Kaptaube (Daption capensis)

[569] Ein allen Schiffern wohlbekannter Sturmvogel, die Kaptaube (Daption capensis, Procellaria capensis, naevia und punctata), unterscheidet sich durch seinen sehr kräftigen Bau, den kurzen, an der Wurzel breiten, an der Spitze zusammengedrückten und auffallend schwachen Schnabel und die großzehigen, mit breiten Schwimmhäuten ausgerüsteten Füße von den beschriebenen Verwandten und ist deshalb zum Vertreter einer besonderen Sippe, der Taubensturmvögel (Daption), erhoben worden. Oberkopf und Hinterhals, Kopf- und Halsseiten sind dunkel eisengrau, Mantel, obere Flügel- und Schwanzdeckfedern weiß, durch große, unregelmäßig dreieckige, eisengraue Spitzenflecke gezeichnet, eine Stelle unter dem Auge sowie die Untertheile weiß, Kehle und Vorderhals dicht, die Seiten spärlich dunkler gefleckt, die schwarzschaftigen Handschwingen rußschwarz, innen wie die Armschwingen größtentheils, die Schwanzfedern bis auf ein schwarzes Endband weiß. Das Auge ist dunkel kastanienbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß braunschwarz. Die Länge beträgt achtunddreißig, die Breite einhundertundzehn, die Fittiglänge siebenundzwanzig, die Schwanzlänge neun Centimeter.

Die Kaptaube ist unter allen Seevögeln der treueste Begleiter der Schiffe. Ihre Verbreitung ist merkwürdig. Im Atlantischen Weltmeere lebt sie jenseit des Wendekreises des Steinbockes, und es ist ein höchst seltener Zufall, wenn sie sich einmal innerhalb des heißen Gürtels oder gar bis auf die nördliche Halbkugel, beziehentlich bis an die Westküste Europas, verirrt; in der Südsee dagegen trifft man sie, wenigstens in dem Theile, welcher Amerikas Westküste bespült, bis nördlich vom Gleicher. »Ich habe«, sagt Tschudi, »die Beobachtung gemacht, daß sie in jenem heißen Gürtel nie so anhaltend in der Nähe der Schiffe sich aufhalten wie in dem kalten Klima der höheren Breiten. Wenn sie hier Tag und Nacht die Schiffe umschwärmen, so verschwinden sie dort während der Nacht und stellen sich nur eine Stunde vor oder nach Sonnenaufgang und in den späten [569] Nachmittagsstunden ein. Ob dies feste Regel ist, vermag ich nicht zu entscheiden; bei meinen Reisen war es wenigstens immer so. Nie bemerkte ich auf einer Rhede, in einer Bai oder in einem Hafen der Südsee die Kaptaube, während doch so viele Vögel der Bai auch die windgeschützten Ankerplätze der Schiffe besuchen; aber kaum wenige Seemeilen vom Lande eilt sie als erster Vorläufer ihrer Gattungsverwandten den Fahrzeugen entgegen.«

Die Kaptaube schwimmt leicht, thut dies jedoch selten; denn sie fliegt bei Tage und bei Nacht und setzt sich bloß gelegentlich hin, um etwas genießbares bequemer aufnehmen zu können.


Kaptaube (Daption capensis). 1/4 natürl. Größe.
Kaptaube (Daption capensis). 1/4 natürl. Größe.

»Man kann sich«, sagt Gould, »nichts zierlicheres denken als ihre Bewegungen im Fliegen, wenn sie den Hals auf den Rücken beugt, die großen Beine ganz unter die Unterschwanzdeckfedern zieht und den Schwanz wie einen Fächer ausspreizt.« Tschudi nennt sie einen sehr gefräßigen und äußerst zänkischen Vogel. Ihre Nahrung besteht in Weichthieren, Krebsen und kleineren Fischen. Wenn sie den Fahrzeugen folgt, nährt sie sich bei stürmischem Wetter vorzüglich von Küchenabfällen aller Art, welche über Bord geworfen werden und in den Schiffsfurchen treiben, auch von Menschenkoth. »Mit widerlichem Geschreie stürzt sie sich oft auf die so ekelhafte Beute und jagt sich gegenseitig jedes Stückchen ab.« Man irrt gewiß nicht, wenn man annimmt, daß nur die Noth sie zwingt, solche Nahrung aufzunehmen. Tschudi fand in den Mägen der bei ruhiger See erbeuteten Kaptauben immer verschiedene Weich- und Schalthiere oder Ueberreste von Fischchen, im Magen der im Sturme gefangenen dagegen Bohnen, Erbsen, Linsen, Knochen, Werch, Leder, Speck, Kohlblätter, Schiffszwieback, Holzstückchen usw. Bei heiterem Wetter ist sie ziemlich scheu und mißtrauisch, im Sturme aber, vom Hunger geplagt, rücksichtslos dreist, und dann läßt sie sich mit größter Leichtigkeit fangen. Zu diesem Zwecke wird eine Stecknadel an einen starken Faden gebunden und unter einem spitzigen Winkel gebogen; ein daran gestecktes Stück Speck oder Brod dient als Köder. Es währt nie lange, bis sich einige Vögel darum versammeln und es gierig zu haschen suchen. Wenn [570] nun die Schnur im richtigen Augenblicke angezogen wird, bleibt die Angel im Oberkiefer des Vogels stecken, und er wird die Beute des Fängers. Bei heftigem Sturme erreicht natürlich der leichte Köder das Wasser nicht, sondern flattert an der Schnur in der Luft; hier aber suchen ihn die Kaptauben ebenfalls gierig zu verschlingen und fangen sich entweder mit dem Schnabel, oder verwickeln sich mit den Flügeln in dem Faden. An Bord gezogen vertheidigen sie sich tapfer mit dem Schnabel und schleudern mit merkwürdiger Sicherheit eine eklige, schmierige, ölähnliche Flüssigkeit ihrem Feinde ins Gesicht. Die Matrosen ziehen ihnen die Haut ab und machen Wetterfahnen daraus: das ist der einzige Nutzen, welchen die Kaptauben gewähren.

Ueber das Brutgeschäft mangeln noch alle Beobachtungen. Gould sagt, daß sie auf Tristan d'Acunha und auf anderen Inseln, Tschudi, daß sie auf nackten Felseninseln unweit der peruanischen Küste nisten soll. In den Meeren um die Südspitze Afrikas verschwindet sie im November und December gänzlich, wird diese Zeit also sicherlich auf ihren Brutplätzen zubringen. Wahrscheinlich liegen diese auf den Inseln um das Festland am Südpole. Hier, in der Nähe von Südvictoria, zwischen dem einundsiebzigsten und zweiundsiebzigsten Grade südlicher Breite, sah Roß flügge Junge.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 569-571.
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