen, luftigen, weder zu warmen, noch zu kalten Stalle hausen, sondern auch frei sich bewegen können, frei von der Last und dem Drucke der Kette; denn nur der frei sich bewegende und entwickelnde Hund wird ein gesundes, gewandtes, vielseitiges und gehobenes Wesen. »Man bringe ihn freundlich an seine Seite, leite und unterrichte ihn als Freund, um ihn zu demjenigen Hausthiere heranzubilden, welches unseres Verkehrs am würdigsten ist, und jede Mühe, welche wir an seine Ausbildung verwenden, belohnt sich reichlich und nutzbringend.

Die erste Grundlage der Erziehung des Hundes bildet frühzeitige, unausgesetzte und freundliche Beschäftigung mit ihm. Schon bei seiner Geburt walte das aufmerksame Auge des Pflegers über dem kleinen Wesen; er unterstütze die Fürsorge der Mutter durch warmes und trockenes Betten der Jungen, helfe der Alten an Körperkraft auf durch gute und reichliche Nahrung, um so mittelbar die Ernährung der Jungen zu befördern. Gut genährt und von plagenden Schmarotzern gereinigt, entwächst das Hündchen gesund und kräftig den Säuglingswochen und tritt nunmehr in die Pflege seines Erziehers. Dieser beginnt in der achten oder neunten Woche die belehrende Beschäftigung mit dem jungen Schüler. Indem er den Kern aller Erziehung, welcher in dem Sprichworte: ›Jung gewohnt, alt gethan‹, liegt, vernünftig ausbeutet, sichert er sich fernerhin einen unfehlbaren Erfolg dadurch, daß er dem Schüler alles, auch das Schwierigste, spielend beibringt. Dem jungen Hunde Appell lehren oder beibringen, heißt nichts anderes, als ihn durch menschlichen Umgang vertraulich, willig und folgsam machen.

Nichts unsinnigeres kann erdacht werden als der alte Gebrauch der Schultyrannen. Man ließ den Hund dreiviertel oder ein Jahr in völliger Zügellosigkeit zu einem wahren Tölpel voller [624] Unarten heranwachsen, und nun brachte man ihn plötzlich in das Fachwerk einer Dressur hinein, deren Pedanterie und Schablonenmäßigkeit jedem einsichtsvollen Thierkundigen geradezu lächerlich erscheinen muß. Wer kennt nicht das kriechende Avanciren und abwechselnde ›Couche tout beau‹ vor dem Dressirbock, diesem Popanz der Hühnerhundschule, wer nicht das pedantische Lenken an langer Dressirleine im Felde nach der sogenannten Stubendressur, wo dem oft mit Korallen und Peitsche mishandelten Thiere die ›graue Theorie‹ so recht exemplarisch alle Lust zur Jagd, alle Anhänglichkeit und Liebe an den Herrn auf ewig austrieb? Solche Miserzieher sind auch die Urheber der traurigen Erscheinung verschlagener und handscheuer Hunde, dieser Armensünder des Prügelsystems, welche bei dem Pfiffe oder Rufe ihres Tyrannen zusammenschrecken und sich verkriechen, durch deren ganzes Leben sich sozusagen der brennende Faden der Furcht und des Zagens zieht! Dank der unverwüstlichen Natur unseres ebenso klugen als geduldigen Thieres gingen selbst aus dieser traurigsten aller Schulen zuweilen vortreffliche, brauchbare Hunde hervor; aber bei weitem die meisten wurden für ihr Leben verpfuscht, und viele talentvolle kamen nicht zur vollen Entwicklung ihrer Eigenthümlichkeiten.

Kehren wir dieser düsteren Knechtung den Rücken und beschauen wir uns die heitere Unterweisung auf menschwürdiger Grundlage. Durch häufigen Verkehr und dadurch, daß wir ihn selbst füttern, haben wir uns des kleinen Zöglings Zuneigung bereits in hohem Grade erworben. Wir haben ihn an Ruf und Pfiff und nach und nach auch an die Leine gewöhnt. Nun führen wir ihn, mit uns spazierend, ins Freie, anfangs nur kurze Strecken, allmählich weiter. Schon in der zwölften Woche kann eine fleißigere Lehre im Apportiren beginnen. Indem man schon frühe vor dem Hündchen spielend etwa einen Ball hinrollt, wird es eifrig darnach springen, ihn haschen, aufnehmen und dem freundlich es zu sich Lockenden auch bringen. In kurzem werden Wiederholungen dieser Spielübungen, welche den Schüler jedoch niemals ermüden, wohl aber beleben sollen, ihm zur Gewohnheit, welche er bei allmählich ernsterer, aber immer milder Behandlung, wie durch Belobungen und Schmeicheleien, stets lieber gewinnt. Auf dieser Grundlage baut man nun leicht weiter. Man beginnt alsdann die Lehre, das Verlorene und Versteckte zu suchen. Zuerst verbirgt man das vom Hunde Herbeizubringende vor seinen Augen, so daß er es sogleich auf den Zuspruch: ›Such verloren!‹ ohne Mühe hervorholen kann. Allmählich geht man weiter, und hat bei einem einigermaßen gelehrigen Thiere bald die Freude, außerordentlich schnelle Fortschritte zu bemerken. Nach jedem gelungenen Versuche belobt man den Hund oder reicht ihm zeitweise nach dem Zustandebringen besonders schwieriger Aufgaben einen Leckerbissen. Von entschiedenem Erfolge bei den Uebungen mit meinen Hühnerhunden war immer die Weise, daß ich einen mit Heu ausgestopften Kaninchenbalg, welchen ich bei dem Größerwerden des Hundes mit einem Hasen-und zuletzt mit einem beschwerten Fuchsbalge vertauschte, eine immer vergrößerte Strecke bis zu einem verborgenen Orte auf dem Boden hinschleifte und sodann den im Stalle oder an der Leine liegenden Hund mit dem beschriebenen Zurufe auf die Spur desselben hetzte. Alle meine Zöglinge begriffen, und zwar schon im ersten Vierteljahre ihres Lebens, nachdem sie erst einmal ohne Anstand apportirten, daß sie das Versteckte zu suchen und zu bringen hatten. Bei mehreren habe ich die Freude erlebt, daß sie weite Strecken nach dem Verlorenen zurückgingen; ja ich habe einen besonders begabten Hühnerhund herangezogen, welcher halbe Stunden Wegs weit dies immer willig und mit sicherem Erfolge that. Keine bessere Vorübung, eine Wildfährte zu verfolgen, das gefundene oder gefangene Wild oft von fernher herbeizubringen, gibt es für den Zögling als die beschriebene.

Jeder Hund wird bei der angedeuteten Behandlung ohne alle Gewaltmaßregeln alles das begreifen und willig lernen, was er überhaupt zu lernen fähig ist. Denn durch einseitiges kurzsichtiges Meistern wird alles das nur irre geleitet, ja unterdrückt und verdorben, was aus der Naturgabe des Hundes heraus sich in der Schule der Erfahrung mit den verschiedensten Zügen der Eigenthümlichkeit oft so überraschend entfaltet.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXVIII618-DCXXV625.
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