Tok (Buceros erythrorhynchus)

[274] Vom siebzehnten Grade nördlicher Breite an verbreitet sich der Tok (Buceros erythrorhynchus, nasutus und leucopareus, Alophius und Tockus erythrorhynchus, Rhynchaceros erythrohyncus und melanoleucus) nach Süden hin über den größten Theil Afrikas. Er ist einer der kleinsten Arten der Familie und leicht kenntlich, aber nicht wohl mit kurzen Worten zu beschreiben. Die ganze Mitte des Kopfes ist dunkelbraun, die Ohrgegend bräunlich, ein breiter Streifen an den Halsseiten schwarzbraun, ein zwischen ihm und dem Oberkopfe verlaufender weiß, die Oberseite schwarzbraun, durch große keilförmige weiße Endflecken der kleinen Schulter- und Flügeldeckfedern gezeichnet. Die Handschwingen sind schwarz, die ersten sechs mit großen eiförmigen weißen Flecken auf der Mitte der Innenfahne, die zweite bis fünfte mit denselben Flecken auch auf der Außenfahne geziert, die Armschwingen mit Ausnahme der drei ersten und letzten weiß, jene wie die Handschwingen gefleckt und außerdem noch weiß gesäumt, die letzten wie die größten Schulterdeckfedern dunkelbraun, innen an der Wurzelhälfte weiß, die großen Deckfedern der einfarbig weißen Schwingen ebenfalls weiß, die mittelsten beiden Schwanzfedern einfarbig dunkelbraun, die übrigen in der Wurzelhälfte schwarz, in der Endhälfte weiß, hier aber mit einer schwarzen Querbinde versehen, welche auf den äußersten nur noch als Fleck erscheint. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel, mit Ausnahme eines dunklen Fleckes an der Wurzel des Unterschnabels, blutroth, der Fuß braungraulich. Die Länge beträgt 46, die Breite 57, die Fittiglänge 17, die Schwanzlänge 19,5 Centimeter. Das ähnlich gefärbte Weibchen ist bedeutend kleiner.

[274] In allen Waldungen Abessiniens, Osdsudâns und Kordofâns und ebenso in allen entsprechenden Gegenden Mittel-, West- und Südafrikas gehört der Tok zu denjenigen Vögeln, welche man tagtäglich sieht oder hört. Man begegnet ihm, wenn auch seltener, schon in den dünn bestandenen Waldungen der Steppe und regelmäßig, stellenweise sehr häufig, in den Flußniederungen, wo der Wald aus hohen Bäumen besteht. Im Gebirge steigt er, nach Heuglins Beobachtungen, bis zu zweitausend Meter unbedingter Höhe empor. Er wandert nicht, schweift jedoch oft im Vereine mit einem nahen Verwandten weit im Lande umher und besucht dann, laut Heuglin, selbst die Nachbarschaft von Viehgehegen und Gehöften, welche er sonst meidet.


Tok (Buceros erythrorhynchus). 2/5 natürl. Größe.
Tok (Buceros erythrorhynchus). 2/5 natürl. Größe.

Wie die meisten Hornvögel, ist auch der Tok ein echter Baumvogel, welcher nur ungern, wahrscheinlich bloß dann, wenn Mangel an Beeren und Baumfrüchten ihn zwingt, Nahrung zu suchen, auf den Boden herabkommt. Gewisse Bäume im Gebiete werden zu Lieblingsplätzen; auf ihnen erscheinen er und seine Verwandten, unter welche er sich gern mischt, mit größter Regelmäßigkeit. Er liebt es, sich frei zu zeigen und setzt sich deshalb möglichst hoch in den Wipfeln auf die äußersten Spitzen der Zweige. Die Stellung, welche er im Sitzen einnimmt, ist nicht unzierlich, obgleich er den Hals sehr einzieht, in ein breites S biegt und der Kopf dadurch dicht auf die Schultern [275] zu liegen kommt, er sich auch mit dem Leibe fast auf den Ast legt und den Schwanz steif herabhängen läßt. Von einem Zweige zum anderen hüpft er mit ziemlichen Ungeschicke, auf einem und demselben Aste aber rutscht er behend dahin. Sein Flug erinnert einigermaßen an den unserer Spechte, ist aber so eigenthümlich, daß man den Tok auf jede Entfernung erkennt. Mehrere rasche Flügelschläge erheben den Vogel auf eine gewisse Höhe, von welcher er sich mit tief niedergebogenem Schnabel in sehr steilen Bogen nach unten fallen läßt, hierauf wieder emporklettert und von neuem nach abwärts stürzt. Dabei wird der Schwanz wechselseitig gebreitet und wieder zusammengelegt. Der Name des Vogels ist ein Klangbild seiner Stimme; denn diese besteht aus einem einzigen wohltönenden Laute, welcher aber sehr oft und kurz nacheinander wiederholt wird, so daß das Ganze minutenlang währen kann. Jeder einzelne Laut wird mit einer Neigung des Kopfes begleitet, das Geschrei gegen das Ende hin aber immer rascher, und der Vogel muß sich zuletzt sehr anstrengen, um alle Töne, wie er gewissenhaft thut, nickend zu beglaubigen. Heuglin bezeichnet die Stimmlaute mit »Tluidiutluidiudiutlu« in allen möglichen Abwechselungen und Steigerungen und bemerkt, daß man von den aufgescheuchten Vögeln zuweilen auch ein rauhes, kurzes »Scharr«, von anderen ein lebhaftes Gackern vernehme. Ich muß sagen, daß mir der gewöhnliche Stimmlaut immer nur einsilbig ins Ohr geklungen hat und dem eintönigen Rufe gewisser Tauben derselben Urwälder vergleichbar erschienen ist.

