Straußkukuk (Coccystes glandarius)

[227] Der Straußkukuk, wie wir ihn nennen wollen (Coccystes glandarius, Cuculus glandarius, macrurus, piranus, phaiopterus, gracilis und Andalusiae, Oxylophus und Edolius glandarius), ist auf dem Kopfe aschgrau, auf dem Rücken graubraun, auf der Unterseite graulichweiß; Kehle, Seitenhals und Vorderbrust sind röthlichfahlgelb; die Flügeldeckfedern und die Armschwingen enden mit großen, breiten, dreieckigen, weißen Flecken. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel purpurhornfarben, unten lichter, der Fuß graugrünlich. Die Länge beträgt ungefähr 40, die Fittiglänge 21, die Schwanzlänge 22,5 Centimeter. Genauere Maße kann ich leider nicht geben, obgleich ich mehrere Paare sorgfältig gemessen habe.

[227] Als das eigentliche Vaterland des Straußkukuks ist Afrika anzusehen. In Egypten und Nubien ist er stellenweise häufig, in dem benachbarten Arabien und Palästina wenigstens nicht selten, in Persien in einzelnen Jahren überaus zahlreich, in anderen auffallend spärlich vertreten, in Algerien findet er sich ebenfalls, und von hier aus streift er mehr oder weniger regelmäßig nach Europa herüber. In Spanien ist er Brutvogel, in Griechenland scheint er seltener und nach den bisherigen Beobachtungen nur zufällig vorzukommen, in Italien hat man ihn ebenfalls öfter beobachtet.


Straußkukuk (Coccystes glandarius). 3/8 natürl. Größe.
Straußkukuk (Coccystes glandarius). 3/8 natürl. Größe.

Wahrscheinlich wird er in ganz Südeuropa an geeigneten Stellen fast alljährlich bemerkt; wenigstens er schien er nach meinen Erfahrungen während der Zugzeit regelmäßig bei Alexandrien, wo man ihn sonst nicht antrifft. Nach Deutschland verfliegt er sich wohl sehr selten; doch ist, außer dem mitgetheilten, wenigstens noch ein Fall bekannt, daß er hier erlegt wurde. Seine Winterreise dehnt er bis in die Urwälder Mittelafrikas aus: ich habe ihn dort wiederholt erlegt und für einen Zugvogel gehalten. Uebrigens wandern unzweifelhaft nur die in Europa ansässigen so weit nach Süden hinab; denn die in Egypten wohnenden verlassen ihr Vaterland in den unserem Winter entsprechenden Monaten nicht.

In Egypten bevorzugt der Straußkukuk ganz entschieden kleine Mimosenhaine, wie solche hier und da im Nilthale sich finden. Ein Wäldchen, welches man in einer Viertelstunde umgeht, kann unter Umständen acht bis zehn Paare, mindestens Männchen, beherbergen, während man sonst viele Kilometer durchreist und bezüglich durchjagt, ohne einen einzigen zu bemerken. In Palästina, wo der Straußkukuk vielleicht ebenso häufig vorkommt wie in Egypten, bewohnt er, laut Tristram, dünn [228] bestandene Waldungen, besonders solche der Eiche, erscheint in ihnen nicht vor Ausgang Februar und verläßt sie mit Bestimmtheit um die Mitte des Herbst wieder. Aehnliche Oertlichkeiten sind es auch, welche ihm in Spanien Herberge geben, wogegen er im Inneren Afrikas, nach Heuglin namentlich am Gazellenflusse, weite grasreiche Ebenen und Weidelandschaften, welche mit lichtem, niedrigem Gebüsche bestanden sind, zu bewohnen pflegt. Die Wüste und höhere Gebirge meidet der Straußkukuk aus leicht erklärlichen Gründen, und auch in der baumlosen Steppe fühlt er sich nicht heimisch. Im Gegensatze zu unserem Kukuke begegnet man ihm selten einzeln. Ob die Paarungszeit auf sein geselliges Verhalten irgendwelchen Einfluß ausübt, vermag ich nicht zu sagen; ich kann bloß angeben, daß wir gerade während der Brutzeit die Straußkukuke in Gesellschaft, jedoch nicht auch in Frieden zusammen antrafen. Allen, welcher nach mir Egypten bereiste, sagt, daß man den Vogel gewöhnlich paarweise finde, und auch Heuglin gibt an, daß er nur einzeln getroffen werde, während ich behaupten muß, daß das häufigere Zusammensein die Regel, das vereinzelte Vorkommen die Ausnahme ist.

