Scharlachspint (Merops nubicus)

[325] Unter den afrikanischen Arten der Familie verdient der Scharlachspint (Merops nubicus, superbus und coeruleocephalus, Melittotheres nubicus) besondere Erwähnung, nicht weil man ihn zum Vertreter einer besonderen Gruppe, Sippe oder Untersippe (Melittotheres) erhoben hat, sondern weil er ebensowohl durch seine Färbung wie durch Lebensweise sich auszeichnet. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein dunkles Scharlachroth, welches auf Schwingen und Schwanz düsterer, auf Kopf und Brust lichter wird; der Bürzel, die oberen und unteren Schwanzdeckfedern sind lebhaft türkisblau; die Unterkehle hat verwaschene, düster blaugrüne, ein breiter Streifen über dem Zügel bis zur Ohrgegend schwarze Färbung. Die Schwingen zeigen breite schwarze Spitzen, die ersten Handschwingen vor dem schwarzen Ende eine düster blaugrüne Binde, alle an der Wurzel der Innenfahne zimmetrostfarbene Säume. Das Auge ist, wie bei anderen Bienenfressern, tief scharlachroth, der Schnabel schwarz, der Fuß braungrau. Die Länge beträgt 34, die Fittiglänge 15, die Länge der beiden mittelsten Schwanzfedern 19, die der übrigen Steuerfedern 11,5 Centimeter.

Man hat den Scharlachspint in den verschiedensten Ländern der Ostküste Afrikas beobachtet, zuweilen sehr häufig, zuweilen nur einzeln. Ich habe ihn als einen Wander- oder Strichvogel im Ostsudân kennen gelernt. Er erscheint in den von mir bereisten Gegenden südlich des funfzehnten Grades nördlicher Breite mit Beginn der Regenzeit und verweilt hier bis gegen März, tritt jedoch nicht so regelmäßig auf wie in Habesch, Taka, Kordofân und längs des Weißen Nils. In Habesch traf ihn Heuglin, welcher bessere Gelegenheit hatte, ihn zu beobachten, als ich, als Bewohner aller wärmeren Gegenden, von den Tiefebenen an bis zu zweitausend Meter unbedingter Höhe empor, zuweilen in Flügen von tausend. Sein Wesen ist, wie genannter Beobachter mit Recht hervorhebt, womöglich noch lebhafter und lärmender als das der Verwandten, denen er übrigens in der Art und Weise zu fliegen wie in seinem ganzen Auftreten ähnelt. Während der heißesten [325] Tageszeit sucht er Schutz auf Büschen und Bäumen und bedeckt dieselben dann oft im buchstäblichen Sinne des Wortes. Eine solche dicht gedrängte Schar gewährt einen wundervollen Anblick.

Die Brutzeit fällt in den Anfang der Sommerregen, in den Negerländern am Weißen Flusse schon in den März und April, im Ostsudân zwischen Juni und August. Man findet die Nistansiedelungen sowohl längs der Gewässer im Hochgestade als auf Lichtungen im Waldgürtel, ja selbst in der Steppe, hier jedoch nicht so dicht gedrängt und zuweilen nur solche, welche aus einigen Paaren bestehen. Der Vogel gräbt sich sehr tiefe, meist gerade Höhlen, welche je nach der Oertlichkeit wagerecht oder schief in die Erde führen. Der Brutkessel ist etwas erweitert und enthält auf einer lockeren Unterlage von dürren Grashalmen (?) drei bis fünf Eier von stumpf eiförmiger Gestalt, seiner, glatter Schale und rein weißer Färbung, welche infolge des durchschimmernden Dotters rosenroth erscheint. Hartmann versichert, in einer steilen, lehmigen Uferböschung oberhalb Senârs »viele, viele tausend solcher völlig unzugänglichen Nester« dieses Bienenfressers und ganze Wolken der Vögel gesehen zu haben, und ich wage nicht, dieser Angabe zu widersprechen, obgleich ich die gebrauchten Zahlen für etwas hoch gegriffen halte.


Scharlachspint (Merops nubicus). 1/2 natürl. Größe.
Scharlachspint (Merops nubicus). 1/2 natürl. Größe.

