Maskenwebervogel (Hyphantornis abyssinica)

[362] Der Masken- oder Larvenwebervogel (Hyphantornis abyssinica, larvata und flavoviridis, Loxia abyssinica, Ploceus larvatus und flavoviridis, Textor flavoviridis) ist merklich größer als der Goldweber. Seine Länge beträgt einhundertundsiebzig, die Breite zweihundertundachtzig, die Fittiglänge neunzig, die Schwanzlänge fünfundfunfzig Millimeter. Vorderkopf und Kehle sind schwarz, auf dem Hinterkopfe in Rothbraun übergehend, Nacken, Hinterhals und Unterseite hochgelb, zwei Schulterflecken wiederum schwarz, die dunkel olivenbraunen Schwingen außen schmal oliven-, innen breit schwefelgelb gesäumt, Armschwingen und Schulterfedern lebhaft gelb umrandet, die matt olivengelbbräunlichen Steuerfedern innen breit gelb gesäumt. Der Augenring ist karminroth, der Schnabel schwarz, der Fuß röthlich hornfarben. Im Winterkleide gleicht das Männchen dem oberseits auf olivengrünem Grunde durch dunkle Schaftstriche gezeichneten, auf der Braue, den Kopfseiten und Untertheilen gelben Weibchen, zeigt auch wie dieses eine breite, durch die gelben Endränder der größten Oberflügeldeckfedern gebildete Flügelquerbinde.

Die Webervögel vereinigen gewissermaßen die Eigenschaften verschiedener Finken in sich. Dies spricht sich in ihrem ganzen Wesen aus. Nur die unter allen Umständen sich gleichbleibende Geselligkeit ist ihnen eigenthümlich. Morgens und abends erscheinen sie scharenweise auf gewissen Bäumen, während der Brutzeit selbstverständlich auf denen, welche die Nester tragen. Die Männchen sitzen auf der Spitze der höchsten Zweige und singen. Der Gesang ist keineswegs schön, aber im höchsten Grade gemüthlich. Es spinnt, schnalzt und schnarrt und pfeift durch einander, daß man gar nicht daraus klug werden kann. Die Weibchen setzen sich neben die Männchen und hören deren Liedern mit wahrer Begeisterung zu. So treibt es die Gesellschaft bis ein paar Stunden nach Sonnenaufgang; dann geht sie auf Nahrung aus. In den Mittagsstunden sammeln sich verschiedene Flüge, manchmal tausende, in Gebüschen um Lachen oder in solchen, welche an einer seichten Stelle des Stromes stehen, schreien und lärmen in ihnen nach Art unserer Sperlinge und stürzen plötzlich alle zusammen auf einmal an das Wasser, nehmen hier einen Schluck und eilen so schnell als möglich wieder in das Gebüsch zurück. Zu diesem eiligen Trinken haben sie ihre guten Gründe; denn ihre Hauptfeinde, die Sperber und die kleinen Falken, lauern über den Bäumen auf sie und stoßen pfeilschnell unter sie, sowie sie das sichere Gebüsch verlassen. Gewöhnlich verweilt eine Webervogelschar stundenlang an einer und derselben Stelle, und während dieser Zeit fliegt sie vielleicht zehn- oder zwanzigmal an das Wasser hinab. Nachmittags geht es wieder zum Futtersuchen, und abends vereinigt sich die Schar auf demselben Baume wie am Morgen, um dasselbe Lied zu singen. [362] Die Mauser, welche im Ostsudân in den Monaten Juli bis August stattfindet, vereinigt noch größere Scharen als gewöhnlich, und diese streifen nun längere Zeit miteinander umher.


Gold- und Maskenwebervogel (Hyphantornis galbula und abyssinica). 3/4 natürl. Größe.
Gold- und Maskenwebervogel (Hyphantornis galbula und abyssinica). 3/4 natürl. Größe.