In seinem Wesen und Betragen hat der Straußkukuk mit seinem deutschen Verwandten wenig gemein. Der Flug ähnelt zwar dem des letzteren einigermaßen; im übrigen unterscheidet sich der Vogel wesentlich von ihm. Auch er ist flüchtig, läßt sich jedoch, wie bemerkt, an ein viel kleineres Gebiet fesseln; auch er ist unstät, kehrt aber doch viel öfter zu denselben Plätzen zurück als jener; auch er ist eifersüchtig, allein doch nicht entfernt in demselben Grade wie der blindwüthende Kukuk, welcher sich, wie wir gesehen, von dieser Leidenschaft so vollständig beherrschen läßt, daß er sich wie sinnlos geberdet. Daß die verliebten Männchen sich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft schreien und miteinander kämpfen, ist selbstverständlich; es geschieht dies aber wenigstens in einer viel anständigeren Weise als beim Kukuk.

Der Flug des Straußkukuks ist pfeilgeschwind und ungemein geschickt; denn der Vogel eilt mit der Gewandtheit des Sperbers durch das geschlossenste Dickicht, ohne einen Augenblick anzuhalten. Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, sondern immer nur von einem Baume zum anderen; nur wenn zwei Männchen sich jagen, durchmessen sie ausgedehntere Strecken. Zum Boden herab kommt er wohl äußerst selten; ich meinestheils habe ihn wenigstens nie hier gesehen, aber beobachtet, daß er fliegend von unten Kerbthiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgescheucht wurde, einem Baume zu, dringt in das Innere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er Gefahr, so stiehlt er sich unbemerkt zwischen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der entgegengesetzten Seite und wendet sich einem anderen zu. In dieser Weise kann er den Schützen oft lange foppen. Die Stimme, von der unseres Kukuks durchaus verschieden, ist ein lachendes, elsterartiges Geschrei, welches Allen durch »Kiau kiau« wiederzugeben versucht. Der Warnungsruf, welchen ich übrigens nicht vernommen habe, soll wie »Kerk kerk« klingen. Der gewöhnliche Stimmlaut wird regelmäßig so oft nacheinander und so laut ausgestoßen, daß er mit keinem anderen Vogelschrei verwechselt und auf weithin vernommen werden kann.

Im Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbthiere aller Art, auch Raupen, Allen und seine Begleiter hingegen vorzugsweise Heuschrecken. Heuglin bezeichnet Schmetterlinge, Raupen, Spinnen, Heuschrecken und Käfer als die gewöhnliche Beute des Vogels und bemerkt, daß ebenso, wie bei unserem Kukuke, sein Magen nicht selten dicht mit Raupenhaaren gespickt ist.

Die Frage, ob der Straußkukuk selbst niste oder seine Eier anderen Vögeln zur Pflege übergebe, war insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie entschied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kukuken gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb sehr viel daran, hierüber ins klare zu kommen; aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthaltes in Afrika lange nichts sicheres erfahren. Am fünften März 1850 endlich gewannen wir den ersten Anhaltspunkt für fernere Forschungen. Wir erlegten in einem Mimosenwäldchen bei Siut sieben Straußkukuke und unter ihnen ein Weibchen, welches ein reifes Ei im Legschlauche trug. Dasselbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden, und so konnten wir bloß Splitter untersuchen; aber auch diese waren [229] hinreichend, um zu erkennen, daß das Ei von dem unseres Kukuks sehr verschieden sein müsse. Das wichtigste war, einstweilen die Brutzeit des Vogels zu wissen, da diese in Afrika nicht an bestimmte Monate gebunden ist. Trotzdem verstrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungsgeschäft ins reine zu kommen.

Am zweiten März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberegypten längere Zeit einen Straußkukuk. Er neckte mich in beliebter Weise und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter sich her. Zuletzt sah ich ihn in ein großes Nest schlüpfen, welches auf einem nicht besonders hohen Baume stand. Es versteht sich von selbst, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu stören. Nach mehr als einer Viertelstunde flog er wieder aus dem Neste heraus und entfernte sich sofort aus der Umgebung. Ich erstieg den Baum und fand, daß das Nest der Nebelkrähe angehörte, im ganzen sechs Eier enthielt, darunter aber eins, welches vor wenigen Minuten erst zertrümmert worden war. Unter diesen Eiern unterschied ich auf den ersten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern an Größe und Farbe zwar nahe stehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechselnde Eier eines anderen Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewissen Aengstlichkeit der Barke zugetragen und dort mit den sorgfältig aufbewahrten Trümmern des ersten Kukukseies verglichen. Zu meiner großen Freude fand ich, daß sie mit ihm vollkommen übereinstimmten. In der Größe glichen sie ungefähr den Elstereiern, in der Form aber anderen Kukukseiern. »Ihre Farbe ist«, wie Baedecker beschreibt, »ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aschgrau und bräunlichgrau in dicht gestellten Flecken, welche am stumpfen Ende sich zu einem mehr oder weniger geschlossenen Kranze vereinigen. Auf dieser Grundzeichnung stehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elstereiern sind sie kaum zu vergleichen, viel weniger zu verwechseln; denn ihre Form, die Krönung der Schalenoberfläche, ihre Fleckenzeichnung, selbst die grünliche Grundfärbung fallen aufs erste Ansehen und Berühren ganz anders ins Auge und ins Gefühl.«

