Viehweber (Textor Dinemelli)

[364] Eine zweite Art der Sippe, der Viehweber (Textor Dinemelli, Alecto Dinemelli, Dinemellia leucocephala), ist merklich kleiner, nur zwanzig Centimeter lang. Kopf und Unterseite sind weiß, der Mantel, die Schwingen und der Schwanz chokoladebraun, alle Federn lichter gesäumt, ein kleiner Fleck am Flügelbuge, der Bürzel und die Schwanzdecken aber scharlachroth, die Zügel endlich schwarz. Der Schnabel ist unrein schwarzblau, der Fuß dunkelblau.


Vieh- und Alektoweber (Textor Dinemelli und alecto). 1/2 natürl. Größe.
Vieh- und Alektoweber (Textor Dinemelli und alecto). 1/2 natürl. Größe.

Der Alektovogel bewohnt ganz Mittelafrika, der Viehweber das Innere des Erdtheils und Habesch. Ersterer wird in Süd- und Ostafrika durch nahe Verwandte, den Büffel- und Mittelweber, vertreten, deren [364] ich aus dem Grunde Erwähnung thun muß, als sich die nachstehende Lebensbeschreibung zum Theil auf sie bezieht. Die Viehweber zählen zu den auffallendsten Mitgliedern ihrer Familie. Sie verleugnen die Sitten und Gewohnheiten der Verwandten nicht, erinnern jedoch in mehr als einer Hinsicht an die Drosseln; sie sind Webervögel, ihre Nester aber haben mit denen unserer Elster mehr Aehnlichkeit als mit den zierlichen Bauten, welche ihre Verwandten aufführen. Alle Arten leben vorzugsweise auf Viehweiden, am liebsten in der Nähe von Herden, meist in Gesellschaft von Glanzstaaren und Madenhackern. Vom Büffelweber sagt A. Smith folgendes: »Erst als wir nördlich über den fünfundzwanzigsten Grad südlicher Breite gelangt waren, trafen wir diesen Vogel, und wie die Eingeborenen versichern, kommt er auch selten weiter südlich vor, aus dem einfachen Grunde, weil dort die Büffel seltener sind. Wo wir ihn antrafen, fanden wir ihn stets in Gesellschaft der Büffel, auf deren Rücken er saß, und zwischen denen er umherflog. Er hüpfte auf den Thieren herum, als [365] ob er ein Madenhacker wäre, und bekümmerte sich nur um seine Nahrung, welche vorzugsweise aus den Zecken bestand, die sich an die Büffel festgesetzt hatten. Dies lehrte uns die Eröffnung ihrer Magen zur Genüge. Auf den Boden kamen sie, um den Koth der Büffel zu durchsuchen. Nächst dem Dienste, welchen sie den Büffeln durch Ablesen gedachter Schmarotzer erweisen, nützen sie noch dadurch, daß sie ihre Freunde warnen, wenn irgend etwas verdächtiges sich zeigt. Dann erheben alle Büffel die Köpfe und entfliehen. Die Büffelweber besuchen nur Büffel, und diese haben keinen anderen Wächter, während die Madenhacker dem Nashorn gehören.« Den Alektovogel habe ich zwar nicht auf den Büffeln beobachtet, zweifle jedoch nicht, daß auch er dem Herdenvieh Ostsudâns unter Umständen die gleichen Dienste leistet. Er gehört übrigens nicht unter die häufigen Vögel des Landes. Ich habe ihn erst südlich des sechzehnten Grades der nördlichen Breite und nicht oft gefunden. Wo er vorkommt, bildet er Gesellschaften; einzeln sieht man ihn nicht. Die Trupps sind nicht so zahlreich wie die der Edelweber, immerhin aber noch ziemlich stark, wie man am besten nach der Anzahl der Nester einer Ansiedelung schließen kann. Ich zählte auf einzelnen Bäumen drei, sechs, dreizehn und achtzehn solcher Nester. Es gehört aber auch schon ein ziemlich großer Baum dazu, um so viel dieser sonderbaren Gebäude zu tragen. Jedes Nest ist nämlich ein für die Größe des Vogels ungeheurer Bau von mindestens einem Meter im Durchmesser. Es besteht aus Reisern und Zweigen, zumal aus denen der Garat-Mimose, welche trotz ihrer Dornen benutzt werden. Diese Zweige legt und flicht der Vogel zu Astgabeln, aber so wirr unter einander und so unordentlich zusammen, daß man beinahe bis in das Innere der Nestkammer blicken kann. Von außen sieht das Nest kratzborstig aus. Ein Eingang führt in das Innere. Er ist im Anfange so groß, daß man bequem mit der Faust eindringen kann, verengert sich aber mehr und mehr und geht endlich in einen Gang über, welcher gerade für den Vogel passend ist. Der innere Theil des Nestes ist mit feinen Würzelchen und mit Gras ausgefüllt. Heuglin gibt an, daß die Nester zuweilen noch viel größer seien, nämlich zwei bis drei Meter Länge und einen bis anderthalb Meter Breite und Höhe erreichen können. In einem solchen Haufen sind dann drei bis acht Nester angelegt; jedes einzelne ist in der beschriebenen Weise mit feinem Grase und Federn ausgefüttert und enthält drei bis vier, sechsundzwanzig Millimeter lange, zwanzig Millimeter dicke, sehr feinschalige Eier, welche auf weißlichem Grunde mit größeren und kleineren, grauen und leberbraunen Punkten und Flecken gezeichnet sind. Ein solcher Nestbaum wird nun zu gewissen Zeiten des Jahres von einer überaus lärmenden Gesellschaft bewohnt. In der Nähe Chartums beobachtete ich, daß der schwarze Weber zu Anfange der Regenzeit, also zu Ende des August, brütet. In der Samhara nistet er im April. Ich weiß nicht, ob die Viehweber während der übrigen Zeit des Jahres ebensoviel Lärm verursachen wie während der Brutzeit. Die Ansiedelungen, welche ich kennen lernte, machten sich schon von weitem durch das Geschrei der Vögel bemerklich. Die Stimme ist sehr laut und verschiedenartig. Während weniger Minuten, welche ich unter einem Baume verweilte, schrieb ich mir folgende Laute nieder: Eines der Männchen begann: »Ti, ti, terr, terr, terr, zerr, zäh«, das andere antwortete: »Gai, gai, zäh«, ein drittes ließ den Ton »Guik, guik, guk, guk, gäh« vernehmen. Andere schrieen: »Gü, gü, gü, gü, gäh«, und einige spannen nach Kräften. Es ging zu, wie bei einem Bienenschwarme. Die einen kamen, die anderen gingen, und es schien beinahe, als hätten sich fast noch alle ausgeflogenen Jungen auf dem Baume versammelt; denn mit den wenigen Nestern stimmte die erhebliche Menge der Vögel nicht überein.

Der Alektovogel klettert meisterhaft, läuft rasch und behend und fliegt leicht, viel schwebend, jedoch ziemlich langsam und mit auffallend hochgetragenen Fittigen dahin. Sein Wesen ist friedfertig, sein Hang zur Geselligkeit nicht geringer als bei seinen Verwandten. Im Käfige verträgt er sich mit allen Vögeln, welche ihn nicht behelligen, dauert bei einfacher Nahrung trefflich aus und schreitet unter geeigneter Pflege ebenfalls zur Fortpflanzung.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 364-366.
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