Fregattvogel (Tachypetes aquilus)

[585] Wenn irgend ein Vogel verdient, der Adler der See genannt zu werden, so ist es der Fregattvogel (Tachypetes aquilus, leucocephalus, minor und Palmerstoni, Pelecanus aquilus, leucocephalus und Palmerstoni, Fregata aquila, Attagen aquilus und ariel). Vertreter einer gleichnamigen Sippe (Tachypetes) und Familie (Tachypetidae). Der Leib ist schlank, der Hals kräftig, der Kopf mäßig groß, der Schnabel anderthalbmal so lang wie der Kopf, an der Wurzel etwas breit gedrückt, auf der Firste flach, längs der Kuppe gewölbt und hakenförmig herabgekrümmt, der Unterschnabel ebenfalls mit gebogen, der Kinnwinkel groß, breit und nackthäutig, der Mundrand bis unter die Augen gespalten, der Fuß sehr kurz, kräftig, an der Fußwurzel befiedert, langzehig und mit breit ausgeschnittenen Schwimmhäuten ausgerüstet, jede Zehe mit kräftig gebogener, spitziger Kralle, die mittlere mit einer ähnlich gestalteten, auf der Innenseite kammartig gezähnelten bewehrt, der Flügel außerordentlich lang und scharf zugespitzt, die erste Schwinge die längste, der aus zwölf Federn gebildete Schwanz sehr lang und tief gegabelt; das Gefieder, welches glatt anliegt und auf Kopf, Hals und Rücken glänzend ist, besteht oben aus länglichen, auf dem Mantel aus rundlichen, auf der Brust aus zerschlissenen Federn und läßt um die Augen und die Kehle eine Stelle frei. Bei Zergliederung des inneren Baues fällt die Leichtigkeit des Knochengerüstes und das ausgedehnte Luftfüllungsvermögen auf: insbesondere ist ein häutiger Kehlsack, welcher beliebig mit Luft gefüllt und geleert werden kann, der Beachtung werth.

Das Gefieder des alten Männchens ist bräunlichschwarz, auf Kopf, Nacken, Rücken, Brust und Seite metallischgrün und purpurschimmernd, auf den Flügeln graulich überflogen, auf den Oberarmschwingen und Steuerfedern bräunlich. Das Auge ist tiefbraun oder graubraun, die nackte Stelle um dasselbe purpurblau, der Schnabel lichtblau an der Wurzel, weiß in der Mitte und dunkel hornfarbig an der Spitze, der Kehlsack orangeroth, der Fuß auf der Oberseite licht[585] karminroth, auf der Unterseite orangefarben. Das Weibchen unterscheidet sich wesentlich durch das minder glänzende und lichter gefärbte, auf der Brust mehr oder weniger reinweiße Gefieder. Beim jungen Vogel sind Mantel und Schultern braun, durch lichtere Federsäume gezeichnet, die größten Schulterfedern, Schwingen, Steuer-, Bürzel-, oberen und unteren Schwanzdeckfedern schwarz, einige auf der Brustmitte und den Seiten stehende Federn braun, alle übrigen Theile weiß.


Fregattvogel (Tachypetes aquilus), Weibchen. 1/5 natürl. Größe.
Fregattvogel (Tachypetes aquilus), Weibchen. 1/5 natürl. Größe.

Die Länge beträgt einhundertundacht, die Breite zweihundertunddreißig, die Fittiglänge fünfundsechzig, die Schwanzlänge siebenundvierzig Centimeter, das Gewicht hingegen nur wenig über anderthalb Kilogramm.

Der Fregattvogel theilt mit dem »Sohne der Sonne« ungefähr dieselbe Heimat und verbreitet sich auch in ähnlicher Weise über die innerhalb der Wendekreise liegenden Meere, entfernt sich aber selten so weit wie jener von der Küste. Man hat ihn zwar auch siebzig bis einhundert geographische Meilen vom nächsten Lande gefunden; gewöhnlich aber verfliegt er sich kaum über funfzehn oder zwanzig Seemeilen weit von der Küste und kehrt bei jeder Veränderung des Wetters dahin zurück. Wenn der Morgen anbricht, verläßt er seinen Schlafplatz und zieht, bald in hoher Luft Kreise beschreibend, bald dem Winde entgegenfliegend, dem Meere zu, fischt, bis er sich gesättigt hat, und kehrt mit gefülltem Magen und Schlunde wieder zum Lande zurück, wenn Sturm droht, bereits vormittags, sonst erst in den Nachmittagsstunden. Gosse wollte erfahren, um welche Zeit er auf einem ihm bekannten Schlafplatze einträfe, und begab sich das erste Mal mit Sonnenuntergang dahin, fand jedoch, daß dies nicht früh genug war, weil bereits Fregattvögel, Tölpel und Pelekane [586] aufgebäumt hatten und schliefen. Die ganze Gesellschaft erhob sich bei Ankunft des Forschers, und die Fregattvögel flogen augenblicklich nach dem Meere hinaus, zogen in hoher Luft ihre zierlichen Kreise und erschienen erst nach vollkommen eingebrochener Dunkelheit wieder. Wenige Tage später begab sich Gosse zwischen drei und vier Uhr nach dem Schlafplatze; aber schon um diese Zeit waren die Fregattvögel in namhafter Anzahl vorhanden, hatten also bis dahin ihren Fanggeschäften vollständig genügt.

