Nachtschwalbe (Caprimulgus europaeus)

[362] Unsere Nachtschwalbe, der Nachtschatten, Tagschläfer, Nachtwanderer, Nachtrabe, Ziegen-, Geis- oder Kindermelker, Ziegen-, Kuh- oder Milchsauger, Pfaffe, die Brillennase, Hexe, und wie er sonst noch genannt wird (Caprimulgus europaeus, vulgaris, maculatus, punctatus und foliorum), vertritt die letze gleichnamige Unterfamilie (Caprimulginae), deren Kennzeichen zu suchen sind in dem sehr schwachen Schnabel, den starken Schnabelborsten an seinem Grunde und den kleinen, schwächlichen Füßen, deren äußere Zehe aus vier Gliedern besteht, und deren Mittelzehe einen langen, nur auf der Außenseite kammartig gezähnelten Nagel trägt. Die Merkmale der Nachtschatten (Caprimulgus) entsprechen im allgemeinen der weiter oben gegeben Gesammtbeschreibung. Der Leib ist gestreckt, der Hals sehr kurz, der Kopf groß und breit, der Schnabel sehr klein und kurz, aber breit, an der Wurzel schmal, an der Spitze vor den Nasenlöchern herabgebogen, der Flügel lang, schmal, spitzig, in ihm die zweite Schwinge die längste, der Schwanz gerade abgeschnitten, da nur die äußersten Steuerfedern gegen die übrigen gleichlangen sich verkürzen. An den kleinen niedrigen Füßen überragt die Mittelzehe die übrigen bedeutend und verbindet sich mit den nächsten beiden durch eine Spannhaut bis zum ersten Gelenke; die kleine, nach [362] innen stehende Hinterzehe ist frei. Den Lauf bekleiden von oben her bis zur Hälfte kleine Federchen; der übrig bleibende Theil ist mit Schildtafeln bedeckt. Großfederiges, aber sehr lockeres und überaus weiches, äußerst lose in der Haut sitzendes Gefieder umhüllt den Leib. Die Länge der Nachtschwalben beträgt sechsundzwanzig, die Breite fünfundfunfzig, die Fittiglänge neunzehn, die Schwanzlänge zwölf Centimeter. Das Gefieder ist oberseits auf bräunlich grauem Grunde mit äußerst feinen, helleren oder dunkleren Pünktchen dicht bespritzt und außerdem durch sehr schmale schwarze Schaftstriche gezeichnet, welche auf Oberkopf und Mantel sich verbreitern, an ihrem Außenrande rostbraune Bandflecke zeigen und längs des Scheitels einen, auf den Schultern zwei dunkle Längsstreifen bilden.


Nachtschwalbe (Caprimulgus europaeus) und Rothhalsnachtschatten (Caprimulgus ruficollis). 2/5 natürl. Größe.
Nachtschwalbe (Caprimulgus europaeus) und Rothhalsnachtschatten (Caprimulgus ruficollis). 2/5 natürl. Größe.

Eine Querbinde über dem Flügel entsteht durch die breiten rostgelben Spitzen der mittleren Flügeldeckfedern, welche hierdurch von den übrigen schwarzbraunen, rostbräunlich punktirten Flügeldecken wesentlich sich unterscheiden. Die schwarze, rostbraun punktirte Zügel- und Ohrgegend wird unterseits von einem rostweißlichen Längsstreifen begrenzt, die oberen Schwanzdecken zeigen auf grauem Grunde dunkle Zickzacklinien, die unteren rostfarbenen Flügeldecken dunkle Querbinden, Kinn, Kehle und Halsseiten, welche rostfahle Färbung haben,[363] schwärzliche Querlinien, welche auf der übrigen Unterseite deutlicher und breiter werden und auf den unteren Schwanzdecken weiter auseinandertreten. Kropf und Brust sind auf schwarzbraunem Grunde fein graulich bespritzt, an den Seiten mit rundlichen, größeren, weißlichen Endflecken geziert. Ein großer weißgrauer, dunkelgewellter Querfleck nimmt die Unterkehle ein. Von den braunschwarzen Schwingen heben sich außen sechs rostgelbe, dunkel gemarmelte Querflecke, innen rostgelbe Querbinden ab und die ersten drei Schwingen haben auf der Innenfahne außerdem noch einen großen weißen Mittelfleck. Die mittelsten beiden Schwanzfedern sind bräunlichgrau, dicht schwarz gemarmelt und mit neun schwarzen unregelmäßigen Querbinden, die übrigen Steuerfedern auf schwarzbraunem Grunde mit acht bis neun bräunlichgrauen, dunkel gemarmelten Fleckenquerbändern, die beiden äußersten Steuerfedern endlich mit breiten weißen verziert. Die Iris ist tiefbraun, das Augenlid roth, der von schwarzen Rachenborsten umgebene Schnabel hornschwarz, der Fuß röthlichbraun. Das im allgemeinen düsterer gefärbte Weibchen unterscheidet sich vom Männchen dadurch, daß die ersten drei Schwingen auf der Innenfahne sowie die beiden äußersten Schwanzfedern am Ende anstatt weißer, kleinere rostgelbliche Flecke tragen, und die jungen Vögel sind daran kenntlich, daß diese bezeichnenden Flecke ihnen gänzlich fehlen.

Die Nachtschwalbe verbreitet sich vom mittleren Norwegen an über ganz Europa und Westasien und besucht im Winter alle Länder Afrikas, da sie erst im Süden des Erdtheiles Herberge zu nehmen scheint.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 362-364.
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