Schopfpelekan (Pelecanus crispus)

[600] Der größere Schopfpelekan (Pelecanus crispus und patagiatus) ist weiß, sanft grauröthlich überflogen, der Fittig schwarz; die Federn des Kopfes und Hinterhalses sind gekräuselt und helmraupenartig verlängert. Das Auge ist silberweiß, der Schnabel oben graugilblich, der Kropfsack blutroth, bläulich geädert, der Fuß schwarz. Der junge Vogel sieht ebenfalls grau aus. Die Länge beträgt einhundertundsiebzig bis einhundertundachtzig, die Breite zweihundertundneunzig, die Fittiglänge fünfundsiebzig, die Schwanzlänge zwanzig Centimeter.

Der Pelekan verbreitet sich von Südungarn an über den größten Theil Afrikas und Südasiens; der Schopfpelekan gehört östlicher gelegenen Gegenden an, findet sich zunächst uns am Schwarzen Meere und weiter nach Osten hin an den größeren Gewässern Mittel-und Südasiens; einzelne kommen alljährlich in Südchina, einzelne ebenso in Nordafrika vor. In Südeuropa trifft der Pelekan zu Ende des April und zu Anfang des Mai ein, brütet und verläßt das Land im Oktober wieder. Bei dieser Gelegenheit verfliegt er sich zuweilen über die Grenzen seines Gebietes [600] hinaus, und so ist es geschehen, daß man ihn mitten in Deutschland angetroffen hat. Am Bodensee erschien einmal eine Herde von einhundertunddreißig Stück; einzelne oder kleine Trupps hat man in vielen Gauen unseres Vaterlandes beobachtet.

Wer nicht selbst Egypten oder Nordafrika überhaupt bereist und die Massen der Fischfresser gesehen hat, welche auf den dortigen Seen Herberge und Nahrung finden, kann sich unmöglich einen Begriff von der Anzahl dieser Vögel machen und wird den Berichterstatter möglicherweise der Uebertreibung beschuldigen. An den Strandseen Egyptens, auf dem Nilstrome während der Zeit der Ueberschwemmung oder weiter unten im Süden, ebensowohl auf dem Weißen und Blauen Nile mit seinen Nebenseen als auf dem Rothen Meere, gewahrt man zuweilen die Pelekane zu solchen Massen vereinigt, daß das Auge nicht im Stande ist, eine Schar zu überblicken.


Pelekan (Pelecanus onocrotalus). 1/7 natürl. Größe.
Pelekan (Pelecanus onocrotalus). 1/7 natürl. Größe.

Sie bedecken im buchstäblichen Sinne des Wortes mehrere Geviertkilometer, gleichen, wenn sie auf den Seen schwimmen, riesigen Wasserrosen, oder wenn sie am Strande und bezüglich auf Inseln sitzen, um[601] sich zu sonnen und ihr Gefieder zu putzen, einer langen weißen Mauer; sie bedecken da, wo sie sich zum Schlafen niederlassen, alle Bäume kleinerer Inseln so dicht, daß man von fernher meint, die Bäume hätten bloß große weiße Blüten, nicht aber auch grüne Blätter. Scharen von zehn bis zwölf sind etwas seltenes, Gesellschaften von hunderten und tausenden das gewöhnliche. Gegen das Frühjahr hin zertheilen sich die Schwärme einigermaßen, weil dann viele von denen, welche sich während des Winters versammelten, nach dem Süden Europas ziehen, um daselbst zu brüten, und die in Egypten und Nordafrika überhaupt bleibenden auch nicht Brutplätze finden, welche ihnen sämmtlich gestatten, in Gemeinschaft zu nisten; immer aber sieht man auch dann noch sehr zahlreiche, von den Jungen gebildete Herden.

