Kichertaube (Turtur intercedens)

[648] Das Vaterland der Lachtaube ist Ostafrika und Südarabien; hier wie dort, insbesondere aber in Steppenwaldungen, habe ich sie häufig, zuweilen in unschätzbarer Menge, beobachtet. Eine Verwechselung mit anderen Tauben brauche ich nicht zu fürchten, da ich viele in Afrika erlegte Lachtauben in der Heimat auf das sorgfältigste mit anderen verglichen und gefunden habe, daß sie sich von unseren zahmen nicht im geringsten unterscheiden. Wohl aber weicht diejenige Art, welche die Lachtaube in Indien, Syrien und der Türkei vertritt und Kichertaube (Turtur intercedens, Peristera und Streptopeleia intercedens) genannt werden mag, durch ihre graublauen Unterschwanzdeckfedern von jener ab.

Nach meinen Erfahrungen bewohnt die Lachtaube mit Vorliebe dürre, wüstenartige Steppengegenden. Sie ist schon von Mittelnubien an nach Süden hin häufig und wird im Inneren Afrikas zur gemeinsten Art der ganzen Ordnung. Bei einem Ritte durch die Samchara oder durch irgend eine Steppe des Inneren tönt das Lachen und Girren dieser Tauben beinahe von jedem Busche herab. Zu gewissen Zeiten des Jahres, gegen Anfang der Dürre hin, sammeln sie sich in manchen Waldungen zu wirklich unschätzbaren Massen. Man kann Züge gewahren, welche, wenn auch nicht [648] stundenlang, so doch viele Minuten hinter einander in dichtem Gewimmel dahinfliegen oder, wenn sie sich niederlassen, buchstäblich mehrere Geviertkilometer bedecken. Ich erinnere mich an Tage, wo mir die Lachtauben überaus lästig wurden, weil sie mir die Jagd fast vereitelten, indem sie mich von allen Seiten umgaben und die Beobachtung anderer, seltenerer Thiere wesentlich beeinträchtigten. Solche Heere scheinen, wahrscheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, wochenlang gemeinschaftlich in der Steppe umherzuschweifen, und sie kommen an manchen Wasserplätzen in den Vormittagsstunden und gegen Abend zu Millionen an, wenn auch nicht sämmtlich auf einmal, so doch stundenlang in ununterbrochener Folge.


Lachtaube (Turtur risorius) und Zwergtaube (Chalcopeleia afra). 1/3 natürl. Größe.
Lachtaube (Turtur risorius) und Zwergtaube (Chalcopeleia afra). 1/3 natürl. Größe.

Während des übrigen Jahres sieht man die Lachtaube paarweise oder in kleinen Familien. In der Samchara bemerkte ich auf jedem Busche zwei bis drei Paare, und wenn das eine Paar aufflog und sich einem anderen Busche zuwandte, fand es diesen sicherlich schon besetzt. Dem Kropfe der von mir erlegten entnahm ich die verschiedensten Sämereien; es war mir aber oft unbegreiflich, wie die Menge der Tauben genügende Nahrung finden konnte. Freilich pickten sie emsig auch an solchen Stellen etwas auf, wo wir beim schärfsten Suchen nichts entdecken konnten.

[649] Die Stimme ähnelt dem Girren der Turtel, wird aber regelmäßig von Lauten begleitet, welche man mit Gelächter verglichen hat, weil sie wie »Hi hi hi hi« klingen. Daß jener Vergleich, wie jeder andere, hinkt, braucht nicht erwähnt zu werden: den erwähnten Lauten fehlt das Helle, Offene des Lachens; sie klingen dumpf, hohl und keinesweges fröhlich, deshalb aber doch nicht unangenehm.

In Nordostafrika beginnt die Fortpflanzung kurz vor Eintritt der ersten Regen und endet mit den letzten. Das Betragen der verliebten Lachtauben unterscheidet sich wenig von dem anderer Arten. Der Tauber krümmt den Rücken und sträubt dessen Gefieder, bückt sich tief, richtet sich darauf wieder plötzlich auf, ruckst, »lacht«, springt von einem Beine auf das andere oder mit beiden gleichzeitig vom Aste empor, bläst die Kehle auf usw., und die Taube bemüht sich, ihm möglichst gefällig zu sein. Das Nest ist ein ebenso liederlicher Bau wie bei den verwandten Arten. Die Eier und Jungen werden warm geliebt und zärtlich behandelt.

Im Sudân bekümmert sich der Mensch wenig um die Tauben, und niemand fängt sie; es muß aber sehr leicht sein, sich ihrer zu bemächtigen: denn ich erhielt an der abessinischen Küste so viele, als ich eben wollte. Sie gewöhnt sich bald an einen engen Käfig und pflanzt sich hier noch leichter fort als die Turteltaube, paart sich auch mit letzterer und erzeugt mit ihr Blendlinge, welche mit einer der Stammarten, vielleicht auch unter sich, wiederum fruchtbar sind. »Ein Paar Lachtauben«, erzählt König-Warthausen, »suchte in meinem Gesellschaftsbauer einen der Natur möglichst entsprechenden Nistplatz und baute sein stets wieder benutztes Nest auf einem Tannenbusche. Ein anderes hingegen heckt immer an der Erde, obgleich es nicht hier geboren ist, während gerade jene durch ihren früheren Aufenthalt genöthigt waren, am Boden zu brüten. Auch im Zimmer tragen sie die Eierschalen möglichst weit vom Neste weg. Ein Paar hat die Gewohnheit, bei jeder Brut, sobald das zweite Ei gelegt ist, das erste Ei aus dem Neste zu werfen und unter den Rand desselben zu scharren. Sonderbar sieht es aus, wenn oft beide Alte zugleich auf dem einen Jungen sitzen. Das Männchen löst das Weibchen morgens zehn Uhr und nachmittags zwischen zwei und drei auf einige Zeit vom Brüten ab. In meinem Gesellschaftsbauer finden sich fast immer einige ledige Tauben; allein keine will sich mit einem schon seit drei Jahren zu diesem Zwecke gehalten Turteltauber verbinden. Im Gegensatze hierzu vereinigte sich vor längerer Zeit in Ludwigsburg eine männliche Lachtaube mit einem Rebhuhne. Dieses legte auch wirklich Eier, allein sie waren unbefruchtet, wenigstens wurden, trotz eifriger Bebrütung, keine Jungen ausgebracht.« Fürer beobachtete an seinen gefangenen, daß die Taube das erste Ei abends zwischen sechs und sieben Uhr legt, am folgenden Tage ruht, am dritten nachmittags zwischen zwei und drei Uhr das zweite Ei legt und dann mit dem Brüten beginnt. Zuweilen brütet der Tauber mit der Taube zugleich. Vierzehn Tage nach dem Legen kommen die Jungen aus. Sie sind mit wenigen weißlichen Dunen bekleidet; schon am dritten Tage aber brechen die ersten Kiele hervor, und öffnen sich die Augen. Nach acht Tagen erhalten die Jungen bereits harte Sämereien; am sechzehnten oder achtzehnten Tage sind sie flügge; nach vier Wochen fressen sie allein; in der siebenten oder achten Woche beginnt die Mauser. Wenn man sich viel mit ihnen beschäftigt, werden sie sehr zahm, gewöhnen sich auch leicht aus- und einzufliegen. In dem schönen Garten des Lustschlosses Miramar bei Triest leben ihrer viele ebenso frei wie unsere Feldflüchter. Bei guter Pflege dauern sie sogar im engen Käfige funfzehn bis zwanzig Jahre aus.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 648-650.
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