Jassana (Parra Jacana)

[409] Einer der gemeinsten Sumpfvögel Südamerikas, die Jassana (Parra Jacana, nigra und brasiliensis), Vertreter der Sippe der Sporenflügel (Parra), kennzeichnet sich durch leichten, [409] zierlichen Leib, seinen, schlanken Schnabel, mit nackter, abstehender Stirnschwiele und nackten Mundwinkellappen, hohe, dünne, langzehige Beine, deren Nägel den Zehen an Länge fast gleich kommen, schmale, spitzfederige Flügel, unter deren Schwingen die dritte die längste ist, und welche am Buge einen starken, einwärts gekehrten Dorn tragen, und kurzen, aus zehn weichen, zarten, ein wenig zugespitzten Federn bestehenden, abgerundeten Schwanz. Der alte Vogel ist an Kopf, Hals, Brust und Bauch schwarz, auf dem Rücken, den Flügeln und den Bauchseiten rothbraun; die Schwingen sind bis auf die schwarze Spitze gelblich grün, die Steuerfedern dunkel röthlichbraun.


Jassana (Parra Jacana). 1/2 natürl. Größe.
Jassana (Parra Jacana). 1/2 natürl. Größe.

Das Auge ist blaßgelb, der Schnabel roth, an der Spitze gelblich, die nackte Stirnschwiele wie der Mundwinkellappen blutroth, der Fuß bleigrau, der Dorn gelb. Der junge Vogel ist vom Kinne bis zum Steiße gelbweiß, auf Oberkopf und Nacken schwarz, auf dem Rücken olivenbraun. Die Länge beträgt fünfundzwanzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge fünf Centimeter, die Höhe der Fußwurzel fünfundfunfzig, die der Mittelzehe ebenfalls fünfundfunfzig, die ihres Nagels einundzwanzig, die der Hinterzehe vierundzwanzig, die ihres Nagels vierzig Millimeter.

Von Guayana an bis nach Paraguay fehlt die Jassana keinem stehenden Gewässer, welches theilweise mit großen Blätterpflanzen überdeckt wird. Wegen ihres schönen Farbenschmuckes geliebt [410] und ungestört, siedelt sie sich auch in unmittelbarer Nähe der Wohnungen an und belebt hier namentlich die Abzugsgräben in den Pflanzungen, nach dem Prinzen von Wied alle Sumpfstellen überhaupt, auch nasse, sumpfige Wiesen, und zwar die Gewässer in der Nähe der Küste ebenso gut wie die im Inneren des Landes oder inmitten der Urwälder. Sie geht auf den breiten, an der Oberfläche ausgebreiteten Blättern der Wasserpflanzen umher und erhält sich hier, vermöge der langen Fußzehen, mit Leichtigkeit. Vor dem schnell dahingleitenden Boote fliegt sie zwar auf, setzt sich aber bald wieder nieder. Wenn sie gedankenschnell über die dichtverworrenen Wasserrosenblätter eilt und dabei doch fortwährend sich beschäftigt, gewährt sie ein höchst unterhaltendes Schauspiel. Beim Niedersetzen hebt sie die zierlichen Flügel hoch in die Höhe und zeigt die in der Sonne hellglänzenden, schön gelbgrünen Schwungfedern, gleichsam, als wolle sie alle ihre Reize entfalten. Jassanas, welche im hellen Sonnenscheine auf den großen, grünen Blättern der Wasserpflanzen sich bewegen, überstrahlen die prächtigen Blüten der letzteren noch bei weitem. Beim Niedersetzen oder kurz vor dem Wegfliegen vernimmt man gewöhnlich die laute, dem Lachen ähnliche Stimme, welche den anderen zur Warnung dienen soll; der Vogel stößt sie selbst dann noch aus, wenn er, unerwartet überfallen, sich so eilig wie möglich zu retten suchen muß. »Sowie einer oder der andere«, sagt Schomburgk, »einen ihm verdächtig scheinenden Gegenstand erblickt, reckt er seinen Hals aus, läßt seine laute, schreiende Stimme ertönen; die ganze Gesellschaft stimmt ein, und einer nach dem anderen schickt sich zur Flucht an.«

Die Jassana nährt sich von Wasserkerfen und deren Larven, verschmäht aber auch Sämereien nicht und scheint beständig mit Aussuchen der Nahrung beschäftigt.

Das Nest ist ein kunstloser Bau, welcher an Sümpfen und Grabenrändern angelegt wird. Die vier bis sechs auf bleigrünlichem oder bläulichem Grunde leberbraun punktirten Eier liegen oft auch auf bloßer Erde. Die Jungen folgen der Mutter bald nach dem Ausschlüpfen.

Nach Angabe des Prinzen von Wied soll es nicht schwer fallen, Jassanas an die Gefangenschaft zu gewöhnen, zumal wenn man ihnen einige Freiheit gewährt, beispielsweise sie auf dem Hofe hält. Wahrscheinlich würden die zierlichen Geschöpfe lebend nach Europa gebracht werden können; es scheint aber, als ob ein solcher Versuch bisher noch nicht unternommen worden ist.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 409-411.
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