Rothkopfwürger (Lanius senator)

[489] Die vierte Würgerart, welche in Deutschland vorkommt, ist der Rothkopfwürger, Rothkopf, Rostnackenwürger, Pomeraner, Waldkater oder Waldkatze (Lanius senator, auricularis, pomeranus, rutilus, ruficeps, ruficollis, rutilans, badius und melanotus, Phoneus und Enneoctonus rufus). Seine Länge beträgt neunzehn, die Breite neunundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge acht Centimeter. Stirn und Vorderkopf, ein breiter Zügelstreifen, welcher sich als Seitenhalsstreifen fortsetzt, Mantel, Flügel und Schwanz sind schwarz, Oberkopf und Nacken rostrothbraun, ein Fleck an der Stirnseite, ein kleiner hinter dem Auge, die Schultern, der Bürzel und die oberen Schwanzdecken, alle Untertheile, die Handschwingen an der Wurzel, die Armschwingen und Handdecken am Ende, die äußeren vier Schwanzfederpaare im Wurzeldrittel und am Ende weiß. Beim Weibchen sind Kopf und Hinterhals matter rostbraun, Unterrücken und Bürzel grau, die Untertheile gilblich, schwach dunkler quer gewellt. Der junge Vogel zeigt auf braungrauem Grunde schwärzliche Mondfleckchen; die Flügel und der Schwanz sind braun. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel blauschwarz, der Fuß dunkelgrau.

In Deutschland kommt der Rothkopf in einigen Gegenden, so in Thüringen, dem Rheinthale, der Mark, in Mecklenburg, Holstein einzeln, in Südwestdeutschland häufiger vor, fehlt dagegen in anderen Ländern und Provinzen gänzlich. Nach Osten hin erstreckt sich sein Verbreitungsgebiet kaum über Deutschland hinaus, und auch im Südosten des österreichisch-ungarischen Kaiserstaates ist er selten, in Südeuropa, namentlich in Spanien und Griechenland, ebenso in Kleinasien, Syrien und Palästina dagegen der gemeinste aller Würger. Hinsichtlich seines Aufenthaltes scheint er weniger wählerisch zu sein als andere Arten der Familie, siedelt sich daher aller Orten an, mitten im Walde ebensowohl als unmittelbar hinter den Häusern eines Dorfes, in Gärten usw. Er kommt bei uns kaum vor der Mitte des Mai an und verläßt uns in der ersten Hälfte des September wieder; in Spanien wie in Griechenland trifft er fast einen Monat früher ein, verweilt auch einige Tage länger. Seine Winterreise dehnt er bis in die großen Waldungen Mittelafrikas aus; hier ist er während und kurz nach der Regenzeit außerordentlich häufig.

In seinem Betragen und Wesen hat er die größte Aehnlichkeit mit dem Dorndreher, scheint aber minder räuberisch zu sein, obgleich er ebensowenig als jener kleine Wirbelthiere verschmäht oder unbehelligt läßt. Kerbthiere bilden seine Hauptnahrung, Wirbelthiere verschont er jedoch, wenn sich ihm eine passende Gelegenheit zum Fange bietet, keineswegs, und Nester plündert er nicht minder grausam wie sein Verwandter. Auch er zählt zu den Spottvögeln, welcher die Stimmen der um ihn wohnenden Vögel auf das täuschendste nachahmt, in der sonderbarsten Weise vermischt und so [489] ein Tonstück zusammendichtet, welches einzelne Liebhaber entzückt. Deshalb wird auch er ziemlich häufig im Käfige gehalten und je nach seiner größeren oder geringeren Nachahmungsgabe mehr oder minder geschätzt.

Das Nest steht auf mittelhohen Bäumen, ist äußerlich aus dürren Stengeln und grünen Pflanzentheilen, zarten Wurzeln, Baummoosen und Flechten zusammengebaut, inwendig mit einzelnen Federn, Borsten, Wolle und anderen Thierhaaren ausgefüttert und enthält im Mai fünf bis sechs, etwa dreiundzwanzig Millimeter lange, siebzehn Millimeter dicke Eier, welche auf grünlichweißem Grunde mit aschgrauen oder bräunlichen, am stumpfen Ende auch wohl ölbraunen Punkten und Flecken gezeichnet sind.


Rothkopfwürger, Maskenwürger (Lanius senator und nubicus) und Tschagra (Telephonus erythropterus). 1/2 natürl. Größe.
Rothkopfwürger, Maskenwürger (Lanius senator und nubicus) und Tschagra (Telephonus erythropterus). 1/2 natürl. Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 489-490.
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