Alle Pelekane machen keinen Unterschied zwischen süßen und salzigen, wohl aber zwischen seichten und tieferen Gewässern. Nur eine einzige Art der Familie, welche in Mittelamerika lebt, erwirbt sich ihre Nahrung durch Stoßtauchen; alle übrigen sind nicht im Stande, in dieser Weise zu fischen, sondern können dies nur von der Oberfläche des Wassers aus thun. Gerade wegen des dichten Luftpolsters, welches unter ihrer Haut liegt, sind sie ganz unfähig, ihren Leib unter das Wasser zu zwingen, liegen vielmehr wie Kork auf der Oberfläche und halten sich demgemäß bloß in denjenigen Tiefen auf, welche sie mit Hals und Hamenschnabel ausbeuten können. Zu diesem Ende versammeln sie sich auf seichteren Stellen der Gewässer, vertheilen sich in einer gewissen Ordnung über einen weiten Raum und fischen nun, mehr und mehr zusammenrückend, das zwischen ihnen liegende Wasser aus. Auf den Seen und den seichten Meerestheilen bilden sie einen weiten Halbmond und rudern gegen den Strand an oder schließen selbst einen Kreis und verringern diesen allgemach mehr und mehr; auf schmalen Flüssen oder Kanälen theilen sie sich in zwei Haufen, bilden eine geschlossene Reihe auf dieser, eine auf jener Seite, schwimmen gegen einander an und fischen so ebenfalls den betreffenden Theil rein aus. Ihr Hamenschnabel leistet ihnen dabei unübertreffliche Dienste, weil er ihnen leichtes Erfassen und Festhalten der gefangenen Beute gestattet. Für gewöhnlich fressen die Pelekane nur Fische; zuweilen greifen sie jedoch auch andere Wirbelthiere an. Junge Schwimmvögel, welche sich in ihre Nähe wagen, sind immer gefährdet; sie schlingen halberwachsene Enten hinab. Ihr Schlund ist so weit, daß er eine geballte Mannesfaust bequem durchläßt: ich habe mehr als einmal meinen gefangenen Pelekanen große Fische mit der Hand aus ihren Mägen gezogen.

Sie gehen mit ziemlich aufrecht getragenem Leibe langsam und wankend, jedoch nicht eigentlich schwerfällig, unternehmen zuweilen verhältnismäßig lange Fußwanderungen, zeigen sich ebenso auf Baumwipfeln sehr geschickt, suchen diese auch da, wo sie in der Nähe sich finden, regelmäßig auf, um auszuruhen, sich zu sonnen und ihr Gefieder zu putzen, schwimmen leicht, rasch und ausdauernd und fliegen ausgezeichnet schön. Nach einem kurzen Anlaufe, wobei sie wie die Schwäne mit den Flügeln auf das Wasser schlagen, daß es auf weithin schallt, erheben sie sich von der Oberfläche desselben, legen den Hals in ein S gebogen zusammen, den Kopf, sozusagen, auf den Nacken und den Kehlsack auf den Vorderhals, bewegen die Flügel zehn- bis zwölfmal rasch und nach einander in weit ausholenden Schlägen und streichen hierauf gleitend einige Meter weit fort, bis sie einer gefährlichen Stelle entrückt sind und nun entweder kreisend in höhere Luftschichten sich emporschrauben, oder in der angegebenen Weise weiter fliegen. Gewisse Inseln behagen ihnen so, daß sie dieselben nicht verlassen mögen; von ihnen aus müssen sie dann, um einen reichlichen Fischfang zu thun, oft sehr weit fliegen; ein solcher Flug erscheint ihnen als ein Morgenspaziergang, und sie legen die Entfernung auch wirklich in überraschend kurzer Zeit zurück. An Sinnesschärfe stehen sie hinter anderen Ruderfüßlern schwerlich zurück; an Verstand scheinen sie ihre Verwandten zu übertreffen. Sie zeigen sich da, wo sie dem Menschen nicht trauen, ungemein vorsichtig, an anderen Orten dagegen so vertrauensselig, daß sie sich wie zahme Vögel benehmen, schwimmen z.B. in den Hafenstädten des südlichen Rothen Meeres unbesorgt zwischen den Schiffen umher und lassen sich von den Schiffern füttern, wie unsere Schwäne von Spaziergängern. Aber sie merken sich jede [602] Verfolgung und unterscheiden einen Menschen, welcher sie einmal bedrohte, sicher von allen übrigen. Gefangene können ungemein zahm und ohne sonderliche Vorkehrungen zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden; es genügt, ihnen mehrere Male nach einander die Schwingen zu verkürzen oder auszuziehen, sie an einem bestimmten Orte zu füttern und von diesem aus mit sich zu nehmen, um sie einzugewöhnen. In der Nähe der Fischerdörfer an den egyptischen Strandseen sieht man zahme Pelekane, welche des Morgens ausgehen, ihr Futter selbst fangen und des Abends zurückkehren; einzelne besuchen die Fischmärkte, stellen sich hier neben den Käufern auf und betteln, bis diese ihnen etwas zuwerfen; andere stehlen mit wirklicher List einiges von den aufgespeicherten Vorräthen. Anfänglich setzen sie sich ihrem Pfleger zur Wehre, bedrohen ihn wenigstens mit dem ungeheuren, aber sehr ungefährlichen Schnabel; später lassen sie sich fast alles gefallen, was dieser mit ihnen vorzunehmen beliebt. Sie sind ebenso gutmüthig wie klug, vertragen sich mit allen Thieren und scheinen froh zu sein, wenn ihnen nichts zu Leide gethan wird. Nur ihr kaum zu stillender Heißhunger treibt sie zuweilen an, kühn sich vorzudrängen oder selbst einen Kampf mit anderen Fischliebhabern zu wagen; doch muß es arg kommen, wenn sie ihre gewöhnliche Feigheit verleugnen. Unter sich leben die gleichen Arten außerordentlich friedlich und betreiben auch ihre Geschäfte soviel wie möglich gemeinschaftlich; verschiedene Arten aber vereinigen sich nie.