Audubon ist mit anderen Beobachtern geneigt, den Fregattvogel für den schnellsten Flieger auf dem Meere zu halten. So behend auch die Seeschwalben und Möven sind, meint er, ihm verursacht es keine Mühe, sie zu überholten. »Der Habicht, der Wander-und der Gerfalk, welche ich für die schnellsten Falken ansehe, sind genöthigt, ihr Opfer zuweilen eine halbe englische Meile weit zu verfolgen, bevor sie sich desselben bemächtigen können: der Fregattvogel hingegen stürzt sich aus seiner Höhe mit der Schnelligkeit eines Blitzes herunter auf den Gegenstand seiner Verfolgung, den sein kühnes Auge vorher fischen sah, schneidet ihm jeden Rückzug ab und zwingt ihn, die verschlungene Beute, welche er just gefangen, ihm vorzuwürgen.« Meerschweine und Delphine überhaupt beobachtet er, nach Versicherung desselben Schriftstellers, unablässig, streicht über sie ihn, wenn sie die fliegenden Fische verfolgen, und wirft sich, sobald sie das Wasser verlassen, unter sie, um einen im Fluge wegzunehmen, oder verfolgt sie, stoßtauchend, noch in die Tiefe. Einen Fisch, welchen er gefangen, läßt er zwei-, dreimal fallen, wenn er denselben nicht in erwünschter Weise mit dem Schnabel gefaßt hat, stürzt ihm nach und fängt ihn jedesmal, noch ehe er das Wasser berührt, sucht nunmehr ihn in eine günstigere Lage zu bringen. Zuweilen kreisen Fregattvögel stundenlang in hoher Luft mit der Leichtigkeit und Behaglichkeit der Geier und Adler, an welche sie überhaupt sehr erinnern; zuweilen verfolgen sie sich spielend unter den wundervollsten Schwenkungen und Windungen; nur beim Forteilen schlagen sie langsam mit den Schwingen. »Ihre langen, schmalen Flügel«, sagt der Prinz von Wied, »halten den angestrengten Flug lange aus; der Sturm treibt sie zwar oft fort, doch habe ich sie mit Leichtigkeit gegen denselben kämpfen und lange Zeit in der Luft stehen sehen.« Auf dem festen Boden wissen sie sich nicht zu benehmen, und auf dem Wasser scheinen sie nicht viel geschickter zu sein; wenigstens hat man sie noch niemals schwimmen sehen. Von dem Verdecke eines Schiffes vermögen sie sich nicht zu erheben; auf einem flachen, sandigen Ufer sind sie einem Feinde gegenüber verloren. Deshalb rasten sie auch nur auf Bäumen, welche ihnen genügenden Spielraum zum Abfliegen gewähren. Eine Stimme vernimmt man selten von ihnen; der einzige Naturforscher, welcher sie krächzen hörte, ist Audubon. Die Schärfe der Sinne muß, den übereinstimmenden Angaben der Beobachter zufolge, bedeutend sein, namentlich das Gesicht sich auszeichnen. Ein in hoher Luft dahinsegelnder Fregattvogel soll, wie man sagt, das kleinste Fischchen, welches nahe der Oberfläche des Wassers schwimmt, wahrnehmen, überhaupt ein großes Gebiet unter sich auf das vollständigste beherrschen. Das geistige Wesen kommt mit dem vieler Raubvögel überein. Besonders hervorragenden Verstand scheint der Fregattvogel nicht zu besitzen; doch unterscheidet er recht wohl zwischen seinen Freunden und Feinden, wird auch durch Erfahrung gewitzigt. Gewöhnlich zeigt er sich nicht scheu, hält sich aber doch in einer gewissen Entfernung von dem Menschen, welchem er nichts gutes zutraut, während er die Barke des Fischers sorgsam beobachtet, verfolgt und, wenn es zum Herausziehen der Fische geht, so dicht umschwärmt, daß er mit dem Ruder erschlagen oder, wie von Rosenberg auf Ceram erfuhr, mit den Händen ergriffen werden kann. Um andere Thiere bekümmert er sich nur insofern, als er aus ihnen einen gewissen Nutzen zu ziehen gedenkt. Audubon leugnet, daß er Tölpel und Pelekane angreift und so lange peinigt, bis sie ihm die Nahrung vorwürgen; andere Beobachter hingegen bestätigen diese alte Angabe. Auch der Prinz sagt, daß er die Fregattvögel oft einzeln oder in Gesellschaft eines anderen ein paar Stunden weit vom Meere entfernt über Landseen und Sümpfen schweben und sich in der Luft mit Raubvögeln um die Beute schlagen sah. Vom Hunger gequält, vergißt der Vogel jede Rücksicht, stürzt sich z.B. unmittelbar vor den Ortschaften auf Fische oder [587] Fleischstücke, welche er im Wasser schwimmen sieht, herab oder sammelt sich mit anderen seiner Art scharenweise um ein größeres Aas, welches an den Strand getrieben wurde, und versucht, von diesem soviel wie möglich abzureißen. Einen eigenthümlichen Eindruck scheinen lebhafte Farben auf ihn auszuüben. Chamisso erzählt, daß Fregattvögel auf die bunten Wimpel seines Schiffes wie auf Beute schossen, und Bennett versichert, dasselbe wiederholt gesehen zu haben. Angegriffene Fregattvögel vertheidigen sich übrigens wüthend und wissen, wie Tschudi erfuhr, sogar starken Hunden erfolgreich zu begegnen. Mit den Tölpeln sollen sie sich, laut Bennett, oft lange Zeit herumbalgen, förmlich in sie verkrallen und dann mit ihren Widersachern aus hoher Luft auf das Wasser herabstürzen.