Nach vollendetem Brutgeschäfte scharen sich die Scharlachspinte wiederum in größere Flüge und streichen nordwärts bis zu dem sechszehnten Grad nördlicher Breite, namentlich über die weiten Steppen, welche ihnen reichliche Nahrung bieten. Am frühesten Morgen schon ertönt ihr lauter, etwas gurgelnder Ruf von den Büschen und Bäumen herab, wo sie Nachtruhe gehalten haben. Dann erhebt sich die ganze Gesellschaft, zieht eine Zeitlang hoch und lärmend umher, bis der Thau abgetrocknet ist, und begibt sich sodann auf die Kerbthierjagd in dürrem Hochgrase und längs der [326] Gewässer. So lange der alle waldlosen Strecken des Sudân bedeckende Graswald noch reich an Kerbthieren ist, finden die Bienenfresser und mit ihnen viele andere Vögel mit Leichtigkeit ihr tägliches Brod; denn sie nähern sich dann fast ausschließlich von Heuschrecken. »Den Scharlachspint«, erzählt Heuglin noch, »sahen wir in Kordofân häufig auf Rindvieh, Eseln usw. sich niederlassen, ja sogar zuweilen auf gravitätisch im hohen Grase der Steppen wandelnden Störchen, von denen aus sie auf Heuschrecken jagten, welche von ihren sonderbaren Reitthieren aufgeschreckt wurden. Sie verzehrten ihren Raub im Fluge und kehrten dann wieder nach ihrem alten Sitze zurück.« Ich erinnere mich nicht, dieses hübsche Schauspiel gesehen zu haben; übereinstimmenden mit Hartmann aber habe ich beobachtet, daß die Purpurspinte Kerbthiere (wie Hartmann sagt, Larven) vom Boden aufnahmen, ja förmlich aus den durch Sonnenglut entstandenen Spalten des Erdreichs hervorzogen, und ebenso habe ich, wie Heuglin, gesehen, daß ein Steppenbrand neben den Lurche und Kerbthiere fressenden Falken auch diese Bienenfresser herbeizieht. Die brennende Steppe gewährt auch dem, welcher nicht auf das Leben der Thiere achtet, ein großartiges Schauspiel; dasselbe gewinnt aber für den Thierforscher noch einen besonderen Reiz. Selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, muß ich hier von diesen Steppenbränden ausführlicher sprechen; denn gerade der Scharlachspint spielt dabei eine bedeutende Rolle.

Wenn die vernichtende Dürre bereits alles Pflanzenleben ertödtet und namentlich die während der Regenzeit paradiesische Steppe in eine traurige Einöde verwandelt hat, zündet der Nomade bei heftigem Winde den Graswald in geeigneter Richtung an. Augenblicklich fast und gewaltig greift das Feuer um sich. Mit der Schnelle des Sturmes selbst jagen die Flammen über die Ebene dahin. Meilenweit breitet das Feuermeer sich aus, eine Wolke von Qualm und Rauch oder dunkle Glut an das Himmelsgewölbe heftend. Mit stets sich vermehrender Gefräßigkeit verschlingt es die dürr gewordenen Gräser; gierig züngelt es selbst an den Bäumen empor, die blattdürren Schlingpflanzen, welche ihnen neue Nahrung geben, vernichtend. Nicht selten erreicht es den Urwald und verkohlt hier die Baumstämme, deren Laubdach es verwüstete; nicht selten kommt es an das Dorf heran und schleudert seine zündenden Pfeile auf die aus Stroh erbauten Hütten.

Wenn nun auch der Steppenbrand, ungeachtet der Menge des Brennstoffes und seiner leichten Entzündlichkeit, niemals zum Verderben der schnellfüßigen Thiere werden kann, erregt er doch die ganze Thierwelt aufs äußerste; denn er treibt alles Lebende, welches die hohen Gräser verdeckten, wenigstens in die Flucht und steigert diese zuweilen infolge seiner schnellen Verbreitung zur förmlichen Raserei. Alle Steppenthiere fliehen schreckerfüllt, wenn ihnen das Feuer sich nähert. Die Antilopen jagen mit dem Sturm um die Wette; Leoparden und andere Raubthiere mischen sich unter sie und vergessen der Feindschaft, des Würgens; unmuthig erhebt sich der Löwe, aufbrüllend vor Zorn oder Angst, dann flüchtet er sich mit den Flüchtenden. Alle Höhlenthiere bergen sich im sicheren Bau und lassen das Flammenmeer über sich wegfluten. Auch sie werden nicht von ihm erreicht; die Vernichtung gilt nur dem kriechenden und fliegenden Gewürme. Die Schlangen vermögen es nicht, dem eilenden Feuer sich zu entwinden, die Skorpione, Taranteln und Tausendfüßler werden sicher von ihm eingeholt. Aber nicht bloß die Flammen sind es, welche ihnen verderblich werden: denn gerade das Feuer lockt neue Feinde herbei. Scharenweise fliegen Raubvögel herbei, umlaufend oder fliegend vor der Feuerlinie ihrer Jagd obzuliegen, und neben ihnen treiben auch Segler, insbesondere aber die Pur purspinte, ihr Wesen. Sie alle wissen es, daß ihnen die Glut des Brandes Beute auftreibt, und sie alle benutzen das günstige Ereignis auf das beste. Man erstaunt über die Kühnheit dieser Thiere und namentlich über den Muth der kleineren, gerade unserer Bienenfresser. Sie stürzen sich aus hoher Luft herab ohne Bedenken durch den dichtesten Rauch, streichen hart über den Spitzen der Flammenlinie dahin, erheben sich wieder, verzehren die erfaßte Beute und verschwinden von neuem in den Rauchwolken. Heuglin sagt, daß einer oder der andere gar nicht selten sich die Schwingen oder Steuerfedern versenge. Ich habe das nie gesehen, kann aber, ihm in gewissem Sinne beistimmend, versichern, daß die Vögel in äußerster Nähe über den Flammen [327] selbst auf- und niederstreichen, und daß man sich jedesmal wundert, wenn man sie nach einer ihrer kühnen Schwenkungen wieder heil und unversehrt emporkommen sieht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 325-328.
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