Schleierschwalm (Aegotheles Novae-Hollandiae)

[351] Der Schleierschwalm (Aegotheles Novae-Hollandiae, Caprimulgus Novae-Hollandiae, cristatus, vittatus und lunulatus) erinnert an unser Käuzchen, ebensowohl hinsichtlich seiner Größe als bezüglich seines Wesens. Seine Länge beträgt fünfundzwanzig, die Breite etwas über dreißig Centimeter. Das Gefieder der Oberseite ist auf braunschwarzem Grunde mit sehr feinen graulichen Pünktchen dicht gespritzt; diese Pünktchen treten auf den Halsseiten und den Untertheilen deutlicher hervor und bilden verloschene, hellere Querbinden; Bauchmitte, After und untere Flügeldecken sind weiß. Ein verwaschener Fleck, welcher auf der vorderen Ohrgegend steht, hat bräunlichweiße Färbung, ein Hinterhalsband wird durch heller oder dunkler punktirte Federn angedeutet. Die Schwingen sind dunkel erdbraun, die der Hand außen mit fahlweißlichen Querflecken, die des Armes mit graulich gepunkteten Querbinden, die braunschwarzen Steuerfedern mit zwölf schmalen graubraunen, dunkler punktirten Querbändern gezeichnet, welche jedoch auf der Innenfahne der zweiten und vierten Feder jederseits fehlen. Den schwarzen Schnabel umgeben lange schwarze Zügelborsten. Die Iris ist nußbraun, der Fuß fleischfarben. Männchen und Weibchen sind in Größe und Färbung kaum zu unterscheiden; die Jungen haben dunkleres Gefieder.

Ueber die Lebensweise hat Gould Beobachtungen angestellt. Er fand den Schleierschwalm in ganz Südaustralien und Tasmanien als Standvogel, welcher ebensowohl im Gebüsche an der Küste, wie in den dünn bestandenen Waldstrecken des Inneren vorkommt. Das Betragen erinnert ebenso sehr an die Käuze wie an die Nachtschwalben. Tagsüber hält sich der Schleierschwalm in Baumhöhlungen auf, namentlich in denen der Gummibäume, und hier verbirgt er sich so vortrefflich, daß man von ihm nicht das geringste wahrnimmt. Eine sonderbare Gewohnheit des Vogels aber gibt dem Kundigen ein Mittel in die Hand, ihn zu entdecken. Sobald man nämlich an den Stamm seiner Lieblingsbäume klopft, klettert der kleine Bewohner schleunigst bis zur Mündung seiner Höhle empor und schaut hier heraus, um sich von der Ursache der Störung zu überzeugen. Glaubt er sich sicher, so zieht er sich auf seinen Schlafplatz zurück, und verbleibt hier ruhig, bis er von neuem gestört wird. Erst wenn ihm die Sache zu arg dünkt, fliegt er nach einem anderen sicheren Orte hin, gewöhnlich nach einem zweiten hohlen Baume, gar nicht selten aber auch in das dichte Gezweige eines solchen. Sein Flug ist gerade und verhältnismäßig langsam, ohne plötzliche Schwingungen, seine Haltung im Sitzen mehr die der Eulen als die der Ziegenmelker, von denen [351] er sich auch dadurch unterscheidet, daß er sich nicht der Länge nach, sondern immer der Quere nach auf den Ast setzt. An die Käuze erinnert er auch dadurch, daß er, wenn er überrascht wird, seinen Kopf in verschiedenen Richtungen bewegt oder dreht und, wenn man ihn ergreift, zischt.

Gould behauptet, daß der Schleierschwalm zweimal im Jahre brüte. Auf Vandiemensland fand man Junge im Oktober, in Neusüdwales erhielt unser Forscher Eier im Januar. Ein eigentliches Nest baut der Vogel nicht; er legt seine vier bis fünf rundlichen und reinweißen Eier ohne jegliche Vorrichtung auf den Mulm der Baumhöhlungen.

Ueber das Gefangenleben fehlen ausführliche Mittheilungen. Gould erwähnt bloß, daß er ein Pärchen eine Zeitlang lebendig hielt, und daß dasselbe sich bei Annäherung des Menschen rückwärts mit gesträubten Kopffedern, und unter lebhaftem Zischen in eine Ecke des Käfiges flüchtete.


Schleierschwalm (Aegotheles Novae-Hollandiae). 2/5 natürl. Größe.
Schleierschwalm (Aegotheles Novae-Hollandiae). 2/5 natürl. Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 351-352.
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