Meine Entdeckung wäre nun schon hinreichend gewesen, um die Art und Weise der Fortpflanzung der Kukuke zu bestimmen; ich gewann aber glücklicherweise am zwölften März noch eine zweite Beobachtung, welche der ersteren bedeutendes Gewicht verlieh. In einem Dorfgarten, welcher, wie in Egypten überhaupt gewöhnlich, dicht mit Bäumen bepflanzt war, wurde ich durch das helltönende, mißlautende Geschrei des alten Kukuks, »Kiekkiek, kiek, kiek« zur Jagd aufgefordert. Ich erlegte beide Eltern, bemerkte aber bald darauf noch einen Straußkukuk und zwar einen noch nicht vollständig entwickelten Jungen, welcher – von zwei Nebelkrähen gefüttert und vertheidigt wurde. Von nun an ließ ich alle Krähennester untersuchen und war wirklich so glücklich, in einem derselben am neunzehnten März noch ein Kukuksei zu finden.

Es nahm mich kaum Wunder, daß diese Beobachtungen, welche ich fast mit vorstehenden Worten veröffentlichte, bezweifelt und bemäkelt wurden; wohl aber entrüstete es mich, daß man sich nicht entblödete, die wahrheitsgetreu gegebenen Thatsachen als »Ansichten, welche ich triftig zu unterstützen versucht habe«, hinzustellen, und zwar auf das bedeutungslose Geschwätz eines syrischen Knaben hin. Glücklicherweise hatte ich inzwischen eine weitere Bestätigung jener »Ansichten« erhalten. Bald nach meiner Ankunft in Madrid war ich selbstverständlich mit allen Thierkundigen der Hauptstadt bekannt geworden, und in ihren Kreisen wurde gelegentlich über dieses und jenes Thier gesprochen. Da fragte mich eines Tages ein recht eifriger Sammler, ob ich wohl auch den Straußkukuk kenne. Ich mußte bejahen. »Aber wissen Sie auch etwas über das Brutgeschäft dieses Vogels?« Ich bejahte abermals. »Señor, das ist unmöglich; denn ich bin der erste, welcher hierüber etwas erfahren hat. Was wissen Sie?« Ich war hinlänglich mit der Vogelwelt Spaniens vertraut, als daß ich nicht mit größter Wahrscheinlichkeit die Zieheltern der Straußkukuke hätte angeben können. Die Saatkrähe kommt bloß auf dem Zuge in Mittelspanien vor, und Raben und Nebelkrähe fehlen gänzlich. Es blieb, wenn ich von dem in Egypten beobachteten folgern wollte, nur unsere Elster als wahrscheinliche Erzieherin noch übrig, und ich nahm keinen Anstand, sie mit einer gewissen Bestimmtheit als die Pflegemutter der jungen Straußkukuke zu nennen. »Sie haben recht«, antwortete mein [230] Freund, »aber woher wissen Sie das?« Nun theilte ich ihm meine Beobachtungen mit, und er gab mir dafür einen kurzen Bericht von seiner Entdeckung.

Aufmerksam gemacht durch etwas verschiedene, namentlich kleinere Eier im Neste der Elster, hatte er sich mit guten Jägern in Verbindung gesetzt und von diesen erfahren, daß der Kukuk die betreffenden Eier in das Elsternest lege. Die Sache schien ihm denn doch etwas unglaublich zu sein, zumal auch die bezüglichen Eier von denen des Kukuks wesentlich verschieden waren. Er forschte also selbst nach und fand, daß es der Straußkukuk war, welcher die fremden Eier in die Elsterwirtschaft gelegt hatte.