Das tägliche Leben der Pelekane ist geregelt. Die frühen Morgenstunden werden zur Jagd benutzt. Kleinere oder größere Flüge ziehen dahin, die ersteren in einer schiefen Linie, die letzteren in der bekannten Keilordnung; die einen wenden sich seichten Buchten zu, die anderen kommen von diesen bereits gesättigt zurück. Einzelne fischende Pelekane habe ich nur in Griechenland gesehen; gewöhnlich waren es sehr zahlreiche Schwärme, welche sich zu diesem Thun vereinigt hatten. Gegen zehn Uhr vormittags haben sich alle gesättigt und wenden sich nun einer beliebten Sandbank oder Baumgruppe zu, um hier auszuruhen, zu verdauen und dabei das Gefieder zu putzen und neu einzufetten. Letztere Thätigkeit nimmt viele Zeit in Anspruch, weil der ungefüge Schnabel das Geschäft erschwert und sehr sonderbare Stellungen nöthig macht, namentlich wenn es sich darum handelt, die Federn des Halses zu bearbeiten. Nachdem das Putzen vorüber, nehmen die durch das behagliche Gefühl der Verdauung träge gewordenen Vögel verschiedene Stellungen an, je nachdem sie auf Bäumen oder auf dem Boden sitzen. Dort stellen sie sich mit tief eingezogenem Halse gewöhnlich sehr senkrecht auf die Aeste, hier legen sie sich nicht selten platt auf den Bauch nieder. Bis gegen Mittag kommen beständig neue herbei, und die Versammlung wächst demnach von Minute zu Minute. Nachmittags zwischen drei und vier Uhr beginnen die Reihen sich wieder zu lichten; gesellschaftsweise ziehen sie zu neuem Fange aus. Die zweite Jagd währt bis Sonnenuntergang, dann fliegt die Gesellschaft dem Schlafplatze zu. Nur da, wo es an Bäumen mangelt, ist dieser eine flache Sandbank oder eine einsame Insel; da, wo es baumbedeckte Inseln gibt, schlafen sie stets auf solchen.

