Schneidervogel (Orthotomus Bennettii)

[231] Der Schneidervogel (Orthotomus Bennettii, Lingoo, sphenurus, sutorius, ruficapillus, longicaudus, Sylvia ruficapilla und guzurata, Malurus longicaudus, Sutoria agilis) ist auf dem Mantel gelblich olivengrün, auf dem Scheitel rostroth, im Nacken grauröthlich, auf der Unterseite weiß, seitlich graulich verwaschen; die Schwingen sind olivenbraun, grünbräunlich gesäumt, die Steuerfedern braun, grünlich überflogen, die äußersten an der Spitze weiß. Bei dem Männchen verlängern sich die beiden Mittelfedern des Schwanzes über die anderen; beim Weibchen ist der Schwanz nur zugerundet. Die Länge beträgt siebzehn, beim Weibchen dreizehn, die Fittiglänge fünf, die Schwanzlänge neun, beim Weibchen fünf Centimeter.

[231] Vom Himalaya an bis zum Kap Comorin, auf Ceylon, Java, in Burma usw., fehlt der Schneidervogel nirgends, vorausgesetzt, daß die Gegend nicht gänzlich des Baumwuchses entbehrt.


Schneidervogel (Orthotomus Bennettii). 2/3 natürl. Größe.
Schneidervogel (Orthotomus Bennettii). 2/3 natürl. Größe.

Er bewohnt Gärten, Obstpflanzungen, Hecken, Rohrdickichte und Waldungen mit mittelhohen Bäumen, lebt gewöhnlich paarweise, zuweilen aber auch in kleinen Familien zusammen, hüpft ohne Unterlaß auf den Zweigen der Bäume und Gebüsche herum, läßt häufig einen lauten Ruf ertönen, welcher wie »Tuwi« oder »Pretti pretti« klingt, ist zutraulich und hält sich gern dicht bei den Häusern auf, wird aber vorsichtig, wenn er sich beobachtet, und scheu, wenn er sich verfolgt sieht. Seine Nahrung besteht aus verschiedenen Kerbthieren, vorzugsweise aus Ameisen, Cicaden, Raupen und anderen Larven, welche er von der Rinde und von den Blättern, nicht selten aber auch vom Boden aufnimmt. Beim Hüpfen oder beim Fressen pflegt er den Schwanz zu stelzen und das Gefieder seines Kopfes zu sträuben.

Nester, welche Hutton fand, waren sehr zierlich gebaut und bestanden aus Rohr- und Baumwolle, auch Bruchstücken von Wollenfäden, alle Stoffe fest in einander verwoben, mit Pferdehaaren dicht ausgefüttert, und wurden zwischen zwei Blättern eines Zweiges des Amaltusbaumes in der Schwebe [232] gehalten. Diese beiden Blätter waren zuerst der Länge nach auf einander gelegt und in dieser Lage von den Spitzen aus bis etwas über die Hälfte an den Seiten hinauf mit einem vom Vogel selbst aus roher Baumwolle gesponnenen starken Faden zusammengenäht, so daß der Eingang zum Neste am oberen Ende zwischen den Blattstielen frei blieb, gerade da, wo diese am Baumzweige hafteten. Ein anderes Nest hing an der Spitze eines Zweiges, etwa sechzig Centimeter über dem Boden, und war aus denselben Stoffen wie das vorige gearbeitet. Die Blätter waren hier und da mit Fäden, welche der Vogel selbst gesponnen, hier und da mit dünnen Bindfaden, welchen er aufgelesen hatte, zusammengenäht. Alle übrigen Nester, welche Hutton untersuchte, glichen den beschriebenen, bestanden aus Baum- und Schafwolle, Roßhaaren und Pflanzenfasern verschiedener Art, hatten die Gestalt eines Beutels und füllten stets das Innere zusammengenähter Blätter aus. Nicholson, welcher in bewässerten Gärten zu allen Zeiten des Jahres belegte Nester fand, glaubt, daß die Blätter der Bringal (Solanum esculentum) oder die einer Kürbisart (Cucurbita octangularis) bevorzugt werden. Mit Hülfe des Schnabels und der Füße schiebt der Vogel die Blattränder gegen- oder übereinander, durchsticht sie dann mit dem Schnabel, in welchem er einen selbstgedrehten oder aufgefundenen Faden hält, bis sie in ihrer Lage verbleiben, und baut endlich das Innere aus. Das Gelege besteht aus drei bis vier Eiern, welche auf weißem Grunde, namentlich am dünneren Ende, braunröthlich gefleckt sind.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 231-233.
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