Aber auch er war nicht der eigentliche Entdecker gewesen. Viel früher als mein Freund hatte ein alter deutscher Naturforscher, Mieg, beobachtet, daß der junge Straußkukuk von Elstern geführt und gefüttert werde; da aber Mieg diese Beobachtung nur im engsten Kreise erzählt hatte, durfte mein Freund das Erstlingsrecht der Entdeckung wohl für sich beanspruchen, und seine kastilianische Eigenliebe war deshalb nicht wenig verletzt, als er von mir erfuhr, daß die ganze Angelegenheit der wissenschaftlichen Welt bereits mitgetheilt worden sei.

Gegenwärtig ist die Frage vollständig entschieden. Wenige Jahre später, als ich Spanien bereiste, durchforschte Tristram, ein englischer Geistlicher, trefflicher Vogelkenner und vorzüglicher Beobachter, Algerien und erhielt dort Eier des Straußkukuks, welche denen der Maurenelster (Pica mauritanica) ähnelten, gelangte jedoch zu der Ansicht, daß unser Kukuk wohl in die Nester der Elstern lege, aber selbst brüte. Zu dieser unzweifelhaft irrthümlichen Auffassung wurde dieser sonst sehr tüchtige Forscher durch den Umstand verleitet, daß in Elsternestern Eier des besagten Kukuks, nicht aber auch Elstereier gefunden wurden, und daß aus einem anderen Neste, aus welchem ein Straußkukuk flog, zwei bereits stark bebrütete des Schmarotzers lagen. Infolge dessen befragte er die Araber, und diese, welche ihre Antworten aus Höflichkeit nach den Fragen einzurichten pflegen, bestärkten ihn in der nun einmal gefaßten Meinung. Tristram blieb nicht der einzige, welcher nach mir Eier des Straußkukuks fand. Im Winter von 1861 zu 1862 bereisten Allen und Cochrane Egypten, und da nun die Pflegeeltern unseres Vogels bereits bekannt waren, wurde es ihnen nicht schwer, in den Nestern der Nebelkrähen viele Eier und Junge des Straußkukuks zu erhalten. Allen fand zwar nur zwei Eier, aber noch drei Junge, und unter ihnen zwei in einem und demselben Neste; der glücklichere Cochrane hingegen erhielt dreizehn Eier und zwölf Junge, sämmtlich aus den Nestern der Nebelkrähe. In drei Nestern lagen je zwei Eier, in einem Neste zwei Junge unseres Vogels.

Aus Allens Beobachtungen geht hervor, daß auch die jungen Straußkukuke immer ihren Stiefgeschwistern in der Entwickelung vorauseilen. Sie waren schon ziemlich befiedert, die jungen Nebelkrähen aber noch gänzlich nackt, und so scheint es, daß die Eier des Straußkukuks früher gezeitigt werden als die Kräheneier; denn Allens Annahme, daß der weibliche Kukuk stets ein Krähennest mit unvollständigem Gelege auswähle, ist meinen Beobachtungen zufolge wenigstens nicht immer richtig. »Es scheint«, schließt Allen, »daß von dem Straußkukuk nur die in Mimosenhainen stehenden Krähennester erwählt werden; denn wir fanden niemals ein Kukuksei in solchen Nestern, welche auf einzelnen Bäumen standen.« Tristram fand, wie er später mittheilt, auch in Palästina dasselbe Verhältnis wie in Egypten. »In diesen Gegenden«, sagt er, »trafen wir die Krähe brütend an und zwar ebensowohl auf vereinzelten Bäumen als auf Felsen und in alten Ruinen, und hier begegneten wir auch dem Straußkukuk, welcher Eier in jener Nester legt. Wir erhielten mehrere von ihnen. Eines dieser untergeschobenen Kinder würde, wie ich fürchten muß, ein trauriges Dasein geführt haben; denn die Kräheneier waren fast zum Ausschlüpfen reif, während das Kukuksei sich erst leicht bebrütet zeigte. Ich war erfreut, hier um die Ruinen von Rabath Ammon eine neue Bestätigung zu den Beobachtungen Brehms, Cochrane's und Allens zu erhalten, welche in Egypten diese Eier ebenfalls ausschließlich in den Nestern der Nebelkrähe fanden, während Lord Lilford in Spanien im Gegentheile sie den Nestern der Elster entnahm, und auch diejenigen, welche [231] wir in Algerien erbeuteten, unabänderlich in den Nestern der dort lebenden Maurenelster gefunden wurden.« Wenn ich vorstehendem nun noch hinzufüge, daß Lilford in Spanien ein Ei des Straußkukuks im Neste eines Kolkraben und Rey in Portugal vier Eier in ebensoviel verschiedenen Nestern der Blauelster fand, St. John endlich nach seinen in Persien gesammelten Beobachtungen die Elster als die natürliche Pflegemutter bezeichnet, habe ich nicht allein alle bis jetzt bekannten Pflegeeltern des Vogels aufgezählt, sondern auch noch weitere Belege für die Thatsache beigebracht, daß dieser Schmarotzer seine Brut nach den bisherigen Beobachtungen ausschließlich verschiedenen Rabenvögeln anvertraut, nicht aber selbst brütet.

