Purpurschwarzvogel (Calcophanes quiscalus)

[387] Der Purpurschwarzvogel oder Bootschwanz, auch Purpurgrakel genannt (Calcophanes quiscalus, Gracula quiscala, Oriolus ludovicianus und hudsonius, Sturnus quiscalus, Quiscala nitens und purpurea, Quiscalus purpureus und versicolor), mag uns über die Lebensweise genauer unterrichten. Seine Länge beträgt einunddreißig, die Breite vierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge zwölf Centimeter. Kopf, Hals und Unterseite sind schwarz, glänzend und tief purpurveilchenfarben oder kupferbraun schimmernd, die Untertheile durch stahlgrüne Flecke, alle Federn des Mantels und der Schultern durch einen von dem matt schwarzgrünen Grunde sich abhebenden, regenbogenartig schimmernden Querstrich geziert, Bürzel und obere Schwanzdeckfedern bronzefarben, die längsten purpurviolett, die Außenfahnen der Schwingen und Schwanzfedern stahlviolettblau schillernd. Der Augenring ist schwefelgelb, der Schnabel wie der Fuß schwarz.

Der Bootschwanz verbreitet sich über die östlichen Theile der Vereinigten Staaten, nördlich bis Neuschottland, westlich bis zu den Alleghanies, und bewohnt ausschließlich sumpfige Gegenden. Er lebt zu allen Zeiten des Jahres gesellig, schlägt sich oft in sehr große Scharen zusammen und schwärmt in den salzigen Marschen und an den schlammigen Küsten seiner Heimat umher.


Bootschwanz (Calcophanes quiscalus). 3/5 natürl. Größe.
Bootschwanz (Calcophanes quiscalus). 3/5 natürl. Größe.

Seine Hauptnahrung besteht aus kleinen Krabben und Würmern. Kerbthiere verschmäht er selbstverständlich ebensowenig als andere seiner Verwandten, und zur Zeit der Frucht- oder Getreidereife erscheint auch er in den Pflanzungen. In den Reisfeldern soll er empfindlichen Schaden anrichten.

Im Anfange des Februar haben die Männchen ihr Hochzeitskleid angelegt und sich gepaart. Jetzt sieht man sie einzeln auf hohen Bäumen sitzen und hier ihre ganze Pracht entfalten. Sie brüsten sich gewissermaßen in ihrer Schönheit und glitzern auf weithin im Strahle der Sonne. Gegen andere ihrer Art zeigen sie sich eifersüchtig, jedoch nur so lange, als ihre Ehe noch nicht geschlossen [388] ist. Sobald sich die Paare geeinigt haben, endet der Streit, und die vollste Eintracht tritt an dessen Stelle. Sie wählen jetzt längs der Küsten oder Stromufer, auch wohl in den Sümpfen, einen geeigneten Platz zur Anlage ihres Nestes, welches im wesentlichen dem anderer Stärlinge ähnelt. Das Weibchen legt vier bis fünf Eier, welche einunddreißig Millimeter lang, dreiundzwanzig Millimeter dick und auf graulichweißem Grunde unregelmäßig mit braunen und schwarzen Punkten bedeckt sind. Die Jungen werden von beiden Eltern groß gezogen und mit allerlei Futter ernährt. So scheuen sich die Alten keineswegs, andere Vogelnester auszuplündern und deren Eier oder Jungen zu verzehren und bezüglich zu verfüttern. Sie ihrerseits sollen aber auch ihre Feinde haben. »Wenn der Bootschwanz«, erzählt Audubon, »in dem hohen Rohre der offenen Baien und Seen Louisianas und Floridas brütet, zieht das Geschrei der Jungen oft die Aufmerksamkeit des Alligators auf sich, welcher dann, in Anbetracht des vortrefflichen Bissens, leise im Rohre dahin schwimmt und plötzlich dem betreffenden Stengel einen Schlag mit dem Schwanze gibt, in der Absicht, die unvorsichtigen Jungen aus dem Neste zu schleudern. Die, welche ins Wasser fallen, werden augenblicklich verschlungen. Doch gelingen dem Kaiman selten mehr als einer oder zwei seiner Angriffe, weil die Alten bald sehr vorsichtig werden und die Jungen rechtzeitig warnen.« Ich will ausdrücklich bemerken, daß ich die Wahrheit dieser Erzählung entschieden bezweifele.

Der Bootschwanz ist ein sehr gewandter Vogel. Im Rohre klettert er mit Leichtigkeit auf und nieder, und auf dem Boden bewegt er sich mit der Zierlichkeit des Staares und der Fertigkeit der Krähe. Der Flug beschreibt lange Wellenlinien. Die Stimme ist nicht rühmenswerth; der Lockton ein schrillendes »Krikkrikri«, der Gesang der Liebe ein einfaches »Tiriri« usw., welches von den höchsten Zweigen herab mit großer Ausdauer und viel Selbstgefühl vorgetragen wird. Im Herbste und Winter vereinigen sich die Bootschwänze oft mit verwandten Vögeln und zuweilen auch mit unverwandten wie mit kleinen Reihern und dergleichen. Raubvögel verfolgen sie mit demselben Eifer und Ingrimme wie die Krähen die unserigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 387-389.
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