Haubensteißfuß (Podiceps cristatus)

[610] Das stattlichste Mitglied ist der Haubensteißfuß, Hauben-, Kragen-, Kobel-, Strauß-, Kappen-, Erz- und Horntaucher, See- oder Schlaghahn, Seedrache, Seeteufel, Meerhase, Meerrachen, Blitzvogel, Fluder, Nerike, Merch, Work, Lorch, Rug, Deuchel usw. (Podiceps cristatus, urinator, mitratus, patagiatus, longirostris und Wilhelmi, Colymbus cristatus, cornutus, urinator und coronatus, Lophaythia cristata). Im Hochzeitskleide trägt der Kopf seinen Schmuck, einen oben getheilten, zwei Hörner bildenden Federbusch und einen aus prächtigen, langen, zerschlissenen Federn zusammengesetzten Kragen, welcher die Kopfseiten und die Kehle umgibt. Der Oberkörper ist glänzend schwarzbraun, ein Spiegel auf dem Flügel, welcher durch die Armschwingen gebildet wird, die Wangengegend wie die Kehle weiß, der Kragen rostroth, am Rande schwarzbraun, der Unterleib glänzend atlasweiß, seitlich rostfarben und schwarzgraulich gefleckt, das Auge karminroth, der Zügel roth, der Schnabel blaßroth, der Fuß auf der äußeren Seite dunkel hornfarben, auf der inneren Seite horngelblichweiß. Im Winterkleide sind Busch und Kragen noch nicht ausgebildet; auf dem Oberkörper mischt sich dem Schwarzbraun tiefes Grau bei; das Rostroth des Kragens und das Rostbraun der Seiten sind matter. Das Weibchen unterscheidet sich durch geringere Größe, nicht aber durch die Färbung von dem Männchen. Die Jungen sind weniger schön als die Alten im Winterkleide und am Kopfe und Halse noch gestreift, die Küchlein im Dunenkleide grau und schwarz gestreift. Die Länge beträgt fünfundneunzig, die Breite sechsundsechzig, die Fittiglänge achtzehn Centimeter.

Vom sechzigsten Grade nördlicher Breite an südlich bemerkt man den Haubensteißfuß auf geeigneten Seen und Gewässern überall in Europa, nicht selten in Deutschland, häufig auf den Seen des Südens. Im Norden erscheint er im Frühlinge nach der Schneeschmelze, gewöhnlich also im April, und verweilt bis höchstens zu Ende des November im Vaterlande; da aber, wo die See nicht zufriert, zieht er nach dem Meere hinaus und überwintert hier, folgt auch wohl der Küste bis nach Südeuropa und Nordafrika. In Griechenland und in Spanien lebt er ständig jahraus jahrein; die Anzahl der dort wohnenden wird aber in jedem Winter durch die vom Norden her einwandernden beträchtlich vermehrt. In Nordwestafrika tritt er ebenfalls noch regelmäßig auf; in Egypten bemerkt man ihn immer einzeln und selten. Ebenso häufig als Europa bewohnt er Mittelasien oder Nordamerika, von Sibirien aus bis Südchina und Japan, von Nordamerika bis zu dem Süden der Vereinigten Staaten wandernd.

Er erscheint im Frühjahre paarweise, vereinigt sich aber im Herbste gern zu größeren Gesellschaften, welche zuweilen funfzig und mehr Stück zählen können und gemeinschaftlich die Reise nach dem Süden antreten. Daß er nur des Nachts wandert, läßt sich erwarten; daß er auf größeren [610] Seen, auch wohl auf Flüssen, und regelmäßig längs der Meeresküste seine Reise schwimmend zurücklegt, wird von den meisten Forschern angenommen.


Haubensteißfuß (Podiceps cristatus). 1/4 natürl. Größe.
Haubensteißfuß (Podiceps cristatus). 1/4 natürl. Größe.