Fliegende Fische scheinen die Hauptnahrung unseres Vogels zu bilden; doch verschmäht er wohl schwerlich ein kleineres Wirbelthier überhaupt. Audubon hat ihn im Verdachte, daß er die jungen Pelekane aus den Nestern stiehlt; andere wollen ihn als Räuber junger Zahnschnäbler kennen gelernt haben. Die Fische soll er, wie man Gosse erzählte, nicht immer mit dem Schnabel, sondern sehr häufig auch mit den Füßen fangen und sie damit zum Munde führen.

In den nördlichen Theilen ihres Verbreitungskreises beginnen die Fregattvögel ungefähr um die Mitte des Mai mit dem Nestbaue. Sie finden sich in der Nähe von Inseln ein, welche ihnen schon seit Jahren zum Brutplatze dienten, und nehmen hier alle passenden Oertlichkeiten in Besitz; denn zuweilen versammeln sich ihrer fünfhundert Paare oder mehr. Einzelne sieht man stundenlang in bedeutender Höhe über dem Eilande kreisen, während die übrigen mit dem Baue des Nestes selbst sich beschäftigen. Aeltere Nester werden ausgebessert und neue gegründet, trockene Zweige und Aeste fliegend mit dem Schnabel von den Bäumen gebrochen oder aus anderen Nestern gestohlen, auch wohl vom Wasser aufgenommen und dann, jedoch nicht gerade kunstvoll, verbaut. Gewöhnlich werden die Nester auf der Wasserseite der Bäume errichtet, am liebsten auf Bäumen, deren Wipfel über dem Wasser stehen, einzelne in der Tiefe, andere in der Höhe der Krone, nicht selten viele auf einem und demselben Baume. Das Gelege besteht, nach Audubon, aus zwei bis drei starkschaligen Eiern von etwa fünfundsechzig Millimeter Längs- und dreiundvierzig Millimeter Querdurchmesser und grünlichweißer Färbung, welche übrigens oft durch die Füllung des Nestes umgefärbt wird. Schwanz und Flügel des brütenden Alten ragen weit über das Nest vor. Wahrscheinlich wechseln beide Eltern im Brüten ab: daß die Männchen an diesem Geschäfte theilnehmen, unterliegt keinem Zweifel; ja, Bennett glaubt, daß sie sich mehr als die Weibchen den Eiern widmen. Die Jungen, welche anfänglich aussehen, als ob sie keine Füße hätten, kommen in einem gelblichweißen Dunenkleide zur Welt und verweilen sehr lange im Neste, da die Ausbildung ihres Flugwerkzeuges eine lange Zeit erfordert.

Laut Bryant brüten die Fregattvögel zuweilen auch auf nackten Felsen und gern unter Tölpeln. Auf einem Brutfelsen der Bahamainsel nisteten ungefähr zweihundert Paare so nahe an einander, daß alle Nester im Umkreise von funfzehn Meter gelegen waren. Zwischen ihnen brüteten keine Tölpel, aber tausende um sie herum. Bryant konnte Junge und Alte mit den Händen greifen, sie überhaupt kaum verscheuchen; denn nach einem Flintenschusse flogen sie zwar mit betäubendem Geschreie in die Luft, kehrten aber sogleich zu ihren Nestern zurück. Nach Versicherung dieses Forschers soll das Paar nur ein einziges Ei und bezüglich Junges erzeugen.

Gefangene Fregattvögel gelangen neuerdings dann und wann in unsere Käfige, dauern bei geeigneter Pflege auch jahrelang in ihnen aus. Diejenigen, welche ich sah, entschlossen sich nicht, selbständig zu fressen, mußten daher gestopft werden. In unschöner Stellung verweilten sie fast regungslos stunden-, selbst tagelang auf derselben Stelle. Ihren Pfleger unterschieden sie von allen übrigen Leuten, welche ihnen zu Gesicht kamen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 585-588.
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