Infolge all dieser unter sich übereinstimmenden Beobachtungen hat Tristram, wie zu erwarten, nicht gezögert, seine oben mitgetheilte Meinung fallen zu lassen, und schon im Jahre 1868 erklärt, daß »über das Schmarotzerthum des Straußkukuks kein Zweifel bestehen könne«. Wenn ich in der ersten Auflage dieses Werkes hierauf nicht Bezug nahm, geschah es einfach aus dem Grunde, weil ich die Angelegenheit für vollständig erledigt hielt. Zu nicht geringem Erstaunen sehe ich nun aber, daß Krüper, ein in Südosteuropa und Kleinasien wohl bekannter eifriger Beobachter, noch neun Jahre nach Tristrams Erklärung sich dahin aussprechen kann, daß das Brutgeschäft dieses Kukuks bis heute noch nicht geklärt sei, indem zwei sich widersprechende Beobachtungen vorlägen, die meinige und die einer englischen Reisegesellschaft, nach welcher der Kukuk seine Eier in Elsternester lege und sie selbst ausbrüte. Es bleibt, meint Krüper, den Vogelkundigen noch übrig, die eine oder die andere Beobachtung zu bestätigen. Unter den griechischen Landleuten gehe die ungewisse Erzählung, daß der Straußkukuk in die Elsternester lege und seine Eier ausbrüten solle. »Wir müssen«, fährt der genannte fort, »jedoch noch eine Bestätigung abwarten, die gewiß bald erfolgen wird.« Im Anschlusse an diese Sätze veröffentlicht Krüper noch einen Brief Gonzenbachs, aus welchem hervorgeht, daß ein von letzterem ausgesandter Jäger in einem Elsterneste zwei junge Straußkukuke und drei junge Elstern, welche etwa zwanzig Tage alt sein mochten, vom Hagel erschlagen, vorfand. Möglicherweise ist es diese Angabe gewesen, welche Krüpers Zweifel an meiner Beobachtung angeregt hat. Tristrams wenn auch nur mittelbaren Widerruf hat er offenbar übersehen und trotz seiner vielfachen Beobachtungen über das Brutgeschäft der Vögel an das eine nicht gedacht, daß irgendwelcher Rabe, heiße er nun Kolkrabe, Nebelkrähe, gemeine oder maurische Elster, schwerlich einen brütenden Straußkukuk in seinem Neste dulden würde. Ich wiederhole also nochmals: die Frage ist vollständig erledigt und keine Ansicht, möge sie herrühren, von wem sie wolle, kann an dieser Thatsache etwas ändern. Anderweitige Beobachtungen werden unsere Kenntnis über das Brutgeschäft erweitern, sicherlich aber nicht das, was wir gegenwärtig als richtig erkannt haben, umstoßen.

Durch Allen erfahren wir, daß sich junge Straußkukuke ohne Mühe in der Gefangenschaft erhalten lassen. Eines von denjenigen Jungen, welche er aus hob, ging ohne Umstände ans Futter, nahm große Mengen von Fleisch zu sich, schrie beständig heißhungrig nach mehr Nahrung und befand sich hierbei so wohl, daß es England lebend erreichte. Wie lange es hier ausgehalten, vermag ich nicht zu sagen; Allen bemerkt bloß noch, vernommen zu haben, daß das dunkle Gefieder des Vogels im Laufe der Zeit bedeutend lichter geworden wäre, und hieraus geht also zur Genüge hervor, daß der Gefangene wenigstens mehrere Monate lang bei guter Gesundheit gewesen ist. In einem unserer europäischen Thiergärten, in welchem, erinnere ich mich nicht mehr, und die bezügliche Niederschrift vermag ich augenblicklich nicht aufzufinden, sah ich selbst einen Straußkukuk, welcher mit einfachem Weichfutter, also einem Gemisch aus Fleisch, Milchsemmel, Möhren, Ameisenpuppen und derartigen Bestandtheilen ernährt wurde und sich anscheinend durchaus wohl befand. Damit ist meines Erachtens der Beweis geliefert, daß der Straußkukuk ebenso leicht wie sein deutscher Verwandter in Gefangenschaft gehalten werden kann.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 227-232.
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