In den Urwäldern am Blauen Flusse wurden die er sten Nester mit Beginn der Regenzeit angelegt, und schon im August fand ich die Eier. In den Bogosländern dagegen brüteten die Webervögel im März und April. Die meisten Arten nisten mindestens zweimal im Jahre, immer im Frühlinge ihrer Heimat. Beim Aufbaue des Nestes wird zuerst aus langen Grashalmen ein Gerippe gefertigt und an die äußerste Spitze langer biegsamen Zweige befestigt. Man erkennt in ihm die Gestalt des Nestes bereits deutlich; doch ist dasselbe noch überall durchsichtig. Nun wird es weiter ausgebaut und namentlich an den Wänden mit großer Sorgfalt verdichtet. Die ersten Halme werden von oben nach unten gezogen, um so ein möglichst wasserdichtes Dach herzustellen, die später verwandten auch quer durch das Gerippe gestickt. Auf der einen Seite, gewöhnlich nach Süden hin, bleibt das kreisrunde Eingangsloch offen. Das Nest gleicht jetzt seiner Gestalt nach einem stumpfen Kegel, welcher auf eine Halbkugel gesetzt ist. Noch ist es jedoch nicht vollendet; es wird nun zunächst die Eingangsröhre angefertigt. Diese heftet sich an das Schlupfloch an, läuft an der ganzen Wandung herab und wird mit ihr fest verbunden. An ihrem unteren Ende befindet sich das Einflugloch. Ganz zuletzt erst wird auch das Innere vollends ausgebaut und mit einer Unterlage von äußerst feinen Grashalmen ausgefüttert. Erscheint dem Männchen, welches der alleinige Baumeister des Nestes ist, ein Zweig nicht haltbar genug, so verbindet es zunächst deren zwei durch eine Brücke, welche dann zur Ansatzstelle der schaukelnden Wiege dient. [363] Wenn erst das Rippenwerk hergestellt ist, schreitet die Arbeit sehr rasch fort, so schwierig es dem Vogel zuletzt auch wird, noch einen Halm mehr zwischen die bereits verbauten einzuschieben. Nachdem das Nest vollendet ist, schlüpft das Weibchen aus und ein, um innen nachzubessern, wo es nöthig scheint. Unmittelbar darauf, manchmal schon, ehe das Nest vollendet ist, beginnt es zu legen. Das Männchen baut währenddem, selbst wenn das Weibchen bereits brütet, noch eifrig fort. So lange es arbeitet, befindet es sich in größter Aufregung, nimmt die wunderbarsten Stellungen an, bewegt zitternd die Flügel und singt ohne Ende. Ist das Nest endlich vollendet, so nimmt es ein zweites in Angriff, zerstört vielleicht auch dieses wieder, um mit den Baustoffen ein drittes zu errichten, ohne das eine wie das andere zu benutzen.

Das Gelege besteht aus drei bis fünf Eiern von zwanzig bis fünfundzwanzig Millimeter Länge und dreizehn bis sechzehn Millimeter Dicke, welche auf grünem Grunde braun gefleckt sind. In manchen, den geschilderten ganz gleichen Nestern, fand ich jedoch Eier, welche der Größe nach den eben beschriebenen zwar gleich waren, anstatt der grünen aber eine weiße Grundfarbe zeigten. Auch Heuglin gibt an, daß die Webervögeleier von Weiß durch Röthlich zu Grün abändern. Das Weibchen brütet allein, übernimmt auch alle Elternsorgen. Nach vierzehntägiger Bebrütung entschlüpfen die Jungen; drei Wochen später sind sie ausgeflogen, kehren anfänglich aber unter Führung der Mutter immer wieder ins Nest zurück, bis sie endlich Selbständigkeit erlangt haben. Der Vater bekümmert sich nicht um sie.

Es ist ein hübsches Schauspiel, Webervögel am Neste zu beobachten. Ihre Regsamkeit ist, wenn die Weibchen brüten und noch mehr, wenn die Jungen heranwachsen, ungemein groß. Von Minute zu Minute beinahe kommt das Weibchen angeflogen, hängt sich unten an das Nest an und steckt den Kopf durch den Eingang, um die hungrige Brut zu atzen, ohne eigentlich ins Nest einzutreten. Da nun ein Nest dicht neben dem anderen hängt, gleicht der ganze Baum wirklich einem Bienenstocke. Fortwährend kommen einige, fortwährend fliegen andere wieder dahin.

Im Käfige halten sich alle Webervögel vortrefflich, schreiten auch, wenn man sie gesellschaftsweise in einen größeren Raum bringt und mit geeigneten Baustoffen versieht, regelmäßig zur Fortpflanzung. Wie sie leben und sich gebaren, wie man sie pflegt und unterstützt, habe ich in den »Gefangenen Vögeln« ausführlich geschildert.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 362-364.
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