Ueber ihre Fortpflanzung habe ich eigene Beobachtungen nicht sammeln können. In Südeuropa wählen sie Sümpfe und Seen zu ihren Brutansiedelungen. »An solchen, nur mit den unglaublichsten Schwierigkeiten zu erreichenden Orten«, sagt Graf von der Mühle, »wo schwimmende Inseln sich befinden, stehen auf diesen, dicht an einander gedrängt, die grob aus Rohr und Schilf zusammengetretenen, meistens nassen oder feuchten Nester. Die ganze Umgegend ist mit ihrem dünnflüssigen, weißen Unrathe bedeckt, und die Ausdünstung desselben sowie einer Menge faulender Fische, die beim Füttern verloren gingen, verbreiten in dieser heißen Jahreszeit einen ekelerregenden, unerträglichen, verpestenden Gestank. Sonderbar, daß sie nicht zu gleicher Zeit brüten; denn man findet auf den Eiern sitzende Weibchen neben flüggen Jungen, ja mein Freund Freyberg, welcher diese Brutplätze mehrere Male besuchte, versicherte mich, in einem Neste ein erwachsenes und ein noch mit Flaum bedecktes Junges gefunden zu haben, welches sich nicht anders erklären läßt, als daß zwei Weibchen zusammen in dasselbe Nest gelegt haben.« Das Gelege soll aus drei bis fünf verhältnismäßig kleinen, mehr oder weniger langgestreckten, nach [603] beiden Enden gleich verdünnten, etwa neun Centimeter langen, sechs Centimeter dicken, bläulichweißen, aber immer mit einer dick aufliegenden Kalkkruste bedeckten Eiern bestehen. Die Jungen, welche nach achtunddreißigtägiger Brutzeit dem Eie entschlüpfen, kommen in einem grauen Dunenkleide zur Welt, haben ein höchst einfältiges Aussehen, lassen beständig heisere und »schirpende« Laute vernehmen und sind überhaupt höchst widerliche Geschöpfe. Ihre Eltern, welche sie gemeinschaftlich erbrüteten, lieben sie sehr und vergessen im Neste alle ihnen sonst eigene Scheu.

Wenn man sich auf ihren Schlaf- oder Ruheplätzen anstellt, hält es nicht schwer, so viele Pelekane zu erlegen, als man will; denn sie sind so hinfällig, daß schon ein Schuß mit schwachem Schrote sie tödtet. Wenn sie auf dem Wasser schwimmen, lassen sie den Jäger selten so nahe an sich herankommen, daß dieser mit Erfolg einen Schrotschuß auf sie abgeben kann, falls er nicht ein geübter Büchsenschütze ist. Wiederholte Verfolgung macht sie außerordentlich scheu; doch mögen sie auch dann von dem einmal gewählten Schlafplatze nicht lassen. Die Araber fangen sie, um sie zu essen, obgleich dies nach den mohammedanischen Gesetzen eigentlich verboten ist. Denn als man die Kaaba in Mekka baute, und das Wasser weit herbeigeholt werden mußte, gebrach es bald an den nöthigen Trägern. Die Bauleute klagten, daß sie ihre Hände müßig ruhen lassen mußten; aber Allah wollte nicht, daß der heilige Bau verhindert werde, und sandte tausende von Pelekanen, welche ihren Kehlsack mit Wasser füllten und dieses den Bauleuten brachten.

Wenn ein arabischer Fischer einen Pelekan gefangen hat, durchsticht er die Augen mit einer Nadel, zieht einen Faden durch und bindet diesen wieder mit dem vom anderen Auge oben auf dem Kopfe zusammen. Die Lider entzünden sich, und der arme Vogel muß viele Schmerzen leiden, bis seine Erlösungs-, bezüglich Todesstunde schlägt. Entsprechend gepflegte Paare schreiten in der Gefangenschaft ebenfalls, obwohl selten, zur Fortpflanzung.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 600-605.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon