Stahlglanzstaar (Lamprocolius chalybaeus)

[399] In Nordostafrika lebt ziemlich häufig der Stahlglanzstaar, »Wordit« der Abessinier (Lamprocolius chalybaeus, Lamprotornis chalybaeus, abyssinicus und cyaniventris, Juida chalybaea). Seine Länge beträgt siebenundzwanzig, die Breite sechsundvierzig, die Fittiglänge [399] vierzehn, die Schwanzlänge neun Centimeter. Das Gefieder ist, mit Ausnahme eines schwach angedeuteten Fleckes in der Ohrgegend und der Deckfedern des Unterarmes, tief und dunkel stahlgrün, jede der Arm- und größten Oberflügeldeckfedern am Ende durch einen rundlichen sammetschwarzen Fleck geziert. Die Färbung zeigt einen wundervollen Glanz und Schimmer und schillert in verschiedener Beleuchtung in einer mit Worten kaum auszudrückenden Weise. Zwischen Männchen und Weibchen bemerkt man keinen Unterschied; die Jungen aber sind nur auf der Oberseite metallisch grün und auf der unteren dunkel bräunlichgrau, fast glanzlos.

Der Glanzstaar bewohnt die dichten Waldungen der Flußthäler wie die dünner bestandenen der Steppe oder des Gebirges von ganz Nordostafrika, kommt aber auch in Senegambien vor. Im abessinischen Hochlande steigt er, laut Heuglin, bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe empor. Er lebt gewöhnlich paarweise; nur nach der Brutzeit bildet er kleine Flüge. Diese treiben sich ebensowohl im dichtesten Gebüsche wie auf den über die Ebene zerstreuten Felsblöcken herum. Die Stahlglanzstaare sind munter und regsam, wie alle ihre Familienverwandten, halten sich viel auf dem Boden und in niederen Gebüschen, gegen Abend aber auch in höheren Bäumen auf. Der eigenthümliche Flug macht sie dem geübten Auge in jeder Entfernung kenntlich. Er entspricht so recht den sammetnen Flügeln, ist weich wie diese, zwar ziemlich leicht, aber nicht schnell, eher schleppend. Der Lauf ist sehr rasch, mehr sprung- als schrittweise, fördernd und rastlos. Ueber andere Begabungen läßt sich nicht viel rühmenswerthes sagen. Der Gesang ist kaum als solcher zu bezeichnen, weil nicht viel mehr als eine beständige Wiederholung des mißtönenden und kreischenden Locktones und dazwischen eingefügtes Knarren und Krächzen. Gleichwohl verzeiht man dem Vogel alle Mißklänge, welche er mit unvergleichlicher Ausdauer vernehmen läßt. Sein Wesen steht mit seinem prachtvollen Gefieder im Einklange. Klug, lebhaft und selbstbewußt, sogar gefallsüchtig pflegt er aufzutreten, hält sich stets sorgfältig rein, mischt sich nicht unter andere Vögel, nicht einmal gern unter seine Sippschaftsgenossen, ist, mit alleiniger Ausnahme der Mittagsstunden, ununterbrochen in Thätigkeit und sucht seine Eigenschaften und Begabungen jederzeit zur Geltung zu bringen. So erwirbt er sich auch dann noch die Theilnahme, wenn man von der Pracht des Gefieders absieht; diese Pracht aber ist so groß, daß man immer von neuem wieder zur Bewunderung hingerissen wird. Wenn man durch das Düster des Waldes geht, geschieht es wohl manchmal, daß plötzlich ein heller Schimmer in die Augen fällt, vergleichbar einem Sonnenstrahle, welcher von einer spiegelnden Metall- oder Glasfläche zurückgeworfen wird. Der Schimmer ist wirklich nichts anderes als der vom Gefieder abprallende Sonnenschein; denn wenn man den Glanzstaar aufgefunden hat, kann man gewahren, daß er bei günstiger Beleuchtung mit jeder Bewegung einen Sonnenstrahl zurückspiegelt. Gleich nach dem Tode verliert das Gefieder den größten Theil seiner Schönheit; seine volle Pracht zeigt es nur, so lange der Vogel lebt, so lange er sich in der glühenden afrikanischen Sonne bewegt.

Nach Heuglin fällt die Brutzeit in die Monate Juli bis September. Als Brutplätze werden meist Affenbrodbäume, Christusdornen und Akazien gewählt. Oft stehen sechs bis acht Nester auf einem und demselben Baume, je nach Umständen drei bis zehn Meter über dem Boden. Grobe, dürre, schwarze Reiser, unordentlich zusammengeschichtet, bilden den sehr umfangreichen Außenbau, Gras, Federn, Wolle und dergleichen die saubere Auskleidung der kleinen, tief im Inneren gelegenen Brutkammer. Die drei Eier sind etwa sechsundzwanzig Millimeter lang und auf heller oder dunkler bläulichgrünem Grunde mit einzelnen blaugrauen und violettbraunen Punkten und Flecken gezeichnet. Nach langjährigen Beobachtungen angefangenen Glanzstaaren muß ich bemerken, daß vorstehende Beschreibung nicht erschöpfend ist. Wahrscheinlich erbaut sich auch der Stahlglanzstaar nur im Nothfalle freistehende Nester, nistet vielmehr, ebenso wie andere seiner Sippe, regelmäßig in Baumhöhlungen, deren Inneres er in der geschilderten Weise auskleidet. Die Eier werden, wie es scheint, von beiden Eltern bebrütet, die Jungen vom Männchen wie vom Weibchen groß gefüttert. Sie entfliegen dem Neste in einem fast glanzlosen Federkleide, erhalten jedoch [400] die volle Pracht und allen Glanz des Alterskleides binnen wenigen Wochen, und zwar durch Verfärbung, nicht durch Mauser. Bei den abessinischen Sängern und Dichtern spielt der Stahlglanzstaar eine bedeutsame Rolle; denn ihm schreibt man, mehr den Eifer als die Schönheit des Liedes würdigend, die Erfindung des Gesanges zu.


Prachtglanzstaar (Notauges superbus). 5/8 natürl. Größe.
Prachtglanzstaar (Notauges superbus). 5/8 natürl. Größe.

Gleichwohl hält den Vogel in Nordostafrika niemand im Käfige. Er gelangt auch seltener als seine Verwandten lebend zu uns; doch habe ich ihn einige Male gepflegt und gefunden, daß er sich kaum von letzterwähnten unterscheidet. Wie dieser dauert er bei guter Pflege trefflich aus, schreitet auch, wenn man seine Lebensbedingungen erfüllt, zur Fortpflanzung. Ich habe zwar nicht von ihm, wohl aber von seinen Verwandten wiederholt Junge gezüchtet.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 399-401.
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