In einer Hinsicht ähneln die Glatthornvögel unseren Raben. Sie sind neugierige und aufmerksame Geschöpfe. Wenn man ein Wild erlegt hat, pflegen sie herbeizukommen, setzen sich wohl auch in der Nähe auf einen Baum und theilen schreiend dieses Ereignis der Waldbewohnerschaft mit. Viel mehr noch erregt sie das Erscheinen eines gefährlichen Thieres, z.B. einer Schlange oder eines Raubthieres. Sie sind es, welche mit aller Wuth und aller Geschicklichkeit der Raben auf den Uhu stoßen, den schleichenden Leopard anderen Thieren verrathen, dem Honigangeber ins Handwerk pfuschen und die von ihnen entdeckte Schlange oder jedes andere auffallende Geschöpf ihren Klassenverwandten anzeigen. Und nicht bloß diese, sondern auch die Säugethiere achten auf ihr Gebaren; denn sie haben sich wirklich ein gewisses Ansehen unter den übrigen Thieren verschafft. Der Klippspringer spitzt das Gehör, wenn er ihren Ruf vernimmt; die ruhende Antilope erhebt sich vom Lager, die leicht beschwingten Vögel kommen herbeigeflogen, kurz, alles lebende im Walde wird aufmerksam und rege.

In dem Magen der von mir erlegten Glatthornvögel habe ich Früchte, Sämereien und Kerbthiere gefunden; ich zweifle aber nicht, daß vom Tok ein aufgefundenes Vogelnest ausgeplündert, ein noch täppischer Vogel oder ein kleines Säugethier, eine Eidechse usw. aufgenommen wird. Gefangenen Toks mindestens ist ebensowenig zu trauen als größeren Verwandten, und sie lassen wohl kaum eine günstige Gelegenheit vorübergehen, um ein ihnen sich bietendes Vögelchen wegzuschnappen. Andersson beobachtete den Tok oft Nahrung suchend auf dem Boden, woselbst weder Heuglin noch ich ihn jemals gesehen haben, und beschreibt sehr richtig, daß er den Bissen vor dem Verschlingen in die Höhe wirft und mit der Spitze des Schnabels wieder auffange.

Ueber das Brutgeschäft des Tok hat Livingstone ausführlich berichtet, und seine Angaben sind später von Kirk und Andersson als durchaus richtig bezeichnet worden. »Wir hatten«, so erzählt der berühmte Reisende, »hier große Moganewälder zu durchreisen, und meine Leute fingen eine Menge der Vögel, welche man ›Korwe‹ nennt, in ihren Brutplätzen, welche sich in Höhlungen der Moganebäume befanden. Am neunzehnten Februar stießen wir auf das Nest eines Korwe, welches gerade vom Weibchen bezogen werden sollte. Die Höhlung erschien auf beiden Seiten mit Lehm vermauert; aber eine herzförmige Oeffnung war geblieben, genau so groß, um den Körper des Vogels hindurchzulassen. Der innere Raum zeigte jedesmal eine ziemlich geräumige Verlängerung nach oben, und dorthin versuchte der Vogel zu flüchten, wenn wir ihn fangen wollten. In einem Neste fanden wir ein weißes, dem einer Taube ähnelndes Ei, und ein zweites ließ der Vogel fallen, nachdem er schon in unseren Händen war. Im Eierstocke entdeckte ich außerdem noch vier befruchtete Eier.«

[276] Zum erstenmal erblickte ich diesen Vogel in Kolobeng beim Holzschlagen in einem Walde. Ein mich begleitender Eingeborener rief plötzlich: ›Da ist das Nest eines Korwe‹. Ich sah in einer mäßigen Höhlung eines Stammes nichts als eine Spalte, ungefähr einen Centimeter breit und sieben bis zehn Centimeter lang. In der Meinung, das Wort ›Korwe‹ bedeute irgend ein kleines Säugethier, wartete ich mit gespannter Aufmerksamkeit, was der Mann wohl herausziehen würde. Derselbe brach den harten Lehm, mit welchem die Spalte umgeben war, weg, langte mit dem Arme hinein und brachte einen ausgewachsenen Tok heraus. Er erzählte mir sodann, daß das Weibchen, nachdem es sein Nest bezogen, ein eigentliches Wochenbett abhalten müsse. Das Männchen mauere den Eingang zu und lasse nur eine kleine Oeffnung, durch welche der eingeschlossene Vogel den Schnabel stecke, um sich so vom Männchen füttern zu lassen. Das Weibchen verfertige das Nest aus eigenen Federn, lege die Eier, brüte sie aus und bleibe bei den Jungen, bis zu deren Flüggewerden. Während dieser ganzen Zeit, welche zwei bis drei Monate dauern soll, ist das Männchen eifrig beschäftigt, die Gattin nebst den Jungen zu füttern. Gewöhnlich wird jene hierbei sehr fett und gilt deshalb bei den Eingeborenen als Leckerbissen, während das arme Männchen jämmerlich abmagert, oft in dem Grade, daß es bei plötzlich eintretendem Witterungswechsel mit dem Regen, wohl vor Schwäche, von dem Baume fällt und stirbt. Ich habe keine Gelegenheit gefunden, die wirkliche Dauer der Gefangenschaft zu ermitteln. Als ich aber acht Tage später an demselben Baume auf den Korwe stieß, war die Oeffnung schon wieder zugemauert, und es schien danach, als habe sich der unglückliche Wittwer bereits wieder mit einer neuen Gattin getröstet. Wir ließen beide ungestört, und der Zufall wollte, daß ich später den Ort nicht wieder betreten habe.

»Der Februar ist der Monat, in welchem das Weibchen das Nest bezieht. Wir sahen viele dergleichen ganz oder noch nicht völlig fertig, und hier, nahe den portugiesischen Besitzungen in Mosambik wie um Kolobeng, lautete ganz übereinstimmend die Aussage der Eingeborenen dahin, daß der eingeschlossene Vogel erst dann frei wird, wenn die Jungen flügge sind, um die Zeit der Kornreife nämlich. Da diese aber zu Ende des April fällt, so würde die Dauer der Gefangenschaft zwischen zwei oder drei Monaten betragen. Mitunter soll das Weibchen zweimal Eier ausbrüten, und wenn die beiden Jungen vollkommen flügge sind, haben zwei andere gerade die Eischale durchbrochen. Dann verläßt es das Nest mit den beiden älteren und beide Alten füttern alsdann, nachdem die Oeffnung von neuem zugemauert, die beiden zurückgebliebenen Jungen. Verschiedene Male beobachtete ich einen Ast, welcher deutliche Spuren davon zeigte, daß hier zu oft wiederholten Malen der männliche Korwe während der Ernährung des Weibchens gesessen hatte.«

Neuerdings sind Toks wiederholt nach Europa gebracht worden. Ich habe sie in verschiedenen Thiergärten gesehen und hier und da längere Zeit beobachtet. Sie zählen nicht zu den besonders anziehenden Käfigvögeln, bewegen sich wenig, lassen nur selten einen Stimmlaut vernehmen, schreien niemals in der begeisterten Weise wie während der Fortpflanzungszeit draußen im freien Walde, lassen daher kaum ahnen, welche absonderliche Gesellen sie eigentlich sind.

Als Vertreter der indischen Arten der Familie mag zuerst der Doppelhornvogel Erwähnung finden. Die von ihm vertretene Untersippe (Dichoceros) kennzeichnet der große, hohe, breite, über das erste Schnabeldrittheil hinausreichende, einen beträchtlichen Theil des Vorderkopfes überdeckende, hinten abgestutzte, vorn in zwei stumpfe Spitzen getheilte Schnabelaufsatz.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 274-277.
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