Während des Sommers bezieht er größere Teiche oder Seen, welche stellenweise mit Rohr und Schilf bewachsen sind. Er verlangt eine Wasserfläche von ziemlicher Ausdehnung, so daß er in der Mitte des Wasserspiegels wenigstens vor dem Schrotgewehre sicher ist. Mehr als andere Arten noch hält er sich im Wasser auf; denn das Stehen und Gehen wird ihm beschwerlicher als den kleinen Verwandten. Im Schwimmen und Tauchen steht er keinem von diesen nach; was ihm an Gewandtheit abgeht, ersetzt er durch Ausdauer. Nach Naumanns Beobachtungen durchmißt er unter Wasser in einer halben Minute mehr als sechzig Meter. Der Flug geschieht verhältnismäßig schnell, geht in gerader Linie fort und verursacht ein hörbares Rauschen. Unter seinen Familienverwandten ist er der vorsichtigste und scheueste. »Eigentlich«, sagt Naumann, »traut er keinem Menschen, beobachtet selbst Hirten, Frauenzimmer und Kinder erst eine Zeitlang aus der Ferne, ehe er etwas mehr Vertrauen faßt [611] und näher kommt; auch Fischerkähne flieht er schon von weitem, selbst wenn sie mit Leuten besetzt wären, welche sich nicht um ihn kümmern. Trifft ihn jemand, wer es auch sei, einmal in der Nähe des Ufers, so beeilt er sich, theils auf, theils unter dem Wasser, so schnell als möglich auf die freie Fläche und ein paar hundert Schritte weit weg zu kommen. In dieser Entfernung schwimmt er nun so ruhig, als ob er wüßte, daß ihm hier kein Leid zugefügt werden könne. Seine Vorsicht gebietet ihm, überall, wo es ihm nicht recht sicher scheint, auf freier Blänke sich aufzuhalten, damit ihn nichts hindert, sich umzuschauen und jede Gefahr von weitem erspähen zu können, und wenn ihn das Fortpflanzungsgeschäft in die Nähe der Schilf- und Rohrbüsche am Ufer treibt, so nähert er sich nur, wenn keine Menschen dort sich aufhalten. Ueberrascht, schlüpft er wohl auch zwischen das Rohr, jedoch nur so lange, bis er die Gelegenheit absieht, unter dem Wasser entlang wieder das Freie zu suchen, worauf er oft nur den Kopf blicken läßt, taucht und so fortfährt, bis er die sichere Weite erlangt zu haben meint.« Zu anderen Vögeln gesellt er sich nicht oder doch nur auf kurze Zeit; während der Brutzeit mag er selbst mit seinesgleichen nichts zu thun haben. Es kommt vor, daß mehrere Pärchen auf einem und demselben Gewässer nisten; dann aber behauptet jedes streng sein Gebiet und vertreibt aus diesem andere Pärchen.

Die kräftige, weitschallende Stimme ist vielfach verschieden. Mit einem oft wiederholten »Kökökök« unterhalten sich beide Geschlechter; ein lautes »Kraor« oder »Kruor« vertritt gleichsam den Gesang anderer Vögel, wird wenigstens hauptsächlich während der Brutzeit vernommen und schallt, als ob es der Wasserspiegel verstärke und weiter fortpflanze, daß man es nach Naumanns Versicherung unter dem Luftzuge auf eine Wegstunde weit vernehmen kann. In der Nähe des Nestes schreien die Haubensteißfüße übrigens nicht oder doch nur selten: Klugheit und Furcht verbieten ihnen, hier zu viel Lärm zu schlagen. Um so lebhafter rufen sie vor und nach der Begattung, aber auch nur, wenn sie keinen Menschen in der Nähe wissen. Unter einander sind die Gatten eines Paares überaus zärtlich. »Hat sich«, sagt Naumann, »der eine zufällig etwas entfernt, so ruft ihm der andere sehnsüchtig zu, bis er ihn wieder bei sich hat. Immer schwimmen sie dann dicht neben einander her, tändeln mit einander und stimmen öfters ihren lautschallenden Zweisang an. Jedes Paar behauptet seinen Nistplatz, und da, wo es der Umfang des Gewässers mehreren oder vielen zu brüten gestattet, gibt es zu Anfang der Begattungszeit gar viel Raufereien, bei denen zuletzt der Besiegte den Verfolgungen des Siegers gewöhnlich nicht anders als durch den Flug zu entgehen weiß.

Je nachdem das Rohr früher oder später eine gewisse Höhe erlangt hat, macht das Paar Anstalt zum Brüten. Das Nest wird in der Nähe von Rohr, Schilf oder Binsen, stets nahe am Rande des Wassers und weit vom Lande entfernt, oft ganz frei mitten im Wasser, angelegt und dann an einigen Halmen befestigt. Seine Breite beträgt etwa dreißig, die Höhe ungefähr funfzehn Centimeter. Die Mulde ist ungemein platt, anscheinend bloß durch die Last des liegenden Vogels nach und nach eingedrückt. Das ganze gleicht einem aufgeworfenen, zufällig vom Winde zusammengewehten, schwimmenden Klumpen faulender Wasserpflanzen so vollkommen, daß es ein ungeübter nie für das Nest eines Vogels ansehen wird. Es ist nicht allein zu bewundern, daß dieser nasse Klumpen den ziemlich schweren Vogel trägt, sondern noch mehr, daß er beim Auf- und Absteigen desselben nicht aufkippt.« Obgleich letzterer das Nest mit einer gewissen Vorsicht besteigt, rutschend nämlich, wirft er doch zuweilen ein und das andere Ei in das Wasser. Vier halb in der Nässe liegende, durchschnittlich zweiundfunfzig Millimeter lange, fünfunddreißig Millimeter dicke, anfänglich reinweiß, bald aber schmutzig lehmgelb sich färbende Eier, zuweilen eines mehr, manchmal eines weniger, bilden das Gelege. Beide Geschlechter brüten abwechselnd ungemein eifrig und bekunden warme Liebe zur Brut; namentlich das Weibchen geberdet sich, wenn man sich dem Neste naht, überaus ängstlich, stößt klagende Laute aus und setzt seine Sicherheit ohne Bedenken aufs Spiel. Wenn man sich nähert, verläßt es die Eier, bedeckt sie aber beim Abgehen in großer Eilfertigkeit mit Neststoffen, entfernt sich nicht weit und kehrt sobald als irgend thunlich wieder zurück [612] Nimmt man ihm ein Ei nach dem anderen weg, ehe es brütet, so kann man es nach und nach dahin bringen, ihrer zwanzig und mehr zu legen. Die Jungen werden von beiden Eltern geführt; doch übernimmt der Vater hauptsächlich das Amt des Wächters. Anfänglich werden den Küchlein kleine Kerbthierlarven mit dem Schnabel vorgehalten, später nur auf das Wasser gelegt, gleichzeitig sie im Tauchen unterrichtet. Fische, welche zu groß sind, verspeisen die Alten, nachdem sie die fruchtlosen Bemühungen der Jungen, sie zu verschlucken, angesehen haben, schließlich selbst, erjagen dafür aber dann kleinere. Lassen die Jungen aus Mangel an Geschicklichkeit die Nahrung fallen, so fangen die Alten diese wieder auf. Die Jungen sind, wie Jäckel schildert, zumal in früher Jugend äußerst niedliche Wesen. »Es gewährt dem Naturfreunde lebhaftes Vergnügen, das Familienleben dieser Vögel zu beobachten und zu sehen, wie bald eines, bald mehrere Junge, ermüdet von dem noch ungewohnten, lange anhaltenden Schwimmen überhaupt oder namentlich von dem oft starken Wellenschlage der breiten Wasserfläche, der Mutter auf den Rücken steigen, und wie diese späterhin durch Untertauchen ihrer Bürde sich wieder entledigt, oder wie die Jungen, wenn sie etwas von den Eltern abgekommen sind, ängstlich und laut piepen und pispern, wie sie von den Alten durch Vorlegen von Nahrung gefüttert oder auch im Tauchen unterrichtet werden.« Anfänglich wurde den Jungen, welche Jäckel beobachtete, die Speise immer nur über dem Wasser vorgelegt; vom achten Tage des Lebens aber begann der Unterricht. »Der Alte schwamm jenen Jungen, wenn sie soeben zugreifen wollten, noch zwei- oder dreimal mit der Speise voran und tauchte dann mit dem Fische unter, um sie zu veranlassen, ihm zu folgen. Sie waren aber doch noch etwas zu unbeholfen; er legte ihnen daher auch noch fernerhin Speise über dem Wasser vor. Mit lautem ›Quong, quong‹ lockte er die Jungen herbei; sie kamen dann auf dem Wasser rudernd aus ziemlicher Entfernung heran, und der beste der Schwimmer bekam das Fischchen zum Lohne.« Gegen fliegende Räuber vertheidigen die Eltern ihre Küchlein mit Heldenmuthe. Naumann sah das Weibchen nach vorüberfliegenden Krähen und Raubvögeln vom Wasser aus hoch in die Höhe springen, mit dem Schnabel nach dem Räuber schnappen oder hacken und dadurch diesen öfters wirklich von seinem Vorhaben abbringen. »In solchem beängstigenden Streite schreit es jämmerlich, während das Männchen aus geringer Entfernung zwar die Angst der Gattin zu theilen scheint und mitschreit, aber nicht Muth hat, ihr auch thätige Hülfe zu leisten.«

Der Haubensteißfuß nährt sich in der Freiheit fast ausschließlich von Fischen, obwohl er größere Kerbthiere keineswegs verschmäht. Auf Brutteichen kann er deshalb einigen Schaden anrichten; da, wo man größere Fische hält, kommt derselbe jedoch nicht in Betracht und wird von dem Nutzen, welchen der Vogel gewährt, jedenfalls aufgewogen. Das Fleisch ist allerdings nicht eßbar, der Federpelz aber gegenwärtig wieder sehr geschätzt und in der That ein so kostbares Kleidungsstück, daß man die Verfolgung, welche der Vogel erdulden muß, wenigstens entschuldigen kann. Ein Waidmann, welcher den aus den erlegten Haubensteißfüßen zu erzielenden Gewinn nicht allzu hoch anschlägt, wird ihnen schwerlich nachstellen, weil er an den beweglichen und sonderbaren Geschöpfen nothwendiger Weise seine Freude haben muß.

In der Gefangenschaft hält sich der Haubensteißfuß, wenn man ihm kleine Fische reichen kann, monatelang. Im Zimmer kann man ihn freilich nicht pflegen, weil ein nicht zu kleines Wasserbecken zu seinem Wohlbefinden unbedingt nothwendig ist; auf einem kleinen Teiche im Garten aber wird er bald heimisch, mit seinem Pfleger nach wenigen Tagen vertraut und schließlich so zahm, daß er auf den Ruf herbeikommt und das ihm vorgeworfene Futter, unbekümmert um den Menschen und in dessen unmittelbarer Nähe, zu sich nimmt. Schwierig wird seine Erhaltung nur im Winter; denn er kann strenge Kälte nicht vertragen und geht bei starkem Froste regelmäßig zu Grunde.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 610-613.
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