Zwergsegler (Cypselus parvus)

[403] Der Zwergsegler (Cypselus parvus, ambrosiacus, palmarum und battasiensis, Cypsiurus und Macropteryx ambrosiacus, Dendrochelidon und Atticora ambrosiaca), »Putta Deuli« der Hindu, »Batassia« oder »Windvogel« der Bengalen, ist bedeutend kleiner als der Mauersegler. Seine Länge beträgt nur funfzehn, seine Breite neunundzwanzig, die Fittiglänge zwölf, die Länge des tief gegabelten Schwanzes acht Centimeter. Das Gefieder ist einfarbig rauch braun mit schwachem Erzschimmer, etwas lichter an der Kehle, weil hier die Federn verwaschene, fahlweißliche Seitensäume haben. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel wie der Fuß schwarz.

Erst tief im Inneren Afrikas, da wo es bereits Urwaldungen gibt, begegnet man dem Zwergsegler öfters, jedoch keineswegs überall. Heuglins Angabe, daß er schon im südlichen Egypten Standvogel sei, steht mit meinen Beobachtungen nicht im Einklange. Doch mag es vorkommen, daß einzelne so weit nach Norden hin sich verfliegen. Als regelmäßigen Bewohner des Landes findet man ihn erst im südlichen Nubien und noch häufiger längs des Weißen und Blauen Flusses, immer und überall da, wo die Dompalme vorkommt. Außer den Nilländern bewohnt der Vogel das ganze mittlere Afrika von der Westküste an bis zur Ostküste. Ob der auf Madagaskar vorkommende kleine Segler, wie anzunehmen, unser Zwergsegler oder eine ihm sehr nahe stehende Art ist, scheint bis jetzt noch nicht endgültig festgestellt worden zu sein, weil Hartlaub in seinem neuesten Werke über die Vögel des merkwürdigen Eilandes die Frage noch zweifelhaft läßt. Da aber der Zwergsegler außer Afrika auch über einen großen Theil Südasiens sich verbreitet, darf man glauben, daß er es ist, welcher auf Madagaskar lebt. In den meisten Theilen dieses ausgedehnten Wohngebietes tritt er als Strichvogel auf. Nur außer der Brutzeit streift auch er ziel-und regellos im Lande umher; während der Brutzeit beschränkt sich sein Gebiet auf einen sehr kleinen Umkreis.

[403] Nach meinem Dafürhalten stehen seine Bewegungen hinter denen anderer Arten seiner Familie durchaus nicht zurück. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß er der schnellste aller mir bekannten Vögel ist; doch zeigt er, diese Gewandtheit abgerechnet, in seinen Bewegungen nichts absonderliches. Merkwürdig ist nur sein Nestbau.

Während einer Reise auf dem Blauen Flusse sah ich im September eine einzeln stehende, über den niederen Wald sich erhebende Dompalme, welche für den Zwergsegler etwas ganz besonders anziehendes haben mußte, weil sie von mehr als funfzig Pärchen fortwährend umschwärmt wurde. Die Vögel flogen unter lebhaftem Geschrei hin und wieder, kehrten jedoch immer wieder zu der Palme zurück, wenn sie sich einmal eine Strecke weit entfernt hatten. Hierdurch aufmerksam gemacht, ging ich auf den Baum zu und bemerkte nun, daß die Segler sich zuweilen zwischen die Fächerblätter des Baumes begaben und dort sich niederließen. Kleine weiße Punkte, welche von dem Dunkelgrün der Fächerpalme abstachen, veranlaßten mich, den Baum zu ersteigen und die Sache näher zu untersuchen. Ich fand zu meiner nicht geringen Ueberraschung, daß jene Blätter die Niststätten, gedachte weiße Punkte die Nester des Zwergseglers waren.

Die Bauart dieser Nester ist höchst merkwürdig. Die große Blattfläche ist so schwer, daß sie den Blattstiel sprenkelähnlich herniederbiegt, der untere Theil des Blattes also senkrecht nach unten hängt. Nun sitzen aber die Blattflächen unter einem spitzen Winkel an dem Blattstiele an, und es entsteht somit in der Mitte des Blattes selbst eine Rinne oder richtiger ein Winkel, wie im Zimmer da, wo zwei Wände aneinander stoßen. In diesen Winkel heftet der Zwergsegler sein Nestchen an. Es besteht größtentheils aus Baumwollfasern, ist aber ganz mit Speichelkleister überzogen und mit diesem an das Blatt festgeklebt. Der Gestalt nach könnte man es mit einem tief ausgebogenen, runden Löffel vergleichen, auf welchem ein breiter Stiel senkrecht steht. Der letztere ist angeleimt und muß das eigentliche Nest halten und tragen. Weiche Federn, welche ebenfalls angekleistert wurden, betten die etwa fünf Centimeter im Durchmesser haltende Nestmulde aus; auf ihr liegen die zwei Eier oder die beiden Jungen. Der Zwergsegler verfährt aber mit besonderer Vorsicht, um zu verhüten, daß Eier oder Junge aus dem Neste fallen oder aus ihm geschleudert werden. Bei heftigem Winde wird selbstverständlich das große Blatt mit Macht bewegt, und dabei würden die kleinen Jungen oder mindestens die Eier unfehlbar aus dem flachen Neste geworfen werden. Dem kommt der kluge Vogel zuvor, indem er die Eier und die Jungen ebenfalls mit seinem Speichel festleimt. Besonders auffallend war mir, daß die walzenförmigen, weißen, siebzehn Millimeter langen Eier nicht der Länge nach im Neste lagen, sondern mit der einen Spitze aufgeleimt waren. Ich fand ziemlich große Junge, welche noch festgekittet waren, vermuthe aber, daß diese Vorsichtsmaßregel unnöthig wird, sobald die Jungen das Dunenkleid angelegt haben und im Stande sind, sich selbst festzukrallen. Heuglin bestätigt meine Beobachtung im vollsten Umfange und ebenso meine Vermuthung hinsichtlich der halbflüggen Jungen, indem er sagt, daß diese sich krampfhaft an ihre Behausung anklammern. In Indien wählt der Zwergsegler anstatt der Dompalme die Palmyra- und Kokospalme und verwendet, in Ermangelung von Baumwolle, Gras, Federn und dergleichen zur Grundlage des Nestes, ohne jedoch Pflanzenwolle gänzlich zu verschmähen.